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1938 Dekret zum Verbot der politischen Betätigung von Ausländern, Gründung von Außenstellen ausländischer Parteien und Verbreitung von deren Ideen in Brasilien. Dieses Gesetz erschwert bis verunmöglicht jegliche breiter organisierte politische Tätigkeit der in Brasilien lebenden ExilantInnen. Im Mai scheitert ein Putschversuch der AIB (Agäo Integralista Brasileira). Die faschistische AIB wurde 1932 als Zusammenschluss kleiner faschistischer Gruppierungen gegründet und unterstützte zunächst die Regierung Vargas. Im August wird ein Gesetzesdekret beschlossen, das Lohnarbeit für Immigranten nur mehr aufgrund einer permantenten Aufenthaltsbewilligung, der „carteira Modelo 19“, ermöglicht. Bei Nichteinhaltung drohen ein Jahr Haft oder die Ausweisung. Der Leiter des Conselho de Imigragäo e Colonizagäo (CIC), Teil des Außenministeriums, schreibt dem „semitischen Problem“ in seiner ersten offiziellen Stellungnahme entscheidende Bedeutung für die Einwanderungspolitik zu. 1941 Mai: Ankunft der Gruppe Goergen, unter ihnen Ulrich und Dana Becher, Johannes Hoffer und Walter Kreiser. Die Flucht führte unter der Leitung Hermann Goergens von Genf iiber Frankreich, Spanien und Portugal nach Brasilien. Im August tritt ein Gesetz in Kraft, das nicht-portugiesischsprachige Zeitungen verbietet — ein weiteres Hindernis nicht nur fiir Exilpublikationen, sondern auch fiir die jiddischsprachige Presse Brasiliens, die von nun an auf Portugiesisch publiziert. 1942 unter US-amerikanischem Druck die diplomatischen Beziehungen zu Nazideutschland und seinen Verbündeten ab. Am 22. August folgt die Kriegserklärung Brasiliens an Deutschland und Italien. Panamerikanische Konferenz in Rio, Brasilien bricht 1943 Jüdische Flüchtlinge errichten in Rio de Janeiro ein Stefan-Zweig-Denkmal. Willy Keller gründet die „Notgemeinschaft deutscher Antifaschisten“ und die „Notbücherei deutscher Antifaschisten“, wo das einzige deutschsprachige, während des Exils in Brasilien veröffentlichte, belletristische Werk, Ulrich Bechers Moritat „Das Märchen vom Räuber, der Schutzmann wurde“, im selben Jahr erscheint. Gründung des Comite de Proteräo dos Interesses Austriacos no Brasil, das von der brasilianischen Regierung als österreichische Interessensvertretung anerkannt wird und nicht unter das Gesetz zum Verbot politischer Auslandsvereinigungen fällt. 1944 Entsendung eines Expeditionskorps von über 20.000 Mann nach Europa. In der Schlacht von Monte Castello kämpfen brasilianische Infanteriereinheiten an der Seite der 10° Mountain Division, in der der österreichische Skipionier und Nazigegner Hannes Schneider, seit 1939 in den USA im Exil, als Skilehrer tätig war. 1945 Beschluss zur Abhaltung der Wahl des Präsidenten und einer Konstituierenden Nationalversammlung. Entstehung der Parteien PSD (Sozialdemokratische Partei), der sich aus dem Staatsapparat mit Unterstützung der Beamten (einer von ihnen Filinto Müller) und Vargas selbst sowie der von ihm eingesetzten Gouverneure der Bundesstaaten formiert, PTB (Brasilianische Arbeiterpartei), ebenfalls mit Vargas’ Unterstützung, ausgehend von den dem Arbeitsministerium unterstellten Gewerkschaften, und UDN 40 ZWISCHENWELT (Nationaldemokratische Union), als konservative Opposition zu Vargas und seinem Estado Novo. Am 29. Okober wird Vargas von der Armee gestürzt. Der Sozialdemokrat Dutra gewinnt wenige Wochen später die Wahl und wird Präsident. Vargas hatte zuvor öffentlich seine Unterstützung für Durra erklärt. 1946 Inkrafttreten der neuen Verfassung. Brasilien wird definiert als föderative Republik mit einem präsidialen Regierungssystem. Beginn der Zweiten Republik. Entstehung des „Freien Europäischen Künstlertheaters“ in Rio de Janeiro, des ersten deutschsprachigen Exiltheaters Brasiliens. Als erstes Stück wird Anton Wildgans‘ „Armut“ aufgeführt. 1949 kommt es bei dem von Willy Keller inszenierten Sartre-Stück „Hinter verschlossenen Türen“ („Huis clos“) zu einem handfesten Skandal, als ein Teil des Publikums zu randalieren beginnt. 1947 Die Kommunistische Partei Brasiliens (PCB) wird, zwei Jahre nach ihrer Legalisierung im Zuge der Wahlen, wieder verboten. 1948 werden auch die Mandate ihrer Abgeordneten aufgehoben. 1951 _Vargas gewinnt die Präsidentschaftswahlen und kehrt als Präsident der Republik auf die politische Bühne zurück. 1953 _ Generalstreik in Säo Paulo. 300.000 ArbeiterInnen demonstrieren für eine Lohnerhöhung um 60 % und gegen die repressive Streikgesetzgebung. In Rio de Janeiro, Santos und Belém streiken 100.000 Matrosen u.a. für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. 1954 _Getülio Vargas begeht am 24. August Selbstmord, nachdem klar wird, dass die Armee ihn absetzen würde. Am Vortag hatten 27 Generäle einen Aufrufan die Nation mit der Forderung des Rücktritts des Präsidenten gerichtet. Vizepräsident Cafe Filho übernimmt die Amtsgeschäfte. 1955 Juscelino Kubitschek, als Kandidat einer Allianz aus PSD und PTB, gewinnt die Präsidentschaftswahlen mit knapper Mehrheit und wird Präsident Brasiliens. Kubitschek stammt aus dem Bundesstaat Minas Gerais, wo er 1950 zum Gouverneur gewählt wurde. Sein Vater war Handelsreisender, seine Mutter Lehrerin. Ihre Vorfahren dürften tschechische Roma gewesen sein. Er forcierte den Ausbau von Infrastruktur und Automobilindustrie. Sein größtes und bekanntestes Projekt ist die Veranlassung zum Bau der neuen Hauptstadt Brasilia, geplant und entwickelt von Lucio Costa, Oscar Niemeyer und Roberto Burle Marx. 1957 Willy Keller griindet das Deutsch-Brasilianische Kulturinstitut (das spätere Goethe-Institut) in Rio de Janeiro. 1960 Die neue Hauptstadt Brasilia, ein Produkt der brasilianischen Moderne, wird am 21. April feierlich eingeweiht. 1964 _ Staatsstreich des Militärs. Präsident Joäo Goulart wird abgesetzt. Beginn der Militärdiktatur. Ein Zwei-Parteien-System wird installiert: die Regierungspartei ARENA (Alianca Renovadora Nacional), vorwiegend gebildet aus Abgeordneten der früheren UDN und dem rechten Flügel des PSD, in Opposition zum MDB (Movimento Democrätico Brasileiro), dessen Mitglieder zuvor zu