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des Grafen Galen und einiger seiner Amtsbrüder ofhiziell eingestellt werden musste. Seit 1941 müht sich Hauptmann mit einem „Märchen“, das die Euthanasieproblematik verhüllt behandeln soll; in zahlreichen Notizen sammelt er Beispiele von Krüppeln und Behinderten, die geistige Hochleistungen vollbrachten. All das, so kompakt und wuchtig es auch vor uns hintritt, lässt sich leicht konsumieren, weil Bernhard Tempel weitgehend auf Wissenschaftsjargon verzichtet und alle Nachweise und Belegstellen auf der Seite selbst angibt: mörderisch teurer Satz, den Tempel in wahrer Marathonarbeit selbst erstellte. Alle Zitate eingerückt, andere Type, klare Übersicht; man ist versucht, dem Freiherrn von Guttenberg ein Exemplar zu senden mit dem Ersuchen: „So und nicht anders, Herr Baron.“ Hermann Schreiber Bernhard Tempel: Alkohol und Eugenik. Ein Versuch über Gerhart Hauptmanns künstlerisches Selbstverständnis. Dresden: Thelem 2010. 368 S. Euro 39,90 Maria Theresia Litschauer hat sich bereits eingehend mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigt, nun liegt ein Werk zur Architektur vor. Es behandelt ein Spezialthema, die Architektur im Waldviertel, kann aber exemplarisch gelesen werden: Die scheinbar harmlosen Gebaude, die oft heute noch in der urspriinglichen Funktion in Verwendung sind und die man kaum wahrnimmt, sind in der Zeit zwischen 1938 und 1945 gebaut worden — und meist handelt es sich um standardisierte Bauten, die somit auch in anderen Gegenden anzutreffen sein dürften. Litschauer dokumentiert akribisch, nach einzelnen Bauaufgaben geordnet. Die einzelnen Kapitel sind einleitende — unterschiedlich lange — Passagen vorangestellt, die das zeitliche Umfeld und die Bedingungen für den jeweiligen Bautyp erläutern. Es folgen konkrete Gebäude mit ihrer konkreten Entstehungsgeschichte, illustriert mit Planzeichnungen, Grundrissen und zeitgendssischen sowie aktuellen Aufnahmen. Ein Anmerkungsapparat, Index, Kurzbiographien der Architekten, Ortsregister, Literaturverzeichnis sowie ein als loses Blatt beigefiigter Plan komplettieren das akribisch recherchierte Werk. Eine bemerkenswert ausführliche einleitende Passage gibt es zu den Reichsarbeitsdienstbaracken RAD - vielleicht, weil es um die Jugend ging, die nach ‚45 vieles weitergegeben hat? Erstaunlich mutet es aber an, daß innerhalb des Kapitels „Barackenbauten“ diesen RADBauten ein Abschnitt zu Getreidelagerhallen folgt und erst dann kurz Zwangsarbeiterbaracken angesprochen werden — die Reihenfolge irritiert, die verhältnismäßige Knappheit mag dem Umstand geschuldet sein, daß Litschauer sich bereits in einer früheren Arbeit mit den ungarischen jüdischen Zwangsarbeitern auseinandergesetzt hat. (6/44 — 5|45 Ungarisch-Jiidische ZwangsarbeiterInnen. Ein topo|foto|grafisches Projekt. Wien: Schlebriigge.editor 2005). Weshalb die von Litschauer vorgestellte Architektur so leicht „übersehen“ werden kann, liegt zum einen daran, daß es sich bei den betreffenden Objekten größtenteils um Gewerbebauten handelt, die per se gern ausgeblendet werden. Andererseits wurde bei der Errichtung Wert auf ein „ansprechendes“ Äußeres gelegt, so sollen zum Beispiel Fensterläden und Gaupen einen heimelig-heimatlichen Eindruck erwecken. Die Kontinuität entsprechender ästhetischer Vorstellungen, die eine zeitliche Einordnung erschwert, läßt sich besonders gut am Beispiel der Schule in Brand bei Gmünd (S. 340), eines bezeichnenderweise schon 1937 geplanten Baus, ablesen. Litschauer beläßt es nicht bei einer rein bautechnisch-historischen Aufnahme der Gebäude, sie verfolgt (zumindest teilweise) deren Der US-amerikanische Journalist Will Potter veröffentlichte 2010 einen investigativen Report unter dem Titel Green Is the New Red: An Insiders Account of a Social Movement Under Siege (San Francisco: City Lights), in dem er die Diffamierung von TierrechtsaktivistInnen als „ÖkoTerroristInnen“ durch Polizei, Geheimdienst und Justiz dokumentiert und in die repressive Staatspraxis der KommunistInnen-Verfolgungen unter Joseph McCarthy einreiht. Wie die sogenannte „Tierschutzcausa“ im Zeitraum von 2008 bis 2011 drastisch bewiesen hat, konnte mittels einer missbräuchlichen Anwendung des „Mafia-Paragraphen“ $ 278a StGB auch im demokratischen Rechtsstaat Österreich eine massive Kriminalisierung und Repression legalen Tierschutzaktivismus unternommen worden. Als Obmann des Vereins gegen Tierfabriken befand sich Martin Balluch, Physiker, Philosoph und Tierethiker, in der Rolle des Hauptangeklagten. In einem kafkaesk anmutenden Ermittlungsverfahren warf man ihm, trotz Ermangelung einer fundierten Beweislage und eines konkreten Sachverhalts mit Berufung auf $ 278a vor, eine kriminelle Organsiation zu leiten, die sich schwerer Sachbeschädigungen, Brandstiftungen sowie Nötigungen schuldig gemacht habe. Nach der gewaltsamen Durchsuchung seiner Wohnung durch eine polizeiliche Sonderkommission am 21. Mai 2008 verhängte man, angewiesen durch die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, eine dreieinhalbmonatige Untersuchungshaft über ihn. Geschichte bis in die Jetztzeit und geht exemplarisch nicht nur auf Arisierungs-, sondern auch Entnazifizierungsverfahren ein. Anhand der aktuellen Photos sind die Veränderungen, die das jeweilige Gebäude erfahren hat, abzulesen. Hier aber stellen sich bald Fragen: Wie steht es mit dem Umgang der Ortsansässigen bzw. zumindest der Besitzer mit der NS-Zeit? Gerade dieser Aspekt, wie mit der Architektur umgegangen wird, ob sich die Benützer der Gebäude dieser Geschichte überhaupt bewußt sind, bleibt merkwürdig blaß. Litschauer hat in diesem in jedem Fall verdienstvollen Werk somit bemerkenswert detailreich aufgelistet, festgehalten und das Bewußtsein für „harmlose“ Bauten geschärft sowie die Verflechtungen zwischen Politik und Bautätigkeit aufgezeigt, allein der Fragenkomplex, wie mit dieser Architektur heute umgegangen werden soll, bleibt ausgespart. Veronika Pfolz Maria Theresia Litschauer: Architekturen des Nationalsozialismus. Die Bau- und Planungstätigkeit im Kontext ideologisch fundierter Leitbilder und politischen Zielsetzungen am Beispiel der Region Waldviertel 1938 — 1945. Ein konzeptkünstlerisches Forschungsprojekt, Wien Köln Weimar: Böhlau 2012. 430 S. Euro 150,Österreichweit wurden willkürlich neun weitere TierschutzaktivistInnen aus unterschiedlichen Gruppierungen festgenommen, die zusammen der Bildung einer terroristischen Vereinigung bezichtigt wurden. Das Unternehmen, legale NGO-Tatigkeit als kriminelle Einflussnahme auf die Bevölkerung zu verunglimpfen und die AktivistInnen pauschal für sämtliche Straftaten, die in den letzten zwölf Jahren im Zusammenhang mit Tierschutz begangen wurden, zu bestrafen, folgte einer mit großem Aufwand über Monate betriebenen Spitzelund Überwachungstätigkeit, bei der Polizei, Staatsanwaltschaft, Justiz, Innenministerium und Interessensgruppen der Tierindustrie eng kooperierten. Erst am 2. März 2010 begann der Prozess am Landesgericht Wiener Neustadt, der April 2013 63