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der Hand zu geben. Denn „die geballte Faust schreckt nicht, weil sie unbewehrt ist.“ Diese letzten Optionen bestünden nur mehr für eine kurze Frist in einer gemeinsamen Bündelung der Widerstandspotentiale der Arbeiterschaft bei gleichzeitiger Hintanstellung der die Weimarer Jahre hindurch prägenden wie zermürbenden ideologisch-taktischen Meinungs- und Strategiedifferenzen zwischen SDP und KPD: „Die Widerstandskraft der deutschen Arbeiterschaft, ihre Immunität gegen alle Lockungen des Nationalsozialismus ist mehr als bewundernswert — beinahe unfaßbar, wenn man die ständigen Fehler und Irrtümer der Oberführung beider Arbeiterparteien berücksichtigt ...“ Daher: „Was jetzt not tut, ist: ein gemeinsames Sofortprogramm, ein gemeinsamer Aktionsplan für die nächsten Wochen und Monate |...) Nur aus der lebendigen Aktion kann die Einheitsfront geboren werden.“! Der Wiener Vortrag Lanias vor rund 500 Zuhörerinnen und Zuhörer im Offenbach-Saal am Naschmarkt (Treitlstraße, im Gewerkschaftshaus der Kellner) verband nun die grundsätzlichen Aspekte des Tagebuch-Artikels mit Fallbeispielen des „entfesselten Wahnsinn, der jetzt durch Deutschland rast“.” Darunter führte er u.a. die Brandstiftung des Reichtagsgebäudes an, die Verfolgung des Geistes am Beispiel von Carl v. Ossietzky, aber auch die „ein leuchtendes Beispiel“ gebende Haltung von Heinrich und Thomas Mann. Der Vortrag wurde, wie nahezu alle Wiener Zeitungen berichteten, von einer Gruppe von rund 50 „Nazibuben“ gestört, die, nachdem sie aus dem Saal entfernt werden konnten, mit Verstärkung neuerlich anrückten, aber vom Ordnerdienst zurückgehalten werden konnten, sodass der Vortrag schließlich doch „mit stürmischem Beifall“ zu Ende kommen konnte. Aufschlussreich die Reaktionen: während die Arbeiter-Zeitung, Der Abend und Das Kleine Blatt quasi unisono diesen Abend als eine aufrüttelnde Geste gegen die aufzichende „Nacht der Barbarei“ (Abend), als Versagen der „Geistigen“ (Kleines Blatt) in großer, teilweise ganzseitiger Aufmachung brachten, und selbst das Volksblatt wotz skeptisch-distanzierter Haltung zu Lania den Verlauf einigermaßen korrekt berichtete, genügten sich große bürgerliche Blätter wie die Neue Freie Presse in Minimalmitteilungen oder Andrei Oisteanu Mihail Sebastians inneres Exil Worte bei der Veranstaltung „Die Internationalität des Exils“ im Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog, Wien, 20. Juni 2013 Die Biografie des Schriftstellers Mihail Sebastian (1907 Bräila — 1945 Bucuresti) ist beispielhaft und voller Bedeutung. Er wurde 1907 in einer Stadt im Osten Rumäniens, einem Donauhafen, in einer jüdischen Kleinbürgerfamilie geboren. Sein richtiger Name war losef Hechter. Selbst wenn Bräila eine multiethnische und multikulturelle Stadt war (außer Rumänen lebten dort zahlreiche Griechen, Türken und Armenier), wird sich Mihail Sebastian dennoch immer an die antisemitischen Stereotypen bezüglich der Juden erinnern. Nach seinem Schulabschluss in Bräila (1926) zieht Mihail Sebastian nach Bukarest, studiert 1926-1929 Jura und wird Anwalt. 8 _ ZWISCHENWELT formierte sich in anderen Blättern bereits eine kryptonazistische Unterstützungshaltung, allen voran im Neuen Wiener Journal, in dem Lania als „berüchtigter Kommunist“ mit „fragwürdiger Tendenz“ seit seinen ersten (Hitler-Ludendorff-) Prozessreportagen denunziert wurde. Dieses Blatt schloss mit der als Hoffnung umschriebenen Aussicht, dass Lania aufgrund seiner politischen Tätigkeit aus Österreich ausgewiesen werden könne.’ Wie wirkungsmächtig offenbar Lanias Auftreten, zuerst im 72gebuch, dann in Wien, gewesen sein muss, geht letztlich aus einem Artikel hervor, der bald danach, am 17.3.1933, im Völkischen Beobachter (Beiblatt) zum Abdruck kam und zwar unter einem in mehrfacher Hinsicht programmatischen Titel: Der jüdische Krieg beginnt. Anstoß für diese als Verteidigung formulierte, das üble Nietzsche-Zitat von der ‚Ghetto-Seele der Welt‘ aufgreifende Kriegserklärung an die Jüdisch-Deutsche Kultur — explizit werden noch Einstein, Feuchtwanger, Kerr und Tucholsky mit genannt — war jener Absatz aus dem Tagebuch-Artikel Lanias, der — wie es sich zu Recht herausstellte — die „Schändung und Vergewaltigung des Geistes“ als „Vorspiel für die Vernichtung der materiellen und physischen Existenz der bürgerlichen Intellektuellen“ anprangerte und als Fazit formulierte: „Mit Riesenschritten marschiert Deutschland ins kulturelle Zuchthaus.“* Brief aus der Schutzhaft, datiert mit 19.3. 1933, ist eines der ersten Gedichte, das Kramer nach dieser krankheitshalber nicht zustande gekommenen Begegnung schreibt - eines der frühesten lyrischen Zeugnisse vom ‚Zuchthaus Deutschland‘. Anmerkungen 1 Leo Lania: Wie lange? In: Das Tagebuch H.8/1933, S. 293-300, hier S. 297£. 2 Arbeiter-Zeitung, 4.3. 1933, S. 7: Wie lange Hitler? 3 Vgl. z.B.: Der Verrat des deutschen Geistes. In: Der Abend, 4.3.1933, S.5, Wie lange noch Hitler? In: Das Kleine Blatt, 4.3.1933, 0.S. oder: Skandalszenen bei einem Kommunistenvortrag. In: Neues Wiener Journal, 4.3.1933. 0.S. (sämtliche zit. nach Lanias Zeitungsausschnittsammlung, die sich in seinem Nachlass an der Wisconsin Historical Society in Madison/WS befindet: http: //digicoll.library.wisc.edu/cgi/f/findaid/findaid-idx?c=wiarchives;vie wstreslist;subview=standard;didno=uw-whs-us0027af, Stand 25.11.2013) 4 Wie Anm.1, S. 299. Danach macht er sein Doktorat in Paris (1930-1931). Er wird Mitarbeiter und Redakteur einer sehr bedeutenden Tageszeitung in Bukarest, Cuvdntul (1927-1934), die vom Universitatsprofessor fiir Philosophie Nae Ionescu geleitet wird. Er befreundet sich mit jungen rumänischen Intellektuellen, die in den 30er-Jahren die rumänische Kulturszene entscheidend prägen: Emil Cioran, Eugen Ionescu, Constantin Noica und vor allem Mircea Eliade. Iosef Hechter vergisst fast seine jüdische Identität. Er ist bestrebt, sich in die rumänische intelektuelle Gemeinde zu integrieren, wenn nicht sogar sich ihr zu assimilieren. Er ändert seinen Namen in einen rumänischen. Der Jude Iosef Hechter aus Braila wird in Bukarest zu Mihail Sebastian. Unter diesem Pseudonym veröffentlicht er zuerst Romane, spater auch Theaterstiicke. Ende der 20er- und Anfang der 30er-Jahre ist Mihail Sebastian gliicklich. Es scheint, er lebe in einer quasi paradiesisch