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Alexander Emanuely Theodor Kramer in Dorset r Crichel House, um 1910 Die einzige Hoffnung besteht in der Tatsache, daß ich nach meiner Ankunft in England nach 1 32 jahrelanger Pause eine Reihe wirklich guter neuartiger Gedichte schrieb. (Brief von Theodor Kramer an Peter Kilian vom 28. Jänner 1940)! Am 21. Juli 1939 kam Theodor Kramer in Dover an. Seine Frau Inge Kramer-Halberstam hatte schon Anfang Februar mit einem Dienstboten-Permit aus Wien nach Großbritannien entkommen können. Ihre Arbeitgeberin Mrs. Josephine Willcock, aber vor allem Ernst Waldinger, Hubertus Prinz zu Löwenstein vom American Guild for German Cultural Freedom, Arnold Zweig, ‘Thomas Mann und der Internationale PEN-Club hatten alles unternommen, um den Dichter zu retten. Nach einem langen Tauziehens konnte Theodor Kramer endlich am 7. Juni vom britischen Konsulat das rettende Visum ,,Good for single journey only“ und ,,For domestic employment", gültig bis zum 25. August 1939, abholen. Zuvor waren seine Versuche, ein Visum fiir die Schweiz und die USA zu erhalten, gescheitert. Theodor Kramer konnte zwar aus Wien entkommen, seine Mutter Babette jedoch musste bleiben. Sie wurde mit dem Transport 33 am 22. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 26. Janner 1943 starb. Einen Monat nach seiner Flucht, am 22. August, las Theodor Kramer im Jugendheim des Austria Centres in London Gedichte. Knapp nach Ausbruch des Krieges, erhielten im September er und seine Frau eine Einladung nach Crichel House, einem „Herrschaftshaus“ bei Wimborne im County Dorset. Sie waren Gaste von Napier Sturt, 3. Baron Alington, einem kunstsinnigen Exzentriker, der bald ftir den Geheimdienst der Royal Airforce Lossland — ein Theodor-Kramer-Soundwalk arbeiten und nach einer Erkrankung im September 1940 in Kairo sterben wird. Das Ehepaar Kramer konnte nur drei Wochen in der Dienstbotenwohnung des palastartigen Anwesens wohnen, musste dann jedoch nach Wimborne ziehen, wo es bald in einem „eiskalten Zimmer [ohne] Abort“ lebte. Eine Entfernung von mehr als fünf Meilen vom Wohnort musste der Polizei gemeldet werden. Das Ehepaar war oft für Wochen getrennt, da Inge Kramer-Halberstam in der Umgebung als Dienstmädchen arbeitete und Theodor Kramer arbeitslos blieb. Die abgedruckten Gedichte entstanden in Crichel und in Wimborne, bevor das Ehepaar Mitte Mai 1940 für ein Dreivierteljahr als „Enemy alien“ interniert wurde. Theodor Kramer schrieb sie in Schönschrift in zwei Notizbücher geschrieben, die im Archiv der Theodor Kramer Gesellschaft aufbewahrt werden. Nur wenige der Gedichte aus den Notizbüchern sind bisher veröffentlicht, darunter: „Von den ersten Tagen in London“, „Von der Größe Londons“, „In der Snackbar“, „Brief an eine Freundin“, „Lied übers Meer“, „Auf der Straße von Crichel“, „Letzte Nachrichten“, „Vom vielen Briefeschreiben“, „Abend 1939“, „Nach den ersten Wochen“, „Wenn der Regen rinnt“, „In England“ in den von Erwin Chvojka herausgegebenen Gesammelten Gedichten?. Anmerkungen 1 in: Erwin Chvojka, Konstantin Kaiser: Vielleicht hab ich es leicht, weil schwer, gehabt. Theodor Kramer 1897 — 1958. Eine Lebenschronik. Wien 1997, 57 2 Theodor Kramer. Gesammelte Gedichte. Band 2. Wien 1998, 136fF finden Sie unter: http://loessland.kwikk.info/ 18 _ ZWISCHENWELT