OCR
Nach dem Februar 1934 schloss sie sich der illegalisierten Kommunistischen Partei an. Am 12. Februar 1935 fanden in Wien Großkundgebungen zur Erinnerung an die Februarkämpfe 1934 statt. In dem staatspolizeilichen „Situationsbericht“ (Bundeskanzleramt. Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Staatspolizeiliches Bureau) vom 12. Februar 1935 ist festgehalten, dass „die 34jährige Schneiderin Marie [sic!] Petrides, XVII., Leopold Ernstgasse Nr. 43 wohnhaft“, wegen Streuens kommunistischer Flugzettel angehalten wurde. Sie wurde vom Bezirkskommissariat mit sechs Wochen Arrest bestraft. Am 1. März 1937 wurde Margarete Petrides wegen Streuens kommunistischer Flugblätter am Dornerplatz im 17. Wiener Gemeindebezirk erneut verhaftet (staatspolizeilicher „Situationsbericht“ vom 4.3.1937) und im Polizeigefangenenhaus festgehalten. Kurz darauf, am 16. April 1937, wird sie „zwecks Hintanhaltung von Störungen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ zu drei Monaten Anhaltehaft verurteilt. In der Begründung zum Urteil („Bescheid“. Polizeipräsident der bundesunmittelbaren Stadt Wien. Pr. ZI. TV-4- 176/37) heißt es, dass Margarete Petrides seit langem „als kommunistische Parteigängerin“ bekannt ist und „die Funktion einer Bezirkskassiererin“ ausübt. Am 11. Jänner 1938 wurde Margarete Petrides im Zuge einer Hausdurchsuchung wiederum verhaftet und wegen Kontakten zu illegal tätigen Kommunisten und Besitzes von politischen Aufzeichnungen nochmals zu drei Monaten Anhaltehaft verurteilt (Pr. ZI. IV-4- 21/38). Auch Margaretes Schwester Lucia Petrides wurde zweimal wegen illegaler Betätigung verhaftet, im April 1934 befand sie sich fünf Tage in Haft im Gefangenenhaus Rossauerlände, das zweite Mal vom 19. März bis 27. Mai 1936. Darüber, wie es Margarete Petrides in der Zeit nach dem „Anschluss“ bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges ergangen ist, konnten wir bis jetzt nichts in Erfahrung bringen. Es ist aber davon auszugehen, dass ihre Romane autobiographische Züge haben. In dem Roman „Hedwig Zadinek. Roman einer Wiener Arbeiterin“ berichtet die Protagonistin des Romans über ihre Kindheit, ihre Zeit bei den Naturfreunden. In atemlosem Stakkato erzählt sie, wie sie den 12. Februar 1934 erlebt hat. Sie verfolgt die Berichte über die Kommunisten und Sozialdemokraten Spaniens, Frankreichs in den Zeitungen. Die Nazizeit. Gegen Ende des Buches ($S. 343) schreibt sie: „Die Kerkerzelle, in der sie sich befindet, gleicht jener Kerkerzelle, aus der man sie vor eineinhalb Jahren entlassen hat; — das System hat sich geändert, die Namen, die Farben, — der Kerker ist derselbe geblieben. Sie ist in Haft genommen worden, — nicht weil man sie bei irgendwas ertappt hätte — nein, nur so; als Polizeibekannte in Schutzhaft genommen des Krieges wegen.“ Also können wir zumindest annehmen, dass sie bei der Generalamnestie im Februar 1938 entlassen und eineinhalb Jahre später von den Nazis in so genannte Schutzhaft genommen wurde. Nach 1945 war Margarete Petrides Funktionärin der KPÖ. Nach einer langen Phase, in der sie keine Texte veröffentlichte, erschien 1947 ihr Roman „Hedwig Zadianck. Roman einer Wiener Arbeiterin“ im Wiener Globus-Verlag. Armut und Elend beschreibt sie nicht in pathetischer Breite, sondern um so eindringlicher in knappen Details. Petrides schreibt pointiert, spannend und klar. Sie hat nur ein schmales Werk hinterlassen, dennoch ist sie eine bemerkenswerte Vertreterin der Arbeiterliteratur. Sie lässt in ihrem Roman „Hedwig Zadinek. Die Geschichte einer Wiener Arbeiterin“ die Geschichte der Sozialdemokratie der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts lebendig werden, von der Warte einer Proletarierin, die sich mehr und mehr dem Kampf für die sozialistische Revolution verschreibt. Margarete Petrides kann wohl auch als eine Vorläuferin des modernen Feminismus betrachtet werden. Die Protagonistin ihres Romans, Männern durchaus nicht abgeneigt, betrachtet dennoch die traditionelle Mann-FrauBeziehung grundsätzlich als eine Einschränkung ihrer weiblichen Autonomie. Keinesfalls will sie eine „ausgehaltene Frau“ sein, auch wenn eine Ehe mit einem Mann, der ein gesichertes Einkommen hat, ihre ständigen Existenzsorgen als ausgebeutete Arbeiterin und immer wieder Arbeitslose beenden würde. Einzig einer der Männer, denen sie begegnet, käme für sie in Frage. Äußerlich zwar nicht schr ansprechend, Kommunist, was sie zunächst noch misstrauisch macht, doch für ihn ist selbstverständlich, mit seiner Lebensgefährtin, die wie er, „in Arbeit steht“, die Hausarbeit und die Versorgung der Kinder gerecht zu teilen. Er ist allerdings bereits verheiratet. Über die Literatur von Margarete Petrides lässt sich so gut wie nichts finden. Einzig Erich Hackl schreibt in einem Artikel über die Ärztin und Schriftstellerin Marie Frischauf, dass deren Literatur ebenso wie die der Literatinnen Margarete Petrides, Doris Brehm und Susanne Wantoch in Germanistikseminaren nicht einmal erwähnt werde. In ihren Romanen aber „glaubte ich einer seltsamen Vertrautheit zu begegnen, die vor meiner eigenen Lebenszeit liegt, und doch war es mir, lesend, als gehörte sie zu meiner Epoche ...“ (E. Hackl: Vom Grau des Mitleids. In: Die Presse, 23.12.2000, Spectrum S. 7). Thre letzten Lebensmonate verbrachte Margarete Petrides im Pensionistenheim Laaerberg in Wien-Favoriten. Sie starb am 19.2.1973 in Wien. Ihre Schwester Lucia starb elf Jahre später. Beide wurden in einem Grab am Friedhof Ottakring bei ihren Eltern beigesetzt. April 2013 35