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Keiner zu sehen. Ein Mann kommt hergewankt, spricht: „Flüten Sie sich. Sie sind von Verzweifelten umlagert. Alle Gestalten warten auf Verdienst. Aber wenns nicht anders geht, wollen sie stehlen und rauben. Geben Sie mir Ihren Koffer, ich trag’ ihn zum Wagen. Ich mein es ehrlich, obwohl auch ich einer von den Gestalten bin.“ Ein Arbeitsloser. Jetzt im Wintersturm ohne Brot, ohne Obdach und Überrock. „Und außerdem hab ich einmal studiert.“ „Wollen Sie mir Ihren Koffer anvertrauen? Ich trag ihn glücklich zum Wagen.“ Durch eine Schar unheimlicher schwarzer Gestalten schritien wir... Vor einem fremden älteren Herrn im Pelz stand ein Kind von sechzehn Jahren, bittend die Hände emporgehoben, unter den Lumpen magere Knochen, vom Fleische gefallen. „Herr, nehmen Sie mich mit für heute!“ Der Herr gab nur Geld. Ein andrer kam, nahm sie mit. Und noch andre Kinder tauchten aus der Finsternis auf. Knaben und Mädchen — bleich wie der Tod. Schlichen wie Katzen umher... Verschwanden irgendwohin. Alles kam und verging, schnell wie ein Traum, wie ein Spuk. Mein fahler Handlanger empfing meinen Lohn Ging zu seinem hungernden Brüdern zurück, die dort im Dunkel stehen, frieren. Warten. Mit weit aufgerissenen Fieberaugen, lauschenden Herzens warten, ruhelos warten: Was diese sternklare, frostglitzernde Nacht unter freiem Himmel ihnen bringen wird. Anton Pariser Anton Pariser wurde am 15. Oktober 1890 in Wien als Sohn von Alexander Pariser, einem Geschäftsinhaber und seiner Frau Karoline, geb.Schidlof, geboren. Er studierte Jus an der Universität Wien, wurde Bankbeamter und schließlich Vorstandsstellvertreter in der Länderbank. Er heiratete Josefine Blankenberg, 1927 kam ihre Tochter Magdalena zur Welt. Er engagierte sich im 13. Bezirk in der sozialdemokratischen Bildungs- und Kulturarbeit, hielt Referate und leitete Fortbildungskurse. Anton Pariser trat hauptsächlich als Übersetzer französischer Lyrik hervor. 1931 erschienen seine Nachdichtungen der 24 Sonette der berühmten Dichterin aus dem 16. Jh. Louise Labe im Verlag Heitz & Co in Straßburg. 1932 traten er und seine Frau aus der IKG aus, auch die Tochter wurde ausgetragen. 1933 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“. Vom 7. bis 18. Juli 1938 befand sich Pariser in „Schutzhaft“, im August 1938 verlor er seine Position bei der Länderbank. Die Familie flüchtete im Jänner 1939 nach Frankreich. Dort wurde Pariser als „feindlicher Ausländer“ u.a. im Sammellager Stade Olympique de Colombes und in den Lagern Les Milles und Gurs interniert, schließlich zu einer „Prestataire“-Einheit in Montauban versetzt. Ende 1940 starb seine Frau Josefine in Folge der Strapazen von Flucht und Emigration. Ab August 1942 bis zur Befreiung Frankreichs, August 1944, lebten Pariser, seine Tochter und seine Schwägerin, von französischen AntifaschisUnnen versteckt, in einer Hütte bei Montauban, angewiesen auf die Solidarität französicher Antifaschisten. Danach kümmerte er sich in seinem Exilland um die versprengten österreichischen Flüchtlinge, war in der „Gruppe der österreichischen Sozialisten in Frankreich“ tätig und ab 1951 deren Leiter sowie Sekretär des Verbandes der Österreicher in Frankreich. 1946 fand er Arbeit in einer Bank, schließlich war er im österreichischen Kulturinstitut in Paris tätig. Seine Leidenschaft galt November 2012 43