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dem Hühner- und dem Kuhstall wie ein Elefant mit gegrätschten Beinen und entfesseltem Rüssel. Ich war noch ziemlich weit entfernt davon, richtig laufen zu können, als mich ein Soldat aufden Arm nahm und mich zum Spaß auf den Lauf der Kanone setzte. Alle lachten durcheinander, wie man mir später erzählte, weil sie sich mit dem winzigen Reiter eine Endlastungsvorstellung bereitet hatten. Wenn wir es jedoch richtig überlegen, waren sie eigentlich eine unvernünftige Gesellschaft am Rande eines verlassenen Dorfes. Dann krachte es plötzlich, als wäre die Sonne geplatzt. Der alte Bauer, mein Pflegevater, der mich hielt, damit ich von der Kanone nicht hinunterfalle, fiel um, seinen Kopf aber hat man später vor dem leeren Schweinestall aufgehoben. Ich weiß ja nicht, welches Ende die anderen ereilte, die alte Bäuerin aber hat man irgendwohin geschleppt, weil sie von oben bis unten rot bespritzt war. Mich selbst hat es in eine Ecke geworfen.“ „Echtes Glück“, sagte der Peric. „Ein Balken hat sich vom Dach gelöst und sich über mir in einer Ecke vor dem Kuhstall verkeilt.“ Dabei beobachtete uns Herr Antoni£ so, als würde er durch uns hindurch schauen. „Das nennt man Glück“, meinte wiederum der Peric in der Absicht, Herrn Antonics Augen zu beruhigen. Ich schwieg. Als der Mann mit der Zither erschien, der dem Peric Gitarrenunterricht gab, wurde ich an ein Bild von Goya erinnert. Ich dachte, der Peric würde ihn erwähnen, doch er schwieg einfach. Offensichtlich wollte er das Gespräch nicht woandershin entgleiten lassen. Aber wahrscheinlich war er genauso überrascht wie ich, dass uns ein solcher Hintergrund von einem Bekannten aufgedeckt wurde, der für gewöhnlich gerne scherzt und sich für die Fußballmeisterschaft interessiert. „Was hat man denn dann mit Ihnen gemacht?“ fragte der Peric. „Die Soldaten haben mich in den Graben mitgenommen“, sagte Herr Antonié, und sein Gesicht war dabei entflammt, als würde er im Trancezustand reden. Ich habe mit ihnen im Schützengraben irgendwo unter dem Gewölbe der Brücke bei Solkan gelebt. So hat man mir wenigstens erzählt. Man hat in den Hang eine Vertiefung gegraben, so dass ich wie in einer Nische schlafen konnte. Ich habe mit den Patronen gespielt, mich mit dem Telefonkabel umwickelt und im Schlamm geplanscht. Nachtsüber hat man mich in ein Soldatenhemd eingewickelt und mich auf Lumpen in der Nische hingelegt. Als es arg krachte und Schrapnellteilchen umher flogen, hat man mir einen Helm übergestülpt. Doch meistens habe ich mich wie ein frisch ausgeschlüpftes Küken gewälzt und bin hochgekrochen, wo die Kugeln zischten. Die ganze Zeit schüttete es regelrecht Kugeln, sagte man mir, und ich huschte hin und her in dem Metallhagel, dass man aus dem Unterstand nach mir schrie...“ „Da muss aber wirklich ein Engel mit seinen Flügeln die Bleikugeln abgefangen haben“, meinte nachdenklich der Peric. „Ich weiß nicht“, sagte fast für sich allein Herr Antonie, während er sich an die Hausfassade drückte, um eine Mutter mit ihrem Kind vorbei zu lassen. Er schaute etwas verdutzt, als würde er befürchten, wir könnten meinen, dass er seine Geschichte schon zu Ende erzählt hätte. Deswegen fuhr er etwas hastig fort. „Die Soldaten hielten mich für so etwas wie ihr Maskottchen, aber es gab auch Tage, wo es ihnen langweilig wurde und sie nicht wussten, was sie mit mir anstellen sollten. Dann waren sie wieder verspielt, haben leere Dosen an den Stacheldrahtsperren festgemacht, die sie alarmieren würden, falls der Feind sich nähern sollte, und spielten zum Zeitvertreib mit mir. So stellte eines Tages jemand fest, dass Kinder Spielzeug haben müssen, also ging er auf 14 ZWISCHENWELT die Suche nach etwas Entsprechendem. Als er zurückkam, legte er mir einen vollen Helm in den Schoß, ich wusste aber nichts damit anzufangen, weil sich die restlichen Soldaten ungemein ärgerten und ihn beschimpften, dass er ein Patzer und Räuber sei. Im Helm befanden sich nämlich lauter Ohren. Einer derjenigen, der sich über den Schänder von Gefallenen aufregte, nahm mir das stählerne Gefäß wieder ab und ging den Graben entlang weg. Er kam lange nicht wieder, als er jedoch endlich zurückkam, war er ohne Kopfbedeckung, sein Helm aber war voller Kirschen. Ich war vor den roten Früchten aber genauso verlegen, weil ich erwartete, dass die Soldaten sich wiederum empören würden. Dem war aber nicht so, sondern sie kamen sogar vom anderen Ende des Grabens und griffen in den Helm. Derjenige mit unbedecktem Kopf aber ärgerte sich, weil er die Kirschen für mich gebracht hatte, und ermunterte mich, zuzugreifen. Ich habe jedoch nur zugeguckt, wie sie die roten Kügelchen in den Mund steckten und die Stängel abrissen.“ Er erzählte das alles sozusagen in einem Atemzug, als müsse er sich von einer lange zurückgehaltenen Spannung befreien. Wir beide unvorbereiteten Zuhörer waren wortlos. Mir fiel der Korb ausgestochener Augen ein, den Malaparte erwähnt, wo er von seinem Besuch in Zagreb zwischen den Kriegen erzählt. Zunächst, schreibt er, hatte er gemeint, es seien Austern in dem Korb. Selbstverständlich habe ich mir gesagt, dass beide Ereignisse grundverschieden sind, denn man kann angeberischen Humor nicht mit blutrünstigem Sadismus vergleichen; doch es war die Rede von Dingen, die Leute in Kriegszeiten verübt hatten; wozu sie in solchen Situationen fähig sind, davon wusste ich selbst auch einiges. Das einstige Kleinkind mit Helm versuchte jetzt als gestandener, unruhiger Mann, die richtige Position auf dem Gehsteig zu finden, an dem die Autos entlang rasten. Es war so, als könnte er nicht zu uns zurückfinden. „Unsere Soldaten“, schluchzte er, „schossen verbissen auf die italienischen Soldaten, die versuchten, die Stacheldrahtsperren mit der Schere zu durchschneiden. Sie überschütteten sie so intensiv mit Kugeln, dass ich mir nicht vorstellen konnte, auf wen sie so böse waren. Ich war noch keine drei Jahre. Als es aber so weit war, dass unsere Soldaten die Gräben verlassen und davonlaufen mussten, blieb ich allein. Es kamen andere Soldaten, die den unseren ganz ähnlich sahen, nur die Tornister waren anders. Und die Gewehre. Und sie sprachen natürlich anders. Als sie mich auf den Lumpen in der Nische entdeckten, murmelten sie: „E incredibile.“ Unglaublich. Dann suchten sie in den Jacken- und Tragetaschen und brachten eine Handvoll Süßigkeiten zusammen. „Prendi, prendi“, nimm, nimm, forderten sie mich wiederholt auf. Und sie waren schr freundlich. Doch bald mussten sie weg, weil die Unseren zurückkamen.“ Wir standen immer noch auf dem Gehsteig, und da die Ampel an der Kreuzung auf rot geschaltet hatte, standen die Autos aufgereiht direkt neben uns. Wir waren vom Gas umgeben, das aus den Auspuffrohren entwich, so dass ich den Eindruck hatte, von irgendwo ziehe der scharfe Geruch nach verbranntem Schießpulver oder Ekrasit zu uns her. „Sie sollten Ihre Erinnerungen aus jener Zeit aufschreiben“, sagte ich ihm. Herr Antoni£ winkte ab. „Das ist nur ein Kapitel“, meinte er, seine Haare an der rechten Schläfe mit der Hand glättend, und warf uns einen solchen Blick zu, als ob er uns etwas vorzuwerfen hätte. Das dauerte aber nur