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Stil, und Otto Basil hatte dazu Übersetzungen von Arthur Rimbauds Alluminations geliefert. Die Rimbaud-Übersetzungen sollten schließlich mit einem Pointner-Druck im November 1945, im zweiten Nachkriegsheft vom „Plan“, in einer Auflage von 2.000 Exemplaren, nochmals erscheinen. Es wurde aber nicht nur hinter dem Rücken der Nazi-Zensur „entartete“ Lyrik und Kunst publiziert und nicht allein in kleinen Runden regelmäßig diskutiert. Der Kreis der „Plan“-Leute wagte noch ganz andere, lebensgefährlichere Aktivitäten. Zum Beispiel wurde der Maler und Herbert Boeckl-Schüler Stefan Pichler, welcher 1944 als Wehrmachtssoldat bei einem „Heimaturlaub“ desertiert war und deshalb untertauchen musste, versteckt. Er soll auch bei der Grazerin Susanne Wenger, einer Studienkollegin aus der Boeckl-Klasse an der Akademie, Unterschlupf gefunden haben’. Stefan Pichler wurde 1945 verhaftet und hingerichtet!”. Der steirische Bildhauer Heinz Leinfellner, ein Grazer Freund und gleichfalls ein ehemaliger Studienkollege Susanne Wengers, organisierte in seinem Prater-Atelier in der Böcklinstraße nicht nur subversive Treffen mit den Leuten vom „Plan“ und weiteren KünstlerInnen, sondern versteckte dort auch die Künstlerin Maria Biljan-Bilger, eine enge Freundin Susanne Wengers, und den jungen, untergetauchten italienischen Zwangsarbeiter und späteren Bildhauer Wander Bertoni. Zu den Grazer FreundInnen und MitstreiterInnen von Maria Biljan-Bilger hatte auch der von den Nazis als Widerstandskämpfer hingerichtete und schon erwähnte „Plan“-Mitherausgeber Herbert Eichholzer gehört. Ein Grieche in Wien Der erste Beitrag nach 1945, der in Wien von jemandem aus Wien über Surrealismus geschrieben wurde, stammte von einem 30-jährigen Psychoanalytiker namens Iheon Spanudis und erschien im März 1946 in Heft N°5 von „Plan“ unter dem Titel: „Was ist Surrealismus, der Versuch einer Deutung“. Nach einer nicht uninteressanten Ausführung, in der der Autor — in Anlehnung an André Bretons Manifeste und Max Ernsts „Was ist Surrealismus?“ aus dem Jahr 1934 — davon schreibt, dass „der Surrealist mit seinem ganzen Gefühl, mit der ganzen Reichhaltigkeit menschlicher Emotionen und unbewußter Überlegungen“, als „wahrer Künstler“, mit der „Bescheidenheit und Knappheit seiner Mittel“ und dank einer „absoluten Infantilität“ arbeite, kommt er zum Resümee: Surrealismus ist der Höhepunkt einer Entwicklung, die nach vielem Suchen und Irregehen endlich ein Maximum an künstlerischer Realisierbarkeit erreicht hat. Hier könnte etwa eine psychologischsoziologische Untersuchung einsetzen, welche die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturveränderungen, die eine solche Entwicklung herbeiführten, festgestellt hätte.‘ Im darauffolgenden „Plan“-Heft findet man zum Autor eine Kurzbiographie: Theon Spanudis, 1915 in Smyrna geboren, lebt seit 1933 in Wien, wo er Medizin studierte und sich bei August Aichhorn als Psychoanabitiker ausbilden ließ. Seit einigen Jahren mit mediko-historischen und kulturgeschichtlichen Studien beschäftigt, leitet Dr. Spanudis im Wiener „Institut für Wissenschaft und Kunst“ eine Arbeitsgemeinschaft für „Ethnologische Urgeschichte‘, eine Disziplin, die sich die Aufgabe stellt, die Anfänge und Gesetzmäfßigkeiten der Entwicklung der menschlichen Kultur zu untersuchen.” Begonnen hat Iheon Spanudis Geschichte also weder in Wien noch in Brasilien, sondern 1915 in Smyrna, heute Izmir, Türkei. Dort wurde er als Grieche geboren, was nach dem griechischtürkischen Krieg Anfang der 1920er-Jahre schwerwiegende Konsequenzen für ihn und seine Familie hatte, denn 1922 mussten die Spanoudis (griechische Lautung des Familiennamens) flüchten, der jüngere Bruder Solon war erst knappe vier Monate alt. Der Vater Georg Spanoudis kam aus einfachen Verhältnissen, hatte es, dank eines Lotteriegewinns, bis zu einem Studium der Medizin in Paris gebracht und praktizierte in der Folge als Kinderarzt. Die Mutter Clio Vulgaris Spanoudis kam aus einer wohlhabenden Familie und dank ihrer österreichischen Großmutter sprach sie perfekt Deutsch." Clio Spanoudis war eine gebildete und polyglotte Frau, sie beherrschte fünf Sprachen, liebte Literatur und Kunst und wäre wohl gerne selbst kreativ tätig oder zumindest überhaupt außerhalb der Familie tätig gewesen, hätte es der Ehemann ihr nicht verboten. Im September 1922 herrschte in Smyrna Krieg, und die Stadt brannte fast zur Gänze nieder. Schreckliche Szenen müssen sich abgespielt haben, Massaker, Plünderungen, Angst, der Kampf auf Leben und Tod unter NachbarInnen ... Die Familie landet in Athen, wo die Spanoudis-Brüder, die untereinander immer deutsch sprachen, in den 1920er-Jahren die Amerikanische Schule besuchten. 1933 fuhr Theon nach Wien, wo zwei Tanten lebten, um Medizin zu studieren. Theon Spanudis wäre lieber Philologe oder Künstler geworden, doch das Medizinstudium musste auf väterlichen Befehl hin absolviert werden. Kunst gab es nur nebenbei, und so wie in Athen, wo der junge Theon Malunterricht genommen hatte, ging er in Wien oft in die Oper und ins Kunsthistorische Museum, nahm Klavierunterricht und studierte Kompositionslehre. Der Medizinstudent entdeckte bald die Psychoanalyse und beschloss, in diese Richtung weiterzuarbeiten. Er traf August Aichhorn, bei dem er 1939 seine Lehranalyse begann. 1947 beendete er diese Grundausbildung und Selbstfindung nach 894 Stunden.'* Das waren fast doppelt so viele Stunden, als beim nächst oft bei Aichhorn erschienenen Lehranalysanten. Die Psychoanalyse und die Nazis Bei den Anfeindungen der Nazis gegen die „jüdische“ Wissenschaft der Psychoanalyse verwundert es, dass 1939 überhaupt jemand in Wien Lehranalyse anbieten konnte. Doch wurde die Psychoanalyse keineswegs verboten, vielmehr bemühten sich etliche Nazipsychiater, wie Carl Müller-Braunschweig, diese in eine „deutsche“ bzw. „arische“ Wissenschaft umzuwandeln. Dafür wurde sogar ein eigenes Institut in Berlin gegründet, nämlich das „Deutsche Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie“. Der Psychiater und chemalige Individualpsychologe Matthias Göring, ein Vetter Hermann Görings, war dessen Leiter, weshalb es auch „Göring Institut“ genannt wurde. In der Wiener Dependance des Instituts traf sich August Aichhorns Arbeitsgruppe, dort wurde der spärliche Nachwuchs an PsychoanalytikerInnen, darunter Theon Spanudis oder Ella Lingens, betreut. August Aichhorn war nach 1938 der letzte bedeutende Vertreter der Psychoanalyse in Wien. Er hatte nicht, wie fast alle seine FreundInnen und engen MitarbeiterInnen, wie sein Mentor Paul Federn, wie Anna Freud, Wilhelm Hoffer, Siegfried Bernfeld oder Erik Erikson flüchten müssen bzw. können. Sein ältester Sohn August Aichhorn jun. war als hoher Funktionär der Dezember 2013 55