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Lazarsfeld und Jahoda oder dem Wiener Kreis wird wenig bis keine Aufmerksamkeit geschenkt. Es wäre aufzudecken, dass der Skandal der personellen Kontinuität nach dem Nationalsozialismus in der Zementierung der Vertreibung vor allem jüdischer Intellektueller aus Österreich und der nicht vollzogenen Einladungen zur Rückkehr nach 1945 liegt. Es wäre sodann auch darüber zu sprechen, wie mit Personen umgegangen wurde, die eine Rückkehr anstrebten aber abgewiesen wurden, wie etwa der Bildhauer BUCHZUGÄNGE Albert Bechtold an der Akademie der bildenden Künste, einer Universität, die nicht an diesem Projekt teilgenommen hart. Die Bandbreite der Forschungsarbeiten reicht von der Analyse der Disziplinarakten Studierender an der Universität Wien in den Jahren 1933/34 bis hin zu abgeschlossenen Besprechungen der Lehrkörper oder Vorlesungsverzeichnisse einzelner Hochschulen in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Beiträge skizzieren eine mögliche Gesamtbetrachtung österreichischer Universitäts- und Forschungsgeschichte an den historischen Bruchlinien 1933/1934, 1938 und 1945. Ein ermutigendes und ambitioniertes Projekt, das unbedingt fortgesetzt werden sollte. Thomas Wallerberger Österreichische HochschülerInnenschaft (Hg.): Österreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert. Austrofaschismus, Nationalsozialismus und die Folgen. Wien: Facultas 2013. 467 S. Euro 24,90 Josef Brainin: Der Staubleser. Roman. Wien: Braumüller 2013. 295 S. Günter Giesenfeld: Land der Reisfelder. Vietnam, Laos und Kambodscha. Geschichte und Gegenwart. Hamburg: Argument Verlag 2013. 447 S. Euro 19,Das Buch ermöglicht, das eigene Engagement in der Zeit des Vietnam-Krieges in den Zusammenhang der historischen Tatsachen in den Ländern Indochinas zu stellen, wurden doch die ‚Tatsachen‘ seinerzeit vielfach nur aus Propagandaschriften zusammengetragen. Immer noch bleiben die von den Roten Khmer unter Pol Pot verübten Verbrechen unfassbar, wie auch die Machtspiele Chinas und anderer Staaten der Region, die diese Verbrechen begiinstigten. — K.K. Christoph Lind: Kleine jiidische Kolonien. Juden in Niederösterreich 1782-1914. Wien: Mandelbaum 2013. 307 S. Euro 24,90 (Geschichte der Juden in Niederösterreich von den Anfängen bis 1945. Band 3/1. Hg. vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs). Kritik sans phrase Klaus Köhler: „Ein so schrecklich zerrissenes Leben ...“ Leben und Schicksal der Juden im Bezirk Korneuburg 1848-1946. Wien: Mandelbaum 2013. 365 S. Euro 24,90 Andrei Oisteanu: Konstruktionen des Judenbildes. Rumänische und osteuropäische Stereotypen des Antisemitismus. Aus dem Rumänischen von Larisa Schippel. Berlin: Frank & Timme 2010. 679 S. Euro 49,80 (Forum: Rumänien. Hg. von Ihede Kahl, Larisa Schippel. Bd. 6). Victory over Nazism. The Journey of a Holocaust Survivor. Writings by and about Bronia Sonnenschein. 3rd Edition. Edited by Dan Sonnenschein. Vancouver Memory Press 2013. 305 S. USD 26,Bronia Sonnenschein, geborene Schwebel, erlebte in Wien eine glückliche Kindheit. Sie überlebte das Ghetto von Lédé, wo sie als eine der Sekretärinnen des Judenältesten Chaim Rumkowski arbeitete, die Konzentrationslager Auschwitz und Stutthof, die Zwangsarbeit in Dresden und einen Todesmarsch. Nach ihrer Heirat mit D. Kurt Sonnenschein in Prag baute sie sich in Vancouver ein neues glückliches Leben auf. Von 1987 bis 2008 hielt sie zahlreiche Vorträge. Das vorliegende, von ihrem Sohn zusammengestellte Buch enthält neben rund 100 eindrucksvollen Photographien Bronia Sonnenscheins eigene kurze Erinnerungen, Korrespondenzen und Zeugnisse; ein überaus gelungenes Denkmal für die 2011 Verstorbene. — E.A. Zeitschriften Mitteilungen der Alfred Kahr Gesellschaft (Wien) 20. Jg. (2013), Nr. 1 (März) Mit einem kritischen Aufsatz von Gerhard Oberkofler zur Geschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und einer faktenreichen Darstellung Manfred Mugrauers zum Verbot der Kommunistischen Partei Osterreichs am 26. Mai 1933, welchem dann immer weitere Verbote folgten, bis hin zum Verbot der größten politischen Partei des Landes, der Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei, am 15. Februar 1934. In seiner Art ist es so unzeitgemäß, wie in den frühen 1980er Jahren eine Zeitschrift für Theodor Kramer zu gründen: Damit ist weniger gemeint, dass die neue, halbjährlich erscheinende Zeitschrift sans phrase ebenfalls eine wirkliche Zeitschrift ist — eine, die sich nicht aus dem Internet herunterladen lässt —, vielmehr, dass es sich um eine „Zeitschrift für Ideologiekritik“ handelt. Mit dem zeitgemäßen Wissenschaftsbetrieb und dem deutschen Feuilleton, die Judith Buder und Peter Sloterdijk huldigen, möchte sie umso weniger zu tun haben, als sie nach wir vor den so gründlich vergessenen Anspruch Theodor W. Adornos explizieren will: dialektisch und undialektisch zugleich zu denken. Die möglichen Themenfelder reichen dabei von Philosophie und Kritik der politischen Ökonomie über Kunst, Literatur, Musik und Film bis zu aktuellen politischen Fragen der Krise. Was aber das für Adorno notwendig Undialektische „nach Auschwitz“ betrifft, so lässt es sich 48 _ ZWISCHENWELT mit Jean Amery und nicht zuletzt auch durch Debatten, die (trotz Poststrukturalismus!) in Frankreich stets noch am prägnantesten geführt werden, immer wieder zuspitzen: Parteinahme für Israel, Engagement gegen den Antisemitismus. Inzwischen sind zwei Nummern von sans ‚phrase erschienen — ohne Editorial, was durch diese kleine Präsentation der Zeitschrift durch einen der Herausgeber keineswegs nachgeholt werden soll. Denn das Inhaltsverzeichnis des neuen Hefts erfüllt hier noch am besten auch diese Aufgabe: Essays Gerhard Scheit: „... ihr habt den Tod gehasst“. Claude Lanzmann und die Kritik der politischen Gewalt — mit einem Exkurs über Jean-Luc Godard; Alex Gruber: „Palästina strebt nach Unabhängigkeit wie das Kino... “Jean-Luc Godards Engagement gegen die Filmindustrie; Christoph Hesse: Lanzmann ici et Godard ailleurs; Tobias Ebbrecht: Standhalten im Bilde? Die „Kunst der Kunstlosigkeit“ und der filmische Umgang mit den Bildern des Grauens; Irene Lehmann: Formen der Unverständlichkeit. Luigi Nono und das engagierte Kunstwerk, Oshrat Cohen Silberbusch: Wir Eichmannsöhne? Günther Anders und die Shoah; Andreas Stafflinger: Günther Anders materialistische und idealistische „Technikkritik“; Joel Naber: Verleugnung des Namens. Die „Affäre BadiouWinter“ in „Les Temps Modernes‘; Eric Marty: Alain Badiou und Israel, Esther Marian: Redemptorische Gewalt. Jean Amerys Interventionen für Israel, Renate Göllner: Wer wählt die Neurose? Wiederkehr der Psychoanalyse in der Existenzphilosophie Jean-Paul Sartres, Manfred Dahlmann: Die Liebe zum Recht als Liebe zum Souverän. Ein ‚Lob‘ auf den Positivismus, Christian Thalmaier: Vor dem Gesetz. Über einige Motive bei Kafka, Adorno und Freud