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nach 14-monatiger Verhandlungsdauer mit dem Freispruch der insgesamt 13 Beschuldigten in allen 29 Anklagepunkten endete. Martin Balluchs Bericht vereint auf 270 Seiten die glasklare Argumentation für hartnäckige, gewaltfreie Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen Tierquälerei und Massentierhaltung mit einer exakten Dokumentation der Tierschutzcausa und deren psycho-sozial und finanziell katastrophalen Folgen für die Betroffenen. Weder enthält er den LeserInnen die eindeutige Schuldzuweisung und Benennung der Verantwortlichen für den Justizskandal vor, noch entbehrt sein Bericht einer differenziert vorgetragenen Kritik an Österreichs Missständen im Justizwesen, den politischen Repressalien sowie den alltäglichen Menschenrechtsverletzungen im Strafvollzugssystem hierzulande. Sein mitunter berührend persönliches Zeugnis über das ihm widerfahrene Unrecht vermag aufzuzeigen, wie BUCHZUGÄNGE wichtig Solidaritätsbekundungen, die Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten und die Offenlegung der extrem unverhältnismäßigen, häufig unrechtmäßigen polizeilichen und juristischen Maßnahmen für die betroffenen TierschützerInnen waren. Balluch zeichnet in seinem Bericht die traurige Tradition politischer Prozesse in der österreichischen Demokratiegeschichte nach und erinnert an die von 1999 bis 2000 laufende, groß angelegte, rassistisch motivierte Polizei- und Justizaktion „Operation Spring“, bei der ca. hundert MigrantInnen afrikanischer Herkunft pauschal des Drogenhandels verdächtigt und großteils zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden; die meisten der Angeklagten waren in der antirassistischen NGO-Arbeit tätig gewesen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die aus der „Tierschutzcausa“ abzuleiten sind, ist die von Terrorismus-Präventions-Gesetzen wie $ 278a ausgehende Gefahr für zivilgesellschaftliches kritisches Engagement, die Bedrohung des Rechtsstaates und Beschneidung bürgerlicher Grundrechte wie des Rechts auf freie Meinungsäußerung und gewaltfreien Protest. Im Nachwort beruft sich Balluch auf die zwei bekanntesten Credos des am 27. Februar 2013 verstorbenen französisch-deutschen Widerstandskämpfers und Intellektuellen St@phane Hessel - „Empört euch!“ und „Engagiert euch!“ -, die es angesichts der Instrumentalisierung von Staatsgewalten sowie der Omnipräsenz neoliberaler wirtschaftlicher Ausbeutung von Menschen und Tieren umso dringlicher in die Tat umzusetzen gilt. Judith Aistleitner Martin Balluch: Tierschützer. Staatsfeind. In den Fängen von Polizei und Justiz. Wien: Promedia 2011. 2705. Euro 15,90 Bernhard Albers: Michael Guttenbrunner oder Die Legende von seinem Widerstandskampf gegen das Hitlerregime. Versuch einer Annäherung. Aachen: Rimbaud 2012. 41 S. Christoph W. Bauer: Die zweite Fremde. Zehn jüdische Lebensbilder. Mit zahlreichen Originalfotografien. Innsbruck: Haymon 2013. 175 S. Euro 19,90 Christoph W. Bauer, der in Innsbruck lebende österreichische Schrifisteller, hat mit „Graubart Boulevard“ 2008 eine eindringliche Spurensuche über die Familie Graubart publiziert. (Zu ihr gehörten der Innsbrucker Kaufmann Richard Graubart, der beim Novemberpogrom 1938 ermordet wurde und dessen Bruder Siegfried Graubart, Kultusvorsteher und aktiver Zionist in Wien, der nach London flüchten konnte). Nun publizierte er als Folgeprojekt zehn beeindruckende Lebensgeschichten von Nachkommen österreichischer Jüdinnen und Juden, die heute in Israel und Großbritannien leben, unter ihnen Peter Gewitsch, Vorsitzender der Gesellschaft Israel-Österreich in Haifa, und der Londoner Komponist Michael Graubart. Achim Benning: In den Spiegel greifen. Texte zum Theater. Hg. von Peter Roessler. Wien: Edition Steinbauer 2012. 365 S. Charmian Brinson, Richard Dove (ed.): German-Speaking Exiles in the Performing Arts in Britain after 1945. Amsterdam, New York: Rodopi 2013. 300 S. (The Yearbook of the Research Centre for German and Austrian Exile Studies. 14). Brigitte Entner, Avgustin Malle (Hg.): Pregon koroskih Slovenec/Die Vertreibung der Kärntner Slowenen. (Sowenisch/Deutsch.) Klagenfurt/ Celovec: Drava 2012. 301 S. Euro 19,50/SFr 27,90 64 — ZWISCHENWELT Neuausgabe des 2002 erschienenen Standardwerkes aus Anlaß des 70. Jahrestages der Deportation zahlreicher slowenischer Familien am 14.April 1942, ergänzt durch ein Verzeichnis der damals zwangsweise Ausgesiedelten und derer, die als Ausgesiedelte verstorben sind. Von der Aussiedlung betroffen waren an die 1.000 Personen. Mit Beiträgen von Karl Stuhlpfarrer („Umsiedlungen und Deportationen während des Zweiten Weltkiegs‘), Valentin Sima („Die Vertreibung slowenischer Familien als Höhepunkt deutschnationaler Politik in Kärnten“), B. Entner („Deportation“), Heidi Wilscher („Die politische Verfolgung der Kärntner Slowenen durch das NS-Regime‘), A. Malle („Erinnerung an Vertreibung und Widerstand‘), Josef Rausch („Der Partisanenkrieg in Kärnten — abseits von Verklärung oder Verteufelung‘). Ernst Federn: Sozialismus, KZ, Psychoanalyse und Sozialarbeit. Wien: Löcker 2012. 179 S. Erica Fischer: Koenigskinder. Roman. Berlin: Rowohlt 2012. 300 S. 19,95 Euro Die heute in Berlin lebende österreichische Feministin, Journalistin und Schriftstellerin Erica Fischer hat mit „Königskinder“ einen sorgfältig recherchierten und besonders gelungenen dokumentarischen Roman geschrieben, in dem sie vier Jahre (1938 bis 1942) aus dem Leben ihrer Eltern Irena und Emmerich Fischer (genannt Irka und Erich) nacherzählt. Erich, der in Wien für „eine Gewerkschaftszeitung“ schrieb, und Irka gelang es, als Butler und Housemaid nach Großbritannien zu flüchten. Irka, „die elegante Tochter eines Warschauer Filzfabrikanten und hoffnungsvolle, umschwärmte Kunststudentin aus Wien“, die eine Ausbildung als Goldschmiedin begonnen hatte, musste sich im Exil als Putzfrau verdingen. Der Hauptteil des Buches, in dem Fischer auch aus Briefen zitiert, beschreibt die Trennung des Paares, die Internierung von Erich 1940 in Huyton und die Geschichte der „Dunera‘, eines ehemaligen Truppentransporters, auf dem 2.542 als „enemy aliens“ Internierte von den Briten nach Australien transportiert wurden, wo sie in New South Wales trotz aller widriger Umstände ein lebendiges intellektuelles Leben entfalten konnten. — Das besonders gut lesbare und in einer poesievollen Sprache geschriebene Buch ist nach „Himmelstrafe“ (2007) das zweite autobiographische Buch der Autorin. — EA. Arthur Koestler: Die Erlebnisse des Genossen Piepvogel in der Emigration. Hg. von Henrik Eberle und Julia Killet. Zürich: Europa Verlag 2012. 240. S. Euro 23,Zvi Harry Lokwornik: Als Siebenjähriger im Holocaust. Nach den Ghettos von Czernowitz und Bérschad in Transnistrien ein neues Leben in Israel. 1934-1948-2012. Hg. von Erhard Roy Wiehn. Konstant: Hartung Gorre 2012. 210 S. Euro 18,Marcus G. Patka, Alfred Stalzer (Hg.): Alle Meschugge. Jüdischer Witz und Humor. Mit 700 Abbildungen. Wien: Jüdisches Museum (2013). 422 S. Peter Pirker: Subversion deutscher Herrschaft. Der britische Kriegsgeheimdienst SOE und Österreich. Mit 40 Abbildungen. Wien/Göttingen: Vienna University Press/V & R unipress 2012. 582 S. (Zeitgeschichte im Kontrast. Bd. 6. Hg. von Oliver Rathkolb). Agnes Pistorius: „kolossal montiert“. Ein Lexikon zu Karl Kraus Die letzten Tage der Menschheit. Wien: Ibera 2011. 583 S. Euro 18,Die Germanistin Agnes Pistorius, die in Wien und Berlin zahlreiche theaterhistorische Ausstellungen gestaltete, hat mit diesem sowohl für Zeithistoriker