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zwei weitere Bücher über Auschwitz, zusammen wird daraus die „Irilogie. Auschwitz und danach.“ Sie verfasst fünf Theaterstücke, über die Frauen in Auschwitz „Wer wird diese Worte zurückbringen?“, aber auch einen fiktiven Dialog zwischen Herbert Marcuse und Henri Lefebvre. Sie schreibt ebenfalls unzählige Gedichte, wobei sie immer Lyrik und Prosa miteinander verknüpft, ob in ihren Erinnerungen oder in den TIheaterstücken. Aus dem Prolog Charlotte Delbos zum Stück „Qui rapportera ces paroles?“ (Wer wird diese Worte vernehmen?)‘ Nur weil ich von wo zurückgekehrt bin Von wo niemand zurückkehrt Glaubt ihr, dass ich Bescheid weiß Und drängt euch mir Mit euren Fragen auf Euren unformulierbaren Fragen. Und ihr glaubt, dass ich Antworten weiß. Ich weiß nur vom Offensichtlichen Leben Tod Wahrheit Ich kehre von der Wahrheit zurück Denn dort war alles Wahrheit War alles klar, scharf, ohne Schatten und Maß Pure Grausamkeit, purer Schrecken. Die Wahrheit in diesem Schrecken, Wer hält ihrem Blick stand? Von 1960 bis zu ihrer Pensionierung 1978 arbeitet sie für Henri Lefebvre, inzwischen ein berühmter Soziologe und Philosoph, am Pariser CNRS. Am 1.März 1985 stirbt sie an Lungenkrebs. Die Schriftstellerin Catherine Clement hat zum hundertsten Geburtstag von Charlotte Delbo im französischen Radio gesagt: Tamar Radzyner Nachts Gedichte Tamar Radzyners gesammelte Gedichte werden, herausgegeben von Joana Asia Radzyner und Konstantin Kaiser, im Herbst 2013 in der Lyrikreihe „Nadelstiche“ erscheinen. Zum Abschluß des ZwischenweltFestes im Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog trug Andrea Pauli einige von ihnen vor. Tamar Radzyner, geboren 1927 in Lödz, eine Überlebende der nationalsozialistischen Ghettos und Lager, begann nach der Befreiung Polnisch zu schreiben. Joana Asia Radzyner hat in Zusammenarbeit mit Konstantin Kaiser einige ihrer frühen Gedichte aus dem Polnischen übersetzt. Ihr Mann und sie engagierten sich in der kommunistischen Partei — später schrieb sie darüber: „In Polen sind schöne jüdische Namen nicht beliebt. [...] aber ich glaubte sehr stark an alles, was dort gemacht wurde [...] ... ich war in der Partei. Aus Überzeugung. Aber ... ich wurde hinausgeschmissen als ein zersetzendes, revisionistisches wie auch zionistisches Element.“ 20 ZWISCHENWELT Charlotte Delbo gehört ins Pantheon, gleich neben Jean Moulin. Zuerst stand sie Jouvet bei, dann Henri Lefebvre. Wenn wir hier nichts tun, wird sie nicht den ihr gebührenden Platz in der Geschichte einnehmen können, nämlich jenen als Widerstandskämpferin, als Schrifistellerin, und auch als Philosophin. Aktuelles Zum 100. Geburtstag von Charlotte Delbo ist in Frankreich Anfang 2013 eine ausführliche und inzwischen schon preisgekrönte Biographie (Prix Geneviéve Moll de la Biographie 2013 ) von Violaine Gelly und Paul Gradvohl erschienen. Vom 20. November bis 1. Dezember wird am Theater von Armand Gatti in Montreuil „Qui rapportera ces paroles ?“ aufgeführt. Mehr Informationen zu den Veranstaltungen zu und um Charlotte Delbo unter: http://www.charlottedelbo.org/centenaire Anmerkungen 1 Charlotte Delbo: Une scéne jouée dans la mémoire, suivi de Qui rapportera ces paroles?, Aigues-Vives 2001, 12 (eigene Ubersetzung). 2 Charlotte Delbo: Le Convoi du 24 Janvier, Paris 1965, 17 (eigene Ubersetzung). 3 Charlotte Delbo: Trilogie Auschwitz und danach: Keine von uns wird zurückkehren. / Eine nutzlose Bekanntschaft. / Maß unserer Tage. Aus dem Französischen von Eva Groepler und Elisabeth Thielicke, Frankfurt/M. 1990, 21. 4 Charlotte Delbo: Une scene jouee dans la m&moire, wie Anm. 1, 12 (eigene Übersetzung). 5 Radiosendung vom 1.2.2013 auf France Culture: Charlotte Delbo, resistante et femme de lettres: qui rapportera ses paroles? (http://www.franceculture. fr/emission-la-grande-table- 1 ere-partie-charlotte-delbo-resistante-et-femmede-lettres-qui-rapportera-s) Angesichts des neu aufflammenden Antisemitismus in Polen übersiedelte Tamar Radzyner mit ihrer Familie 1959 nach Wien und hier begann sie, in deutscher Sprache zu schreiben. Veröffentlicht wurden einige Gedichte der 1991 Verstorbenen 1999 in dem Band „Meine wahre Heimat/My True Homeland“ zusammen mit Gedichten Stella Rotenbergs und Englisch-Ubersetzungen Herbert Kuhners (Edition Mnemosyne, Klagenfurt). In der Folge erschien Konstantin Kaisers „Erster Versuch über Tamar Radzyner“ in ZW Nr. 2/2003, und auch in die große Anthologie „In welcher Sprache träumen Sie?“ (2007) sind etliche ihrer Gedichte aufgenommen. Dennoch zählt es immer noch zu den großen Versäumnissen österreichischer Nachkriegskultur, daß einem so bedeutenden byrischen Werk bisher kein eigener Band gewidmet wurde.