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Endpunkt erlebt - danach ging es um die Abstraktion. Doch sie hatte langfristig geschen eine entscheidende Auswirkung, denn sie führte zur Gründung der Wiener Schule des Phantastischen Realismus um Ernst Fuchs (geb. 1930), Friedensreich Hundertwasser (1928 — 2000), Arik Brauer (geb. 1929), Wolfgang Hutter (geb. 1928), Rudolf Hausner (1914 — 1995), Anton Lehmden (geb. 1929) und Fritz Janschka (geb. 1919). Nicht zuletzt durch diese Spaltung verlor der Art-Club bereits Anfang der 1950er-Jahre seinen Elan. Als sein Nachfolger und wahrscheinlich wichtigster Treffpunkt von KünstlerInnen in der Stadt kristallisierte sich die 1954 gegründete Galerie St. Stephan heraus. Diese war — auch dies ein österreichisches Kuriosum — die Gründung von Monsignore Otto Mauer, einem kunstbeflissenen katholischen Priester und Sammler, der vor allem die Generation der um 1930 geborenen KünstlerInnen um sich scharte. Ziel der Aktion war nicht zuletzt, die Kunst nicht kampflos den Linken zu überlassen. Rasch kam es aber innerhalb der Kirche zu Protesten wegen der Benennung nach einem Heiligen, daher wurde der Name auf Galerie nächst St. Stephan geändert, was nun als Bezug auf die nur wenige Straßen entfernte Kathedrale gleichen Namens geschen werden konnte. Bei der hier gezeigten zeitgenössischen Kunst stand anfangs eindeutig die unpolitische Abstraktion im Vordergrund. Zuerst vertreten durch die Maler Arnulf Rainer (geb. 1929), Josef Mikl (1929 — 2008), Markus Prachensky (1932 — 2011) und Wolfgang Hollegha (geb. 1929), später stießen Oswald Oberhuber (geb. 1931) und Maria Lassnig (geb. 1919) mit „Informel“ hinzu. In den 1960er-Jahren öffnete sich die Galerie in ihrem Programm den internationalen Strömungen, eine wichtige Rolle spielten dabei die jährlich stattfindenden „Internationalen Kunstgespräche“, die es der einheimischen Künstlerschaft ermöglichten, Kontakte mit renommierten Museumsleitern oder Kunsttheoretikern des In- und Auslandes zu knüpfen. Als weitere Gruppierung sind die Künstler des „Wiener Aktionismus“ zu nennen, der sich in den 1960er- und 1970er- Jahren etablierte. Hierbei wurden Elemente der amerikanischen Happening- und Fluxus-Kunst adaptiert und auf oft als provozierend empfundene Weise umgesetzt. Künstler wie Günter Brus (geb. 1938), Otto Muchl (geb. 1925), Hermann Nitsch (geb. 1938) und Rudolf Schwarzkogler (1940 — 1969) fungierten als führende Köpfe. Zwar hatten diese aufgrund ihrer späten Geburt das NS-Regime nur noch schr peripher in Erinnerung, ihr Protest kann aber durchaus als einer gegen dessen Verschweigen gewertet werden. Heimkehr mit Retour-Ticket Was damals aber so gut wie niemand wusste: Friedensreich Hundertwasser war trotz seiner jüdischen Herkunft während der Kriegsjahre in einer HJ-Staffel „untergetaucht“, allein mütterlicherseits wurden 69 seiner Verwandten ermordet. Arik Brauer und Ernst Fuchs hatten den Krieg trotz ihrer Einweisung in ein Sammellager für „Mischlingskinder“ und „Geltungsjuden“ in Wien überlebt.'* Für beide war diese Stadt nur ein Wohnort unter vielen, Brauer zog es nach Paris und Israel, Hundertwasser hatte im Alter unter anderem einen zweiten Wohnsitz in Neuseeland. Auch Ernst Fuchs orientierte sich sehr stark nach Paris. Mehr als nur eine Heimat zu haben verband sie wiederum mit den Heimkehrern. Hans Escher (geb. 1918) hatte im französischen Exil gelebt, kam als Korporal der 46. Division der 8. britischen Armee nach Wien, wo er zwar blieb, doch nicht ohne so oft wie möglich nach Frankreich zu 50 _ ZWISCHENWELT reisen. Ganz ähnlich war dies bei Georg Eisler (1928 — 1989) und seiner Liebe zu England, dem Ort seiner Sozialisierung in die internationale Kunstwelt. Im Londoner Exil war er Kokoschka begegnet, der sich letztendlich von seinem Talent überzeugen ließ. Ihre bleibende Heimat hatten in England die Maler Albert Reuss (1889 — 1975), Georg Mayer-Marton (1897-1960), Leo Delitz (1882 — 1966), Fritz Gross (1895 — 1969), Josef Heu (1876 — 1952) und Gerhart Frankl (1901 — 1965) gefunden. Der Bildhauer Georg Ehrlich (1897 — 1966) schuf in England das Mahnmal für die Zerstörung Coventrys. Er lebte nach dem Krieg gleichzeitig in England und Österreich wie auch der Bildhauer Siegfried Charoux (1896 — 1967), der bereits 1935 nach London übersiedelt war, wo er 1947 die britische Staatsbürgerschaft erhielt und 1956 zum Mitglied der Royal Academy of Arts avancierte. Weitere Ehrungen in England und Österreich folgten. Das von Charoux gestaltete und großteils von Wiener Freimaurern finanzierte Lessing-Denkmal am Wiener Judenplatz wurde 1939 auf Anweisung des NS-Regimes eingeschmolzen, als späte Wiedergutmachung gab die Republik Österreich eine Reproduktion in Auftrag, die 1968 auf dem Morzinplatz und 1981 auf ihrem ursprünglichen Standort am Judenplatz aufgestellt wurde. Einige wenige KünstlerInnen waren bereits zwischen 1945 und 1948 dauerhaft nach Östereich zurück gekommen, dies waren der Maler Felix Albrecht Harta (1884 — 1967) aus England, Gustav K. Beck und Carl Zahaddnik aus Italien, Carry Hauser (1895-1985) aus der Schweiz, Gottfried Goebel (1906 — 1975), Heinrich Sussmann (1904 — 1986), Ferdinand Bilger (1903 — 1961) und Trude Waehner (1900 — 1979) aus Frankreich, Willy Verkauf-Verlon (1917 - 1994) und Herbert Schütz (1903 — 1964) aus Palästina und Axl Leskoschek (1889 — 1976) aus Brasilien. Georg Merkel (1881 — 1976) und seine Frau Louise Merkel-Romée (1888 — 1977) kamen erst 1972 aus Frankreich zuriick. Victor Tischler (1890 — 1951) kam 1949 aus den USA zurück, allerdings nicht nach Wien, sondern nach Cannes, wo er in der Emigration vor dem Krieg ein Haus erworben hatte. Ludwig Heinrich Jungnickel kam 1952 aus dem freiwillig gewählten Exil in Abbazia nach Wien zurück. Georg Chaimowicz (1929 — 2003) kam 1949 aus Kolumbien und hatte neben seinem Atelier in Wien, in dem er vor allem schr reduzierte Schwarz-Weiß-Zeichnungen produzierte, auch ein Atelier in Südfrankreich, wo überaus farbenfrohe Bilder entstanden. Zu seinen bedrückendsten Werken gehörten Zeichnungen von dem mit einem Freispruch endenden Prozess gegen den ehemaligen KZ-Kommandanten Franz Muhrer Anfang der 1960er-Jahre. Der Maler und Bildhauer Viktor Planckh (1904 — 1941) fiel als Soldat bei Kämpfen um Athen. Die Maler Kurt Moldovan (1918 — 1977), Franz Rogler (1921 — 1994) und Ernst Paar (1906 — 1986) überlebten sogar die Ostfront. Letzterer engagierte sich Anfang der 1950er- Jahre stark in der nach dem Erlahmen des ART Clubs gegründeten Künstlergemeinschaft „Der Kreis“. Rudolf Pointner, Rudolf Angerer (1923 — 1996) und Walter Ritter (1904 — 1986) waren ebenfalls zum Dienst in der Wehrmacht gezwungen worden und kehren aus der alliierten Kriegsgefangenschaft zurück. Bei Richard Schaukal (1900 — 1981) war es quasi umgekehrt, er beaufsichtigte und zeichnete gegen Ende des Krieges französische Kriegsgefangene in der Steiermark. Ein tragisches Schicksal ereilte den Architekten Franz Schacherl (1895 — 1943), er verstarb in seinem Exilland Angola wegen unzureichender ärztlicher Behandlung. Dauerhafte Zuflucht in Palästina fand der Bildhauer und Keramiker Jakob Löw (1887 — 1968).