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Erhard Roy Wiehn Von dort bis heute Eine Hommage, vorgetragen in der Synagoge zu Salzburg am 9. Oktober 2013 „Ich erlaube mir, mich in nachstehender Angelegenheit an Sie zu wenden“, schrieb mir Margit Bartfeld-Feller am 8. Februar 1996, vor knapp 18 Jahren aus Tel Aviv und weiter: „Ich bin in Czernowitz, der Geburts- und Heimatstadt Paul Celans geboren ...“ Im Juni 1941 wurde sie mit ihrer Familie — Mutter, Vater und Brüderchen Otti von den Sowjets nach Sibirien deportiert. „In den dort verbrachten fünf Jahrzehnten kam mir zu Bewußtsein, was ein Mensch in seinem kurzen irdischen Dasein erleben, erleiden und dennoch überleben kann. Vor fünf Jahren [Ende 1990] gelang es mir schließlich, nach Israel auszuwandern. Hier veröffentlichte ich in der in Tel Aviv erscheinenden Bukowina-Monatsschrift Die Stimme eine Reihe von Kurzgeschichten, Begebenheiten und Schilderungen aus meinem Leben in Czernowitz und Sibirien, die bei der Leserschaft guten Anklang fanden. Beiliegend übersende ich Ihnen einige Kopien; sollten Sie nach der Lektüre dieser Beiträge an der Herausgabe eines Sammelbändchens interessiert sein, bitte ich Sie um Mitteilung... Ich warte mit Ungeduld auf Ihre Antwort.“ Ich war schr interessiert und lud Margit Bartfeld-Feller zu einem "Treffen mit anderen Autorinnen und Autoren meiner Edition Schoäh & Judaica am 2. April 1996 ins Tel Aviver „Ramada Continental“ ein. Am Ende dieser ersten geglückten Begegnung verabredeten wir uns zu einem persönlichen Gespräch gleich am nächsten Vormittag am gleichen Ort. Margit Bartfeld-Feller zögerte dann plötzlich einen Moment, da sie für den folgenden traditionellen Familienabend zu Beginn des jüdischen Pessachfestes noch einiges vorzubereiten habe, sagte dann aber doch ganz schnell zu, sonst hätten wir beide womöglich eine vielleicht einmalige Chance verpaßt. Da saßen wir nun also am Morgen des Seder-Abends 5756/1996 in der schon vertrauten Hotel-Lobby des hübschen Strandhotels mit Blick auf das blaue Mittelmeer, um über ihr Leben und eine mögliche erste Buchveröffentlichung ihrer Geschichten zu sprechen, fast eine Art Wunder an sich. Denn wie kommt man angesichts extrem verschiedener Lebenswege erstaunlicherweise dann doch gerade zur rechten Zeit und so kreativ und produktiv zusammen, wie sich bald herausstellen sollte? Margits Antwort damals: „Es ist ein Wunder! Es geschehen so viele Wunder!“ Dann las sie mir den Anfang ihrer Kurzgeschichte „Czernowitz nur noch ein Traum“ vor, die schon bald veröffentlicht werden sollte und worin übrigens auch Selma Meerbaum-Eisinger erwähnt wird.” „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, so David BenGurion, und diese Einsicht wurde und wird durch das erstaunliche Feuerwerk unserer folgenden Buchpublikationen einmal mehr bestätigt, wobei gerade die denkwürdigen Titel zu einem spezifischen Markenzeichen Margit Bartfeld-Fellers geworden sind: 1) Dennoch Mensch geblieben - Von Czernowitz durch Sibirien nach Israel 1923-1996 (1996); 2) Nicht ins Nichts gespannt (1998); 3) Wie aus ganz andern Welten (2000); 4) Am östlichen Fenster (Sammelband 2002); 5) Unverloren (2005); 6) (I proschedscheje ne uchodit, russisch; 7) Und Vergangenes vergeht nicht, 2005); 8) Erinnerungswunde (2007); 9) Aschenblumen — Eine Fotodokumentation aus Czernowitz sowie von der sibirischen Verbannung und danach (deutsch u. russisch, 2008); 10) Mama Cilly (2009); Nachhall — Weitere Geschichten aus Czernowitz und aus der sibirischen Verbannung (deutsch u. russisch, 2011) — insgesamt also sage und schreibe zehn Titel, die es wahrhaftig in sich haben.* Da hatte nun als Nummer 11 ein Bändchen über Selma MeerbaumEisinger 1924-1942 unbedingt noch gefehlt, insbesondere wenn man bedenkt, daß Margit Bartfeld-Feller tatsächlich überhaupt die einzige Schulfreundin Selma Meerbaum-Eisingers ist, die heute noch lebt- 71 Jahre nach Selmas frühem, traurigem, unsäglichem Tod. An dieser kleinen Sammelschrift arbeiten wir gerade, damit niemand auf die Idee kommt, unsere liebenswürdige Autorin habe sich in ihrem junggebliebenen Alter etwa zur Ruhe gesetzt! Margit Bartfeld-Feller — die zu unserem größten Bedauern aus gesundheitlichen Gründen heute leider, leider nicht unter uns weilen kann - gilt inzwischen wohl als eine der ganz wenigen zeitgenössischen Schriftstellerinnen aus Czernowitz und der Bukowina, die sich bereits in die Literaturgeschichte deutsch-schreibender jüdischer Literatinnen und Literaten eingeschrieben haben. Obwohl die Literatur über Czernowitz fast unüberschaubar geworden ist (der Suchbegriff „Czernowitz“ zeigt bei Google am 5.10.2013 in 0,32 Sekunden sage und schreibe 473.000 Einträgel), erscheinen uns ihre Geschichten doch einmalig und ganz unverwechselbar.‘ Im übrigen gibt es außer ihren Erinnerungen bis heute nur wenig authentische Literatur über die sibirische Verbannung der Czernowitzer Jüdinnen und Juden als „Volksfeinde“ durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD° am 13. Juni 1941 (am 13. Juni 2013 waren es 72 Jahre!) .° Mittlerweile hat sich unsere Autorin in Deutschland, Israel und Österreich einen eigenen Leserkreis geschaffen, und sie erfreut sich eines außergewöhnlichen Erfolgs auch bei ihren Lesungen, wo sie mit ihren Geschichten fasziniert, mit ihrem melodischen Czernowitzer Deutsch bezaubert und als ebenso leidgeprüfter wie heiter-optimistischer Mensch immer wieder stark und nachhaltig beeindruckt. Nachdem mittlerweile — wie erwähnt - eine russische Ausgabe ausgewählter Geschichten vorliegt, werden ihre Erinnerungen hoffentlich eines Tages auch in ukrainischer Sprache erscheinen, der Sprache der Menschen im heutigen ChernivtsiCzernowitz und in der Nordbukowina. Denn nicht zuletzt ist unsere Autorin auch dort durch ihre mehrfachen Lesungen gut bekannt, wie durch die folgende Laudatio deutlich wird. „Margit Bartfeld-Feller hat Unmögliches vollbracht“, schreibt Dr. Petro (Peter) Rychlo — Literaturwissenschaftler und Freund an der Universitat von Chernivtsi-Czernowitz — in seinem Geleitwort zu Dennoch Mensch geblieben, „sie hat nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Mutter und ihren jüngeren Bruder retten können (der Vater starb schon nach einem Jahr der unmenschlichen Fxistenz), sie hat dann aber noch etwas schr Wichtiges getan — nämlich diese schreckliche Leiderfahrung in ihren Büchern ausführlich und eindrucksvoll beschrieben. Diese Zeugnisse haben wir alle gebraucht — um zu erfahren, zu welchem Grad der Unmenschlichkeit verbrecherische Herrscher kommen können, um ihre Macht Mai 2014 7