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Trinker Dem iranischen Schrifisteller und Regimekritiker Saidi Sirjani gewidmet, der kurz nach der Revolution 1979 von der iranischen Regierung ermordet wurde. Auf dem Rock der Nacht töteten sie die Sterne Sie färbten den Boden rot mit der Farbe des Blutes Schau diese Trinker an aus dem Kelch des Fluches haben sie getrunken die Leichen stapelten sie aufeinander Schande Dreißig Jahre sind vergangen lang wie Jahrhunderte, übervoll mit Schande Zugenäht wurden Lippen, die von Liebe sprachen jegliche Melodie erstarb Eine Generation trank stumm aus der Schale Erinnerung Die andere hielt die leere Schale in der Hand Ein Stein traf den Kopf Alexander Emanuely Der Halm An jenem Tag entfaltete sich eine Blume in deiner Hand durch die Wärme deines fröhlichen Atems Wie schade, dein Atem duftete plötzlich nach Herbst! Heute bin ich ein gebrochener Halm in deiner Hand Melodie Die Nacht ist eingehüllt in die Seide deines Gesangs Wieder tanze ich bezaubert, in Harmonie mit deinem Instrument und hoffe, dass keine Saite reißt und deine Liebe nicht Koketterie ist Die letzten vier, knappen Gedichte sind Übersetzungen von sogenannten Vierzeilern, einer seit der klassischen persischen Dichtung traditionellen Versform, die strengen Regeln unterliegt. Vigneux-sur-Seine, eine Industrievorstadt im Nordosten von Paris. Am 10. August 1913 kommt dort das erste von vier Kindern von Charles Delbo und Erménie Morero zur Welt, es ist eine Tochter und sie bekommt den Namen Charlotte. Die Eltern sind MigrantInnen aus Italien, der Vater arbeitet als Facharbeiter. Charlotte maturiert, lernt Englisch und Schreibmaschine schreiben. Sie wird bald Mitglied der Kommunistischen Jugend und besucht mit 19 die Philosophie-Vorlesungen an der ,,Université ouvriére de Paris“ (Arbeiteruni von Paris), der KP-Kaderschule. Dort freundet sie sich an mit Henri Lefebvre, Georges Politzer, Paul Nizan und, in einem Mai, mit Georges Dudach, den sie 1936 heiratet. Georges Dudach, gelernter Schweifer, ist ein in Moskau ausgebildeter Komintern-Mann und einer der Führungsfunktionäre der Kommunistischen Jugend Frankreichs. Er wird mehrere Zeitschriften für die KP mitbegründen, darunter „LAvant-Garde“ und „Les Cahiers de la Jeunesse“ (Hefte der Jugend). Bald wird Charlotte für die Cahiers schreiben und 1937 für diese den berühmten französischen Iheatermacher und Filmstar Louis Jouvet interviewen, welcher Hauptrollen in Filmen von Jean Renoir und Marcel Carné (Hotel du Nord) gespielt hat und gerade dabei ist, in Paris sein eigenes Theaterhaus, das ,, Théatre de l!’Athende“, aufzubauen. Für dieses sucht er nicht nur gute Leute für die Bühne, sondern auch für die Arbeit hinter den Kulissen. So kommt es, dass er die junge Frau gleich nach dem Interview als persönliche Sekretärin engagiert. 18 _ ZWISCHENWELT 1939 bricht der Krieg aus, 1940 ist Frankreich besetzt. An Widerstand ist wegen des Hitler-Stalin-Paktes in der französischen KP noch nicht zu denken, auch wenn er in den Hinterstuben schon vorbereitet wird und kommunistische Flüchtlinge aus Polen, Spanien, Armenien, Deutschland schon die ersten Attentate auf die Besatzer und ihre Kollaborateure verüben, man denke nur an die Gruppe Manouchian. Doch 1940 ist der Widerstand ein konservativer und heißt General de Gaulle. So bricht in diesem Jahr die Theatertruppe von Louis Jouvet, und mit ihr Charlotte Delbo, nach Südamerika auf, man führt Stücke von Jean Giraudoux und Paul Claudel auf. Was als Propagandatournee für Vichy-Frankreich begonnen hat, endet als Frontwechsel der ganzen Truppe auf die Seite von de Gaulles freiem Frankreich. Am 22. Juni 1941 überfallen die Nazitruppen die Sowjetunion und die französischen KommunistInnen dürfen endlich wieder den Faschismus bekämpfen. Charlotte Delbo verlässt Buenos Aires, kehrt nach Frankreich zu ihrem Mann zurück und wird Mitglied der Georges Politzer-Zelle. Dieser Widerstandsgruppe gehören vor allem Intellektuelle an, deren Aufgabe darin besteht, den geistigen Widerstand zu organisieren, bzw. die Resistance mit Informationen zu beliefern. Charlotte Delbo hört Radio London und Radio Moskau und transkribiert die Nachrichten, die dann vervielfältigt werden. Georges Dudach ist der Kontaktperson zwischen der Partei und dem Dichter und hohen Parteifunktionär Louis Aragon, der sich in Nizza und Lyon versteckt hält. Beide arbeiten an der Untergrundzeitschrift „Les Lettres francaises“ mit.