OCR
Als Kunststudentin war ich auch berechtigt, die Hauptbücherei des College zu benutzen. Ich konnte auch Extra-Abendkurse besuchen. Da ich so verzaubert von meiner neuen Welt war, schrieb ich mich in drei Extra-Abendkurse ein. So hatte ich zwischen dem Ende des täglichen Unterrichts und dem Beginn der Abendkurse ein paar Stunden Zeit. Als lebenslanger Bücherwurm nutzte ich diese freie Zeit, um die große College-Bibliothek zu erkunden und Bücher auszuleihen. Nicht viele Kunststudenten waren daran interessiert. So kam es, dass ich Sie, Herr Kramer, schließlich kennen lernte. Guildford war eine hübsche Kleinstadt mit einem alten Schloss, mit Blick auf den Fluss Wey, der sich durch die Stadt und durch die saftig grüne Landschaft schlängelte, bis er schließlich nördlich von Weybridge in die Themse mündete. Sie schrieben ein Gedicht über den Fluss „Wey“. Die gepflasterte Hauptstraße stieg steil zu einem Hügel an und war gespickt mit Geschäften, alten Kirchen und einem Armenhaus. Ungefähr auf halber Strecke war ein erstaunliches Antiquariat — eine Aladdin’s Fundgrube für Bücher, die an jeder freien Wand aufgestapelt waren. Ich liebte es, dort Schätze aufzustöbern. Und Sie auch! Ich bin sicher, dass Sie nach London fuhren, wenn Sie Zeit hatten. Ungefähr jede halbe Stunde gab es einen Schnellzug, und man brauchte etwas unter einer Stunde, um den Waterloo Bahnhof zu erreichen. Viele Lehrer der Kunstschule kamen jeden Mardijah Simpson My First Poet You were a dark lithograph In a sweet English watercolour Heavy of heart and flesh Dark hair (sideburns) Dark eyes (horn-rimmed glasses) Heavy jowls, thick lips, thick fingers, Dark serge suit (baggy pants, waistcoat). Tam sure you wore black lace-up boots In the days when this was not cool. I saw you once in town Ina dark, wide brimmed hat. You lived in a world of books This is where we met — this was our pleasure. Although your voice was thick and German Your English was wonderful You showed my culture Rattigan not Rilke. Savouring the subtleties and nuances of English literature. How you talked, how I listened. You fed me books, my ambrosia. Always formal and courtly. I was a giddy art student, enraptured by light, love and beautiful men,. painting, dating and partying. When I returned from a holiday eating wild cherries on the Rhine, another student (a German speaker) 20 ZWISCHENWELT Tag aus London zum Unterricht. Ich fuhr oft nach London, um die großen Kunstausstellungen zu besuchen, und mich in die neuen Kaffechäuser mit Espressomaschinen vorzuwagen. Haben Sie das auch gemacht? Ich sah Sie zum letzten Mal, als ich Sie in dem Haus, in dem Sie in Guildford lebten, besuchte. Es war ein hübscher ruhiger Vorort — ganz in der Nähe des College. Das Grundstück sah weitläufig und gut gepflegt aus — gar nicht so, wie die heruntergekommenen Wohnungen, die Sie beschrieben hatten, als Sie nach London kamen. Es machte mich traurig zu lesen, dass Sie diesen sicheren Hafen verlassen mussten. Ich war glücklich, die Leute der Organisation kennen zu lernen, die nach Ihnen benannt wurde. Sie hießen mich herzlich willkommen und gaben mir Zeitschriften und Bücher. Ich hoffe sehr, dass es eines Tages möglich sein wird, einige Ihrer früheren Gedichte zu lesen - vielleicht sogar auf Englisch. Vielen Dank für die lang vergangene Zeit, die Sie mit mir in Ihrer friedlich-ruhigen Bibliothek geteilt haben. Ruhen Sie in Frieden Mardijah Alice Springs, November 2012. Aus dem Englischen von Ursula Burmeister. gave you to me. She felt your needs too burdensome And asked me to have you — a gift. I welcomed my visit To your magic library every week. You told me your story as your trust grew Of leaving Germany (a Jew) in the ,30s Coming to England to be interred on The Isle of Man when war came. Released you came to London. As a fellow poet, Stephen Spender was kind to you, fed you sweet-corn — your favorite. In your Hampstead doctor’s rooms you saw old frail Sigmund Freud You had loved a younger woman. It did not work out. You were sad. You read me your poems always written in German, profound themes in simple style, like folksongs for the common man. I think you had published in Germany. It was hard in England. Your poems never came in English In translation they lost their character. I wish I could recall them now. They were honest. Written by a passionate man.