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ungemiitliche Frage auf: Wohin? Er hatte mit Lotte nach England zurückfahren können, das gerade von der deutschen Luftwaffe bombardiert wurde und wo das Risiko einer Invasion wuchs. Sie hätten in den USA bleiben können, aber dieser Gedanke gefiel Lotte nicht. Blieb die Alternative, nach Brasilien zurückzugehen und den Applaus für das Buch entgegenzunehmen, das gerade erschienen war. Geblendet von seinen vorherigen Erfolgen und vor allem von der brasilianischen Freundlichkeit hätte Zweig nie geglaubt, dass das Buch nicht gut ankommen würde. Als er im Hafen von Rio ausstieg, lag das Buch bereits seit drei Wochen vor. Das Publikum reagierte positiv, aber in der Presse waren teils Angriffe auf das Buch erschienen. Die wichtigste Tageszeitung Rios hatte eine Woche lang täglich Leitartikel des Chefredakteurs gebracht, in denen Zweig attackiert wurde, als wäre er ein öffentlicher Feind. Die Argumente waren bösartig, kleinlich, voll von Vorurteilen und Anspielungen, es handle sich um ein Auftragswerk für das Vargas-Regime. Brasilien lebte in einer Diktatur mit Pressezensur, die Journalisten wagten es nicht, die Regierung zu kritisieren, es war bequemer, einen ausländischen Autor zu kritisieren, der angeblich „gekauft“ worden war, gut über das Land zu sprechen. Die Wahl des Refugiums in Petröpolis hat nichts mit dieser negativen Reaktion zu tun. Zweig wollte einfach der Rio-Hitze entfliehen. Er tat so, als würde ihn die Kritik nicht anfechten. Aber aus seinen Briefen liest man, dass er gekränkt war. Trotzdem nährte sich die Depression, die ihn in den Selbstmord führte, nicht aus der Enttäuschung über die schlechte Kritik. Seine Zuneigung zu Brasilien blieb unerschüttert. Von den 21 Zeilen seines berühmten Abschiedsbriefes spricht der erste zehnzeilige Absatz mit warmherzigem Dank vom Land Brasilien. Seine Erben, Manfred und Hannah Altmann, haben noch versucht, davon Marlen Eckl “Es erscheint mir wie ein Wunder.“ etwas zurückzugeben. Ein wenig bekanntes Nachspiel: Genau ein Jahr nach dem Tod, im März 1943, schrieben Lottes Bruder und Schwägerin einen Brief an die brasilianische Botschaft in London mit dem Wunsch, ein Museum einzurichten und dem brasilianischen Volk den gesamten persönlichen Nachlass des Schriftstellers zu übergeben: unveröffentlichte Werke, Briefkonvolute, Fotos, Zeichnungen usw.. Die Botschaft leitete das Schreiben umgehend an das brasilianische Außenministerium weiter, welches wiederum das Justizministerium und das Innenministerium informierte. Aber Brasilien führte Krieg, es gab wichtigere Dinge zu tun. Die Zeitungen erwähnten das Angebot ohne viel Aufhebens; der Journalist Raul Azevedo, der Zweig perönlich kennengelernt hatte, schlug vor, das neue Museum „Casa Stefan Zweig“ zu benennen. Aber die Sache kam nicht voran und wurde ad acta gelegt. Manfred und Hannah Altmann, die Erben, starben kurz nach Kriegsende bei einem Autounfall. Heute sind Regierung wie Opposition stolz auf das Konzept des „Landes der Zukunft“. Zweig gilt als Prophet und Vorläufer. Die Casa Stefan Zweig in Petröpolis ist eine Gedenkstätte des Exils, Herberge einer Geschichte, die im Oktober 1931 in Salzburg begann, als Stefan Zweigs Unrast begann und er in seinem Tagebuch zum ersten Mal die Frage stellte: Wohin? Aus dem Brasilianischen übersetzt von Kristina Michahelles. Alberto Dines, geb. 1932 in Rio de Janeiro, Journalist und Schriftsteller, ist Präsident der Gesellschaft Casa Stefan Zweig und u.a. Verfasser der Zweig-Biografie „Tod im Paradies“. Nachdem in einer einzigen unglückseligen Stunde mein ganzes vorheriges Leben, die geistigen und materiellen Grundlagen meiner Existenz zerstört wurden, habe ich zwei bittere Jahre des Exils in Europa und ein Jahr extremer Armut und Verzweiflung in Brasilien durchlebt. Jeizt finde ich mich in den „großen Salons“ wieder. Es erscheint mir wie ein Wunder. Otto Maria CarpeauxX Werdegang im brasilianischen Exil ist in der Tat außergewöhnlich. Der bekennende Österreicher und Apologet des Austrofaschismus wurde dort nicht nur zu einem überzeugten Brasilianer und dezidierten Gegner der Militärdiktatur. Darüber hinaus ließ ihn sein kulturpublizistisches Schaffen zu einem der wichtigsten brasilianischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts werden. Dabei war diese Entwicklung anfangs gar nicht zu erwarten gewesen. Wenige Monate nach seiner Ankunft in Brasilien schrieb er 1939/1940 dem sich im österreichisch-legitimistischen Widerstand engagierenden Martin Fuchs nach Paris: Ich habe nicht die Absicht, hier bis zum Kriegsende zu bleiben. Eine Verkettung unglücklicher Umstände hat mich, leider, in dieses Land geführt, wo ich nicht weiß, was ich tun soll. [...] Aber hier ‚gibt es viele Österreicher und eine nützliche Tätigkeit wäre vielleicht möglich. Sobald wie möglich würde ich nach Europa zurückkehren; ich möchte nicht der Letzte sein, wenn es um mein Vaterland geht, dem mein ganzes Leben gewidmet war.” Er haderte mit dem Schicksal, das ihn fast 40-jährig in dieses tropische Land verschlagen hatte. Als Otto Karpfen 1900 in eine jüdische Anwaltsfamilie hineingeboren, hatte er den Zusammenbruch der k.u.k. Monarchie und die von Krisen gezeichneten Jahre der österreichischen Ersten Republik miterlebt. Nach dem Studium der Chemie, Physik, Soziologie, Philosophie, Politik und Literatur, das ihn nach Leipzig, Paris, Neapel und Berlin geführt und das er 1925 mit dem Doktor in Chemie an der Universität Wien abgeschlossen hatte, begann er publizistisch tätig zu werden. Unter anderem schrieb er für die Wiener Neue Freie Presse und die Wiener Berichte zur Kultur- und Zeitgeschichte sowie die Berliner Neue Rundschau. 1930 heiratete er die aus Polen stammende Helene Silberherz. Dezember 2013 47