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Machtgefüge des Regimes darstellen. Die Revolutionswächter sind nicht nur die militärische Eliteeinheit des Regimes und kontrollieren das Atom- und Raketenprogramm, sondern sie bilden auch eines der wichtigsten Wirtschaftskonglomerate im Iran, das seinen Mitgliedern enorme ökonomische und soziale Vorteile verschafft. Schon seit mehreren Jahren setzen die Pasdaran ihre militärische Macht ein, um entscheidende Wirtschaftszweige unter ihre Kontrolle zu bringen, insbesondere im Bereich des Außenhandels.'? Ähnlich wie der Nationalsozialismus, aber doch in anderer Weise, ist der islamische Unstaat im Iran kapitalistisch und antikapitalistisch zugleich: „Seine Stellung zum Privateigentum an Produktionsmitteln ist insofern verändert, als es dieses Privateigentum in Gestalt industrialisierter Produktionsverhältnisse nur in geringem Maß gibt. Das allgemeine Gesetz und der Vertrag sind auch hier verschwunden, an deren Stelle willkürliche Maßnahmen der Rackets getreten.“” Ein zentraler Unterschied zum Nationalsozialismus besteht jedoch im Verhältnis zur Arbeit. Die Zugehörigkeit zur islamistischen Gemeinschaft hat mit dem Einsatz der Ware Arbeitskraft, anders als in Nazi-Deutschland, fast nichts mehr zu tun: „In solcher Gemeinschaft fühlt sich auch gebraucht und nicht überflüssig, wer keinerlei Aussicht mehr auf einen Arbeitsplatz hat und sich diesen selbst von der umma nicht erwartet. Was den einzelnen außerhalb der Rackets bedroht und der Überflüssigkeit preisgibt, projiziert er auf den totalen Feind, das Gegen-Volk.“?”! Diese Projektionen kulminieren in einem Vernichtungswunsch, bei dem selbst noch die eigene Aufopferung mit einkalkuliert und in der Märtyrerideologie und dem Messianismus der iranischen Islamisten geradezu beschworen wird.” In diesem durchaus selbstmörderischen Wunsch nach der tatsächlichen Vernichtung des jüdischen Staates „trifft sich die islamistische Gemeinschaft dann doch auch im Hinblick auf das Kapitalverhältnis mit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft. [...] Das Individuum muss jederzeit bereit sein, den von ihm dargebotenen Gebrauchswert, die Arbeitskraft, auszulöschen — als Opfer, das für Nation und umma zu bringen ist im Kampf mit jenem Gegen-Volk.“” Was tun? Wie kann solch einem Regime, das den Vernichtungswahn der deutschen Ideologie unter vollig veranderten Bedingungen fortführt, adäquat begegnet werden? Es sei zunächst daran erinnert, was laut Kapitel VII, Artikel 41 der UN-Charta schon seit Jahren angesichts der Missachtung der Sicherheitsratsbeschlüsse zu einem sofortigen Ende der Urananreicherung seitens des iranischen Regimes selbst auf UN-Ebene alles möglich wäre: „die vollständige [...] Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, [...] des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, [...] der Abbruch der diplomatischen Beziehungen.“”* Natürlich wäre im Einzelnen zu diskutieren, welche dieser Maßnahmen Sinn machen und wie auch scharfe Sanktionen sich möglichst direkt gegen das Regime richten können, ohne die Bevölkerung allzu schr in Mitleidenschaft zu ziehen. Das Frappierende ist aber, dass solch einschneidende Maßnahmen in den bisherigen Diskussionen über ein sinnvolles Vorgehen gegenüber den Machthabern in Teheran kaum auftauchen und gerade in linken Diskussionen die Sinnhaftigkeit von Sanktionen generell in Frage gestellt wird. Noch deutlich schärfere, dringend notwendige Sanktionen dürften nicht als Beitrag verstanden werden, das Regime zu weiteren 54 ZWISCHENWELT Verhandlungen zu überreden und ihm dadurch womöglich noch einen Weg aus der Krise zu weisen. Sie müssten als entscheidender Beitrag zu seiner Schwächung konzipiert sein, um dieses Regime perspektivisch dorthin zu befördern, wo es schon seit über 30 Jahren hingehört: in den Orkus der Weltgeschichte. Sanktionen können angesichts des Charakters des Regimes auch nicht darauf vertrauen, dass sich Ali Khamenei oder die Pasdaran vor ihren Folgen dermaßen fürchten, dass sie von sich aus von der militärischen Aufrüstung und Eskalation ablassen, sondern sie müssten darauf abzielen, es dem Regime zu verunmöglichen, seine Projekte weiter voranzutreiben — sei es das Nuklearprogramm oder die Unterdrückung der iranischen Bevölkerung. Solange neue Sanktionen das Regime nicht an die Grenze seiner Überlebensfähigkeit führen, kann Teheran weiter versuchen, mit einem veritablen Zickzackkurs auf die bisher formulierten Verhandlungsaufforderungen und auf weitere Sanktionsdrohungen zu reagieren. Das Regime in Teheran könnte versuchen, die bewährte Strategie eines hinhaltenden Taktierens der letzten zehn Jahre fortzusetzen, die es den iranischen Machthabern ermöglichen soll, weiter ungestört Uran anzureichern, Sprengköpfe zu entwickeln und an Zündvorrichtungen zu basteln. Selbstverständlich werden Sanktionen immer auch die iranische Bevölkerung bis zu einem gewissen Grad treffen. Erstens aber fordert niemand Sanktionen für Nahrungsmittel, Medikamente etc., sondern es geht in erster Linie um Sanktionen gegen den Erdgas- und Erdölexport und gegen Finanztransaktionen, die den Lebensnerv des Regimes darstellen, und um Sanktionen gegen den Import von Hochtechnologieprodukten, die insbesondere vom deutschen Mittelstand geliefert werden. Zweitens hat die iranische Bevölkerung in den letzten Jahren bewiesen, dass sie für die Sanktionen mehrheitlich nicht ‚den Westen‘ verantwortlich macht, sondern die aggressive Politik des eigenen Regimes. Drittens: Alles, was dem Regime finanzielle Mittel raubt, nützt der iranischen Opposition. Und viertens: Wenn die Alternative eine militärische Auseinandersetzung mit dem iranischen Regime ist, das bereits seit über 30 Jahren Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, sind scharfe Sanktionen dann nicht in jedem Fall die bessere Alternative? Oder wären es zumindest in den letzten Jahren gewesen? Und warum werden sie dann insbesondere von jenen in der Linken abgelehnt, die lautstark gegen jedes militärische Vorgehen gegen das iranische Antisemiten-Regime mobil machen?” Weder gibt es eine Garantie, dass die dringend notwendigen crippling sanctions, die noch deutlich über die bisherigen durch zahlreiche Ausnahmeregelungen wieder konterkarierten Beschlüsse hinaus gehen müssten, überhaupt noch, rechtzeitig und in den entscheidenden Ländern verabschiedet werden, noch, dass sie hinsichtlich des Nuklearprogramms die gewünschte Wirkung zeigen. Aber allein eine deutliche Schwächung des Regimes, die durch ein Handelsembargo mit humanitären Ausnahmeregelungen in jedem Fall erreicht würde, verdeutlichen seine Notwendigkeit und Dringlichkeit. So wie niemand mit Sicherheit voraussagen kann, welche Entscheidungen hinsichtlich Sanktionen in den nächsten Monaten getroffen werden und welche Erfolge oder Niederlagen die iranische Freiheitsbewegung feiern oder verschmerzen musste, so ist auch nicht auszuschließen, dass es zu einer militärischen Fskalation kommt. Sicher ist nur, dass das fieberhaft vorangetriebene iranische Nuklearprogramm cs für Israel in jedem Fall notwendig macht, sich für zukünftige Konfrontationen zu wappnen. Das wurde und wird in der Solidaritätsbewegung für die iranische