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die von Brasilianern aber auch von Emigranten und Besuchern aus Österreich gerne frequentiert wurden. Man konnte bei ihm Clemens Holzmeister antreffen, der in Brasilien viel gebaut hatte, und der jetzt in Begleitung seiner Tochter, der Burgschauspielerin Judith Holzmeister, gekommen war, um seinen Sohn Guido zu besuchen, der als Geschäftsmann schon seit längerem in Säo Paulo lebte. Otto Heller hat sich um die kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Brasilien höchst verdient gemacht und vielen Österreichern geholfen, die hier auf die eine oder andere Art in Schwierigkeiten geraten waren. Die Konsulin in Salvador de Bahia, Eva Adler, war ebenso gesellschaftlicher und künstlerischer Mittelpunkt einer ganzen Region. Die gebürtige Polin empfing mich mit einer Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft, die weit über alles hinausging, was man sich von einer diplomatischen Vertretung im Ausland erhoffen konnte. So half sie mir, als ich einige Jahre später wieder nach Salvador kam, um für eine geplante Filmdokumentation über Jugendstilbauten in Brasilien und Argentinien zu recherchieren, die maßgeblichen Personen und Institutionen zu kontaktieren, begleitete mich zu Besichtigungsterminen, so daß mir alle Türen offenstanden. Bei Eva Adler lernte ich den deutschen Holzschnitzer HansenBahia kennen, der im brasilianischen Nordosten aber auch im ganzen Land zu einer Institution höchsten künstlerischen Ranges geworden war. Der gebürtige Hamburger, der in der deutschen Kriegsmarine gedient hatte und im Kriegseinsatz verwundet worden war, kam bald nach Kriegsende über Schweden und Norwegen 1950 nach Brasilien und fand seinen Lebensmittelpunkt in Bahia ab 1955. Zusammen mit Jorge Amado, dem zu seiner Zeit wohl berühmtesten Schriftsteller des Landes, der ebenfalls zumeist in Bahia lebte, gab er illustrierte Bücher heraus, am bekanntesten wurde „Flor de $S. Miguel“ — über eine berüchtigte Bar in Pelourinho, der barocken Altstadt von Bahia, in der Prostituierte, "Trinker und Künstler verkehrten. Hansen hatte sich völlig akklimatisiert und sich ein Refugium außerhalb der Stadt geschaffen, die „Villa Paradies“ — die diesen Namen völlig zu Recht trug — im Jardim Jaguaripe bei Itapoan. Er lebte dort mit seiner jungen Frau Ilse und einer Tochter aus erster Ehe, Imme, über die er sich immer wieder beklagte, da sie sich allzu intensiv um seine jungen brasilianischen Schüler und Gehilfen kümmerte. Nur kurz war auch von seinem Sohn die Rede, mit dem er keinen Kontakt mehr hatte, da er angeblich ein „unmoralisches Leben“ führte. Ich war öfters in der „Villa Paradies“ zu Gast und konnte erleben, daß Hansen nach mehreren Gläsern Cachaza wieder zum deutschen Seemann mutierte und einschlägige Kriegslieder zum Besten gab. Hansen hatte auf Anregung einer französischen Filmgesellschaft ein Bildertreatment mit seinen Holzschnitten zu „Flor de S. Miguel“ höchst künstlerisch zusammengestellt, dieses Unikat den Franzosen überlassen und danach nie mehr von ihnen gehört. Er bat mich, der Sache nachzugehen — und tatsächlich gelang es einige Jahre später, die Franzosen ausfindig zu machen und sie zu bewegen, das Manuskript zu restituieren. Die lustige Witwe Auf ungewöhnliche Weise lernte ich eine weitere bekannte Persönlichkeit deutscher Herkunft in Bahia kennen. Bei einem Besuch des Museu de Arte Sacra verwunderte es mich einigermaßen, daß als Hintergrundmusik zu den hier ausgestellten Kreuzen, Monstranzen und Märtyrerreliquien plötzlich Motive aus der Operette „Die lustige Witwe“ erklangen. Ich erkundigte mich bei einem der Aufseher, ob ihm die Herkunft dieser Melodien bekannt sei und er verwies mich auf den Direktor. Da erschien dieser auch schon, als „Lippen schweigen...“ erklang: Don Clemente de Silva Negra, ein überaus leutseliger geistlicher Herr, der — wie schon der Name sagt, unter dem man ihn hier kannte - aus dem Schwarzwald stammte. Er war offensichtlich erfreut, einen deutschsprechenden Besucher begrüßen zu können und lud mich ein, ein andermal wiederzukommen, wenn er mir mehr Zeit widmen könne. Ich nahm das Angebot gerne an und wurde bei meinem nächsten Besuch in einen recht mondänen kleinen Salon gleich hinter der Sakristei geführt. Ein auffallend hübscher Meßdiener namens Sylvio servierte uns Wein und setzte sich dann dazu. Don Clemente lenkte das Gespräch auf recht weltliche Dinge und ich hatte den Eindruck, daß es ihm gelungen war, sich in Bahia sein eigenes kleines Paradies zu erschaffen. Als ich einige Jahre später wider nach Bahia kam und nach Don Clemente fragte, erfuhr ich vom Direktor, daß dieser in ein gottverlassenes kleines Nest versetzt worden sei. Ein sehr trauriger Sylvio, den man als Angestellten des Museums behalten hatte, berichtete mir, daß Don Clemente beabsichtige, in den heimatlichen Schwarzwald zurückzukehren, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Das war im Dezember 1976, als ich für das Jugendstil-Filmprojekt auch in Bahia geeignete Objekte suchte — und parallel dazu auf Wunsch der Bundeswirtschaftskammer, Recherchen durchführte, da sie eine Beteiligung an dem Projekt in Aussicht gestellt hatte, wenn auch „die Präsenz der österreichischen Wirtschaft auf den Märkten in Brasilien und Argentinien“ einbezogen würde. Eva Adler hatte als Konsulin auch auf diesem Gebiet natürlich die entsprechenden Kontakte, die es mir erleichterten, ein Konzept für diese mir einigermaßen fremde Materie zu erstellen. Bei einer ihrer Gesellschaften, die sie öfters in ihrer dem Konsulat angeschlossenen Wohnung im markanten „Edificio Oceania“ — damals das höchste Gebäude der Stadt - gab, lernte ich einen Nachkommen des Dichters der „Novellen aus Österreich“ und der „Wiener Elegien“ kennen, nämlich Claudius von Saar de Laat, der als in der Atomphysik tätiger Wissenschaftler nach Brasilien verpflichtet worden war und mit seiner französischen Frau Michäle seit einiger Zeit in Bahia lebte. Es war ihm angenehm, hier auf jemanden zu treffen, der sich für europäische Literatur interessierte, und so trafen wir einander des öfteren in einem italienischen Restaurant, das Michele entdeckt hatte. Bei einer dieser Gelegenheiten erwähnte er beiläufig, daß er auch mit Fritz von Herzmanovsky-Orlando verwandt und eigentlich dessen rechtmäßiger — aber übergangener — Erbe sei. Der Autor des „Gaulschreck im Rosennetz“ und anderer skurriler Geschichten und Zeichnungen war erst nach seinem Tod 1954 bekannt geworden und galt seither als Initiator eines ganzen literarischen Genres, der Persiflage eines absurden Osterreichertums, das seine realen Entsprechungen hat. Wie es der Zufall will, war ich im Jahr davor, bei einer im Osterreichischen Kulturinstitut in Paris gezeigten Herzmanovsky-Orlando-Ausstellung anwesend gewesen, der ersten ihrer Art in Frankreich. Auch der Besitzer/Eigentiimer (?) der ausgestellten Manuskripte und Zeichnungen war anwesend und hielt einen Vortrag, bei dem allerdings ausgespart wurde, wie die Objekte in seinen Besitz gelangt waren. Ich konnte also kaum etwas zur Klärung der Angelegenheit beitragen und weiß nicht, Dezember 2013 65