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Ein Sturz des Regimes im Iran hätte keineswegs nur nationale oder regionale Auswirkungen. Es ist zu hoffen, dass er der Startschuss sein wird, um dem globalen Vormarsch des islamischen Djihadismus Einhalt zu gebieten. Ein Sturz des Regimes würde die iranische Bevölkerung nicht nur von der Tyrannei der Scharia befreien und Möglichkeiten eröffnen, jene Stillstellung des geschichtlichen Prozesses zu überwinden, welche die „Islamische Republik“ dem Land für drei Dekaden beschert hat. Ein Ende der „Islamischen Republik“ würde auch ihren Verbündeten wie Hisbollah und Islamic Djihad einen wichtigen Förderer und Kooperationspartner nehmen und schon dadurch neue Möglichkeiten für eine Entspannung der Situation im Nahen Osten eröffnen. Er würde den europäischen und US-amerikanischen Kulturrelativisten eine schallende Ohrfeige verpassen und jene Parole wieder in Erinnerung rufen, unter der 1979 zehntausende iranische Frauen tagelang gegen die Einführung der Zwangsverschleierung demonstriert haben: „Emanzipation ist nicht westlich, Emanzipation ist nicht östlich, sondern universal!“ Stephan Grigat ist Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Mitbegründer des Bündnisses STOP THE BOMB, Mitherausgeber von „Der Iran — Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer“ (Studienverlag 2008) sowie „Iran im Weltsystem. Bündnisse des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung“ (Studienverlag 2010), Herausgeber von „Postnazismus revisited. Das Nachleben des Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert“ (ca ira 2012) und Autor von „Fetisch & Freiheit. Die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus“ (ga ira 2007). Anmerkungen 1 Theodor W. Adorno: Negative Dialektik. In: Ders.: Gesammelte Schriften (GS), Bd. 6, Frankfurt/M. 1997 (1966), S. 358. 2 Iheodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. GS, Bd. 4. Frankfurt/M. 1997 (1951), S. 94. 3 Max Horkheimer/Theodor W. Adorno: [Diskussion über Theorie und Praxis] (1956). In: Max Horkheimer: Gesammelte Schriften, Bd. 19. Frankfurt/M. 1996, S. 66. 4 Vel. Stephan Grigat: Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus. Freiburg im Breisgau 2007, S. 337 ff. 5 Zum Nachweis des Weltherrschaftsanspruchs des djihadistischen Islams und der iranischen Ajatollahs bedarf es keiner ideologiekritischen Finesse. Ein Blick in Khomeinis Schriften reicht vollkommen aus — beispielsweise in Das islamische Regiment, eine Sammlung von Vorlesungen aus dem Jahr 1970. Siehe Ajatollah Chomeini: Der islamische Staat. In: Islamkundliche Materialien 9, Berlin/Freiburg im Breisgau 1983. 6 Vgl. Yossi Melman/Meir Janedanfar: The Nuclear Sphinx of Tehran. Mahmoud Ahmadinejad and the State of Iran. New York 2007. Emanuele Ottolenghi: Under a Mushroom Cloud. Europe, Iran and the Bomb. London 2009. Auch Bahman Nirumand, der sich gegen so gut wie alle hier formulierten Vorschläge eines praktischen Vorgehens gegen das iranische Regime stellt, hat schon vor sechs Jahren festgehalten, dass sich die Machthaber in Teheran “zumindest die Option auf Nuklearwaffen” offen halten und es ihnen “keineswegs allein um die friedliche Nutzung der Atomenergie” geht. Bahman Nirumand: Iran — Die drohende Katastrophe. Köln 2006, S. 9. 7 Die Holocaustleugner-Konferenz im Dezember 2006 in Teheran, zu der sich das internationale Who is Who der Holocaustleugner einfand, wurde vom damaligen Außenminister des Iran, Manuscher Mottaki, feierlich eröffnet. Für einen Überblick siehe Wahied Wahdat-Hagh: Jran: Islamist Holocaust 56 ZWISCHENWELT Denial. http://antisemitism.org.il/article/7 1621/iran-islamist-holocaustdenial, 16.4.2012 (Zugriff: 29.8.2012). 8 Vgl. beispielsweise Rudolf Walther: Blitz und Donner am Genfer See. In: Der Standard, 25.4.2009; Ders.: Was genau sagte Ahmadinejad in Genf? In: Der Freitag, 23.4.2009; Anneliese Finkentscher/Andreas Neumann: /nformationskrieg gegen Ahmadinedschad. In: Jürgen Elsässer (Hg.): Iran. Fakten gegen westliche Propaganda. Berlin 2009, S. 30. 9 http://www. president. ir/en/?ArtID=10114&term=Israel, 3.7.2008 (Zugriff: 20.9.2008). 10 Vgl. New York Times, 6.3.2010. 11 http://english. farsnews.com/newstext.php?nn=9 102112759, 20.5.2012 (Zugriff: 29.8.2012). 12 http://www.memri.org/clip/en/0/0/0/0/0/0/3525.htm, 7.8.2012 (Zugriff: 10.8.2012). 13 Wahied Wahdat-Hagh: Die Herrschaft des politischen Islam im Iran. Ein Überblick zu Struktur und Ideologie der khomeinistischen Diktatur. In: Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hg.): Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer. Innsbruck/Wien/Bozen 2008, S. 44ff. 14 Michael Pröbsting: Zu den Waffen! USA und Israel drohen mit neuen Krieg gegen den Iran, http://www.arbeiterinnenstandpunkt.net/ (Zugriff: 27. 8. 2007). In einem neueren Text heißt es: “Für den militärischen Sieg des Iran!” http://www.rkob.net/international/nordafrika-und-der-arabischeraum/kein-angriff-auf-iran/, 9. 11. 2011 (Zugriff: 29.8.2012). 15 Vgl. Heribert Schiedel: Heiliger Hass. Zur rechtsextrem-iranischen Freundschaft. In: Stephan Grigat/Simone Dinah Hartmann (Hg.): Iran im Welisystem. Bündnisses des Regimes und Perspektiven der Freiheitsbewegung. Innsbruck/ Wien/Bozen 2010, S. 165-173. Stephan Grigat: Mein Feind und Freund. Rechte Parteien in Europa entdecken das iranische Regime als Partner. In: DIE ZEIT, 29.3.2012, Nr. 14, http://www.zeit.de/2012/14/P-Rechte-ParteienIslam (Zugriff: 29.8.2012). 16 Gerhard Scheit: Der neue Vernichtungswahn und seine internationalen Voraussetzungen. Wodurch sich Ahmadinejads Islamische Republik von Hitlerdeutschland unterscheidet. In: Grigat/Hartmann: Der Iran, S. 60. 17 Ebd., S. 63. 18 Vgl. Wahied Wahdat-Hagh: Die Islamische Republik Iran. Die Herrschaft des politischen Islam als eine Spielart des Totalitarismus. Münster/Hamburg/ London 2003. 19 Vgl. Jonathan Weckerle: Die Pasdaran auf dem Vormarsch. Zur Rolle der Revolutionsgarden im Regime und der iranischen Okonomie. In: Grigat/ Hartmann: Iran im Welisystem, S. 32-42. 20 Scheit, S. 68. 21 Ebd., S. 70. 22 Vgl. Matthias Küntzel: Deutschland, Iran und die Bombe. Eine Entgegnung — auch auf Günter Grass. Berlin 2012, S. 21-33; Wahied Wahdat-Hagh: Der islamistische Totalitarismus. Über Antisemitismus, Anti-Bahaismus, Christenverfolgung und geschlechtsspezifische Apartheid in der “Islamischen Republik Iran”. Frankfurt/M. 2012, S. 49-75. Wahdat-Haghs Arbeiten gehören zu den wichtigsten deutschsprachigen Analysen der iranischen Herrschaftsstruktur und der islamistischen Ideologie. Seine Charakterisierung des “khomeinistischen Islamismus” als einen “pseudoreligiösen Totalitarismus” und des Islamismus insgesamt als “dritte Spielart totalitärer Herrschaft” birgt allerdings zahlreiche Probleme. Gerade dort, wo er den Vergleich mit dem nationalsozialistischen und dem realsozialistischen “Totalitarismus” expliziert, wird deutlich, dass der Totalitarismusbegriff mehr zudeckt als erhellt. Wo es gerade um das Herausarbeiten der Unterschiede ginge, wird schlecht verallgemeinert. 23 Scheit, S. 70. 24 Zit. n. Matthias Kiintzel: Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhangnisvollen Freundschaft. Berlin 2009, S. 271. 25 Siehe beispielsweise die Petition “Friedens- statt Kriegspolitik im Irankonflikt. Sanktionen und Kriegsdrohungen sofort beenden. Eine Erklärung aus der Friedensbewegung und der Friedensforschung” vom Februar 2012, die von prominenten linken Akademikern unterzeichnet wurde. http:// www.koop-frieden.de/dokumente/iran-erklaerung.pdf (Zugriff: 30.9.2012). 26 http://platypus1917.org/2010/02/18/30-years-of-the-islamic-revolutionin-iran/, 18.2.2010 (Zugriff: 26.9.2012). 27 Siehe Fathiyeh Naghibzadeh/Andreas Benl: Nachholehnde Sakularisierung. Bilanz und Perspektiven der iranischen Freiheitsbewegung. In: Grigat/Hartmann: Iran im Weltsystem, S. 28; Fathiyeh Naghibzadeh/Andreas Benl: The peace train. In: Jerusalem Post, http://www.jpost.com/Opinion/Op-EdContributors/ Article.aspx?id=266297, 16.4.2012 (Zugriff: 29.8.2012).