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er ein hohes Vertrauen zu meiner Beherrschung dieser Sprache, die ich vor kaum mehr als fünf Jahren erlernt hatte. Und meine regelmäßige Tätigkeit als Dolmetscher fing Mitte der siebziger Jahre an. Denn 1975 wurde ich zum ersten Simultandolmetscher des Goethe-Instituts in Säo Paulo. Der damalige Leiter des Instituts, Hans-Joachim Schwierksott, zeigte volles Vertrauen zu meiner Arbeit. Es war der Anfang der glorreichsten Phase der Kulturarbeit dieses Instituts in Brasilien. Es kamen auch die anderen Goethe-Institute hinzu — damals gab es sieben davon in Brasilien —, die deutsche Botschaft und die verschiedenen deutschen Konsulate, die Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammern, unzählige deutsche Unternehmen, die österreichischen und schweizerischen diplomatischen Vertretungen, brasilianische Ministerien, vor allem das brasilianische Auswärtige Amt, genannt Itamaraty, Universitäten, Kulturinstitute, Kirchen — ohne zu übertreiben, darf ich behaupten, dass ich so gut wie alles, was in meinem Sprachraum in Brasilien Rang und Namen hatte oder hier zu Besuch war, irgendwann gedolmetscht habe: alle brasilianischen Präsidenten, von Ernesto Geisel bis Dilma Rousseff (mit Ausnahme von Itamar Franco), alle deutschen Bundespräsidenten und Altbundespräsidenten, von Walter Scheel bis Joachim Gauck, Bundeskanzler und Altbundeskanzler, von Willy Brandt bis Angela Merkel, den österreichischen Bundespräsidenten Heinz Adolf Opel Fischer und die schweizerischen Bundesräte Johann SchneiderAmmann und Doris Leuthard... Besonders stolz bin ich auf meine Arbeit im Kulturbereich, vor allem beim Goethe-Institut. Dort durfte ich sehr vielen Autoren und Künstlern als Dolmetscher zur Verfügung stehen. Aber ich glaube bis heute, dass meine Arbeit ihren Höhepunkt Ende 1989 fand, und zwar, als ich an den Universitäten Säo Paulo und Rio de Janeiro der Dolmetscher von Jürgen Habermas sein durfte. George Bernard Sperber, geb. 1938 in Wien, flüchtete als kleines Kind mit seiner Familie 1940 nach Argentinien. Dort besuchte er die Handelsschule. 1961 zog er nach Brasilien, wo er an der Universität Sido Paulo (USP) Anglistik und Germanistik studierte. Seit 1979 ist Sperber als öffentlich bestellter Übersetzer für fünf Fremdsprachen tätig. 1984 bis 2008 war er Dozent für deutschsprachige Literatur und Übersetzung an der US Er übersetzte u.a. Erich Auerbachs „Mimesis“ ins Portugiesische und arbeitete als Simultandolmetscher bei Staatsbesuchen, für Universitäten, Kulturinstitute und andere Institutionen. Zurzeit ist er Professor an der Fakultät für Philosophie, Literatur und humanistische Studien mit den Themen Amazonas und Rezeption Alfred Döblins. Im Jahre 1971 hatte ich durch eine Fügung günstiger Umstände die Gelegenheit, fast zwei Jahre in Südamerika zuzubringen — vor allem in Brasilien, dann auch in Paraguay und Argentinien. Freunde in Wien hatten mir Empfehlungen an interessante Persönlichkeiten in dem für mich neuen Kontinent mitgegeben. Meine Nachbarin Linda Hödl, eine angesehene Meisterin der Goldschmiedekunst, gab mir die Telephonnummer ihres geschiedenen Mannes in Sao Paulo, des Psychiaters Theon Spanudis, der sich dort fiir Theaterexperimente mit Macumba-Gruppen und Samba-Schulen engagiert hatte; allerdings sollte ich mich nicht auf sie berufen, da die Trennung nicht gerade freundschaftlich erfolgt war... Mehrmalige Anrufe blieben allerdings ohne Erfolg, eine Assistentin antwortete nur kurz angebunden, daß Dr. Spanudis zur Zeit nicht zu erreichen wäre... Eine andere Empfehlung hatte ich von Angelika Hauff, die damals am Burgtheater in Wien spielte, aber kurz nach Kriegsende in Brasilien aufgetaucht war: Der Fama nach soll sie eine der letzten Protegees des allmächtigen Propagandaministers Joseph Goebbels gewesen sein, der sie zum Star der bereits in den letzten Zügen liegenden (nazi)deutschen Filmindustrie aufbauen wollte und ihr die ersten größeren Rollen verschaffte. In Brasilien konnte die außergewöhnlich attraktive Frau als Schauspielerin rasch Fuß fassen — dank des deutschen Produzenten Franz Eichhorn, der bereits vor dem Krieg im Rahmen einer deutschen Filmexpedition in das Land gekommen war und mit dem Film „Kautschuk“ so erfolgreich war, daß er es vorzog, gleich im Land zu bleiben. An diesen Franz Eichhorn hatte mich „Dona Angelica“ — wie sie von ihren brasilianischen Verehrern liebevoll genannt wurde, die sie noch als verführerische „Dschungelprinzessin vom Amazonas“ in Erinnerung hatten —, empfohlen. Durch Eichhorn, der sich nunmehr auf den Import von 64 ZWISCHENWELT deutschen Filmen und deren Vermarktung in Brasilien beschränkte, dabei aber unentwegt an neuen Koproduktionen mit Europa bastelte, die leider nie verwirklicht wurden, lernte ich einige einheimische Filmleute und Schauspieler kennen. Eichhorns Lieblingsprojekt war ein biografischer Film über die erste Kaiserin Brasiliens nach der Unabhängigkeit von Portugal, die Habsburgerin Leopoldina, die viel für das Land getan hatte, aber einer Rivalin um die Gunst des Kaisers weichen mußte und unter traurigen Umständen ums Leben kam. Natürlich war Dona Angelica für eine der Hauptrollen vorgeschen. (Angelika Hauff kehrte dann doch nach Wien zurück, noch in der Zeit der Besatzung durch die vier Siegermächte, und setzte ihre Karriere erfolgreich fort — diesmal als Protegee des sowjetischen Filmoffizieres bei der im russischen Sektor gelegenen Wien-Film. Sie wurde ans Burgtheater engagiert — und als ich sie viele Jahre später wiedertraf, hatte sie einen „Verein für christliches Theater“ gegründet, der mit ihr in der jeweiligen Hauptrolle fromme Stücke in und vor Kirchen zur Aufführung brachte. Die Realisierung ihres Lieblingsprojekts — die Aufführung eines eigens für sie zu schreibenden Stücks in Mariazell, in dem sie die Doppelrolle „Jungfrau Maria“ und „Kaiserin Maria Theresia“ verkörpern wollte — hat sie nicht mehr erlebt. Auch dem beschlagensten Dramatiker wäre es wohl schwer gefallen, diese beiden Charaktere unter einen Hut zu bringen.) Von Konsuln und Holzschnitten Kontakt zu brasilianischen Kulturschaffenden fand ich auch durch den österreichischen Honorarkonsul in Säo Paulo, Otto Heller, der in seinem Heim gelegentlich musikalische Soirees veranstaltete,