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Ab 1989 pendelte sie einige Jahre lang zwischen Wien und München, wo Stefan G. Harpner den „Ricordi-Verlag“ leitete, und machte in der Münchner „Schule für Personale Therapie“ eine Ausbildung in „Atemtherapie“, wobei sie sich, da sie selbst in der Vergangenheit immer wieder Augenprobleme hatte, auf das Thema „Auge und Atem“ spezialisierte. Sie entwickelte auch ein Schulprojekt zum Aggressionsabbau durch Atemarbeit. Auch wurde sie immer wieder zu Konferenzen eingeladen, so 2003 nach Italien, wo sie einen Vortrag über „Breath and vision“ hielt. 2002 war sie neben Siglinde Bolbecher, inzwischen eine enge Freundin, Mitbegründerin der FrauenAG der Österreichischen Stefan Keller „Akte Grüninger“ Die Rückkehr der Beamten 1992 eine Serie in der Zürcher Wochenzeitung WOZ, 1993 ein Bestseller, 1997 ein Dokumentarfilm mit Überlebenden, 2014 ein fiktiver Spielfilm. Kurze Geschichte der zwanzigjährigen Auseinandersetzung mit dem Fall des Polizeihauptmannes Paul Grüninger in der Schweiz. Zwanzig Jahre sind seit Erscheinen meines Buches „Grüningers Fall“ vergangen, fünfzehn Jahre seit der vollständigen Rehabilitierung des St. Galler Flüchtlingsretters, die zuvor dreißig Jahre lang immer wieder gefordert worden war: Jetzt kam, nach einem Dokumentarfilm von Richard Dindo (1997), ein GrüningerSpielfilm von Alain Gsponer in die Kinos und hatte im Jänner 2014 auf den Solothurner Filmtagen Premiere. Fast alle ZeitzeugInnen, die wir seinerzeit zum Fall Griininger befragten — die Fliichtlinge von 1938 und 1939, die ehemaligen Polizisten, die Emigrantenschlepper, die Bewohner der Dörfer an der Grenze — sind in den letzten Jahren gestorben. Ohne sie hätte ich Grüningers Geschichte niemals schreiben können. Durch ihr Verstummen ist die Auseinandersetzung mit diesem Stoff in eine neue Phase getreten. Paul Grüninger ließ als St. Galler Polizeikommandant vom Sommer 1938 bis Frühjahr 1939 etliche hundert, vielleicht mehrere tausend jüdische und andere Verfolgte aus dem nationalsozialistischen „Dritten Reich“ in die Schweiz einreisen. Er hat diese Flüchtlinge nicht, wie vom Bundesrat vorgeschrieben, zurück geschickt, und er hat ihnen damit das Leben gerettet. Um sie vor den Bundesbehörden zu schützen, ließ er falsche Finreisedaten in die Akten schreiben. Wenn Flüchtlinge weiterreisten, verwendete er deren Aktennummern noch einmal. Unter anderem schrieb er Briefe nach Dachau und sicherte KZ-Häftlingen eine Aufenthaltserlaubnis zu. In einem Fall soll er Flüchtlinge sogar mit dem Polizeiwagen in Deutschland abgeholt haben, oder er lud ein bedrohtes, an der Grenze zurückgewiesenes Ehepaar zu einer Einvernahme nach St. Gallen vor. Im März 1939 wurde der Landjägerhauptmann vom Regierungsrat fristlos entlassen. Zwei Jahre später verurteilte ihn das Bezirksgericht St. Gallen wegen Amitspflichtverletzung und Urkundenfälschung zu einer Buße. Verfemt und verdächtigt und von einigen Leuten bis heute als Frauenheld und korrupter Betrüger, ja sogar als Nazi verleumdet, fand der ehemalige Polizeichef für den Rest seines Lebens keine feste Stelle mehr: Er starb 1972 als armer Mann. 22 _ ZWISCHENWELT Gesellschaft für Exilforschung. Am 10. Februar 2009 starb Susanne Harpner. Konstantin Kaiser sagte bei der Abschiedsfeier: „Sie war diskret mit ihren Erinnerungen, ihrer Lebensgeschichte. Unter denen, die 1990 zum ersten Jahrbuch der Theodor Kramer Gesellschaft beitrugen, ist sie die einzige, die keine Kurzbiographie beisteuerte. Vielleicht, weil sie immer viel jünger aussah, als sie war, das ging so weit, dass wir bezweifelten, ob sie die Dinge, von denen sie erzählte, auch selber miterlebt hatte.“ Eine Rehabilitierung Paul Grüningers, dem das Bezirksgericht 1940/41 nach genauer Untersuchung ausschließlich ehrenwerte Motive attestierte, wurde vom St. Galler Regierungsrat zwischen 1968 und 1991 fünf Mal abgelehnt. Erst nach Erscheinen meines Buches im Herbst 1993 — zuvor hatte ich eine Serie über den Fall in der WOZ publiziert - und nach heftigen politischen Kämpfen erreichten wir die Rehabilitierung in drei Schritten: Durch politische Erklärungen des St. Galler Regierungsrates (1993) und des Schweizerischen Bundesrates (1994), durch die Wiederaufnahme des 1940 gegen den Hauptmann geführten Prozesses und den Freispruch Grüningers vor dem Bezirksgericht St. Gallen (1995) sowie durch eine materielle Wiedergutmachung in Höhe von 1,3 Millionen Franken (1998), welche die Nachkommen des Polizeikommandanten an die neu gegründete Paul Grüninger Stiftung weiterreichten. Die einzelnen Schritte und Details dieses Rehabilitierungsprozesses sind heute wissenschaftlich erforscht: Der deutsche Historiker Wulff Bickenbach hat eine umfangreiche Dissertation erarbeitet, die 2009 unter dem Titel „Gerechtigkeit für Paul Grüninger. Verurteilung und Rehabilitierung eines Schweizer Fluchthelfers“ im Böhlau Verlag in Köln erschienen ist. Für seine Untersuchung wurden Bickenbach amtliche Dossiers bis ins Jahr 1998 geöffnet, die - zusammen mit den privaten Akten der Familie Grüningers, des St. Galler Vereins „Gerechtigkeit für Paul Grüninger“, meinem Forschungsarchiv und weiteren Beständen — ganz erstaunliche, auch ernüchternde Einblicke in die internen Debatten der St. Galler Regierung ermöglichen. Man kann jetzt im Detail nachlesen, wie der Regierungsrat sich gegen jeden Schritt der Rehabilitierung sträubte und wehrte, welche Maßnahmen oder intriganten Tricks sich Politiker und Beamte gegen die Nachkommen Grüningers ausdachten, und wie die schrittweisen Zugeständnisse an die als unverschämt und subversiv eingeschätzten Verteidiger dieses Mannes nur unter größtem öffentlichem Druck zustande kamen. Auch die St. Galler Flüchtlingspolitik zwischen 1933 und 1945 ist heute viel umfassender untersucht, als sie es damals war. Im Zusammenhang mit der Debatte um Grüningers Rehabilitierung sprach das Kantonsparlament 1997 einen Kredit, mit dem der Historiker Martin Jäger alle vorhandenen St. Galler Flüchtlingsakten zwischen 1920 und 1950 sichten und systematisch erschließen konnte. Nach Jägers archivalischer Vorarbeit schrieb der Journalist und spätere NZZ-Redakteur Jörg Krummenacher