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Als einer, der Michael kennenlernen durfte und ihn geschätzt hat, so wie er war, stellvertretend auch für viele andere, von denen ich weiß, dass sie ihn und seine Literatur geschätzt haben, sage ich nur noch: Michael, wir haben Dich nicht aus den Augen verloren, wir lesen noch immer Deine Verse und in Deinen Schriften, und wir haben noch immer den Tonfall deiner Stimme im Ohr. Zu Richard Wall vergleiche Konstantin Kaiser, „Amseln im Schnee, Archäologie der Ferne‘, in ZW Nr. 3-4/2013, S. 31. Zuletzt erschien Carole Angier Monuments Men George Clooneys neuer Film kam Anfang dieses Jahres in die britischen Kinos. Ich freue mich immer auf seine Filme, insbesondere auf diesen. Er heißt The Monuments Men und erzählt wieder einmal eine Geschichte über den Zweiten Weltkrieg. Aber keine gewöhnliche. Die Monuments Men waren eigenartige Soldaten. Sie waren Kunstexperten, Archäologen und Archivare, einer von ihnen war Leiter einer New Yorker Ballettkompanie, ihr Durchschnittsalter 40. Sie sollten die alliierten Truppen mit der Aufgabe nach Europa begleiten, das kunsthistorische Erbe des Kontinents vor weiterer Zerstörung zu bewahren und die unzähligen von den Nazis aus Museen, Bibliotheken und privaten jüdischen Sammlungen geraubten Schätze ihren BesitzerInnen zurückgeben. Zum ersten Mal in der Geschichte kämpfte eine erobernde Armee nicht um zu rauben, sondern um Geraubtes zurückzuerstatten. So zogen Museumsdirektoren und Kuratoren, Bibliothekare und Lehrende also in den Krieg. Die Idee kam von Roosevelt, Eisenhower gab den Befehl, und obgleich einige Monuments Men Briten waren — und eine Frau Französin —, die überwiegende Mehrheit dieser Soldaten der Kunst waren Amerikaner. Selbst wenn sich das Ganze also wieder einmal als Geschichte, wie die USA den Krieg gewannen, entpuppen sollte, dieses Mal wenigstens wäre sie wahr. Im Übrigen würde, wie wir hörten, Clooneys Drehbuch (basierend auf der Literaturvorlage von Robert M. Edsel’) die Französin Rose Valland, gespielt von Cate Blanchett, als Heldin der Geschichte betrachten und die Rolle der britischen Monuments Men, in Person von Hugh Bonneville, einem der Stars des Films neben Matt Damon, Clooney selbst, Bill Murray und John Goodman, in gebührendem Maße würdigen. Ohne Zweifel eine großartige Geschichte, selbst in ihren weniger dramatischen Teilen, wie der langwierigen und viel Geduld erfordenden Rückgewinnung und Restauration der Archive. Aber in ihrem Kern ist diese Geschichte so dramatisch, dass sie fast das Zeug zu einem weiteren klassischen Weltkriegsdrama hätte: die Rückgewinnung von Hiders eigener Kunstsammlung, geraubt aus französischen, belgischen, holländischen und italienischen Museen und bestimmt für sein pompöses Museum in Linz — der Phantasichauptstadt seines Tausendjährigen Phantasiereichs. Nicht nur, dass sich darunter Tausende Meisterwerke der europäischen Kunstgeschichte befanden - Werke von Leonardo, Michelangelo, von Wall der Gedichtband „Streith“ bei Berger in Horn. — Vinzenz Jobsts „Guttenbrunner. Rebellion und Poesie“ ist 2012 im Kitab Verlag, Klagenfurt, herausgekommen. Michael Guttenbrunner wurde auf Antrag von Dr. Katharina Guttenbrunner mit Beschluß des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Juli 2013 posthum rehabilitiert: Seine Verurteilung durch das Gericht der 5. Gebirgs-Division zu einer Gesamtstrafe von fünf Jahren Gefängnis und zum Rangverlust wegen Drohung gegen einen Vorgesetzten vom 16.6.1944 gilt „rückwirkend als nicht erfolgt“. Botticelli, Caravaggio, Rembrandt und Tizian, Vermeer und Van Eyck, dessen Meisterwerk, der zwölftäfelige Flügelaltar von Gent, wohl den Höhepunkt der „Sammlung“ darstellte -, nicht nur das, sondern sie alle waren versteckt in einem 800 Jahre alten Bergkwerk, tief im Gebirge bei einem abgelegenen österreichischen Dorf, im Herzen der letzten Nazifestung. Aus dem Weg, The Guns of Navarone, The Dirty Dozen, Saving Private Ryan, die Monuments Men kommen! Sie hätten zumindest beiseite treten müssen, hätte der Film sein Versprechen erfüllt. Leider ist er ein völliger Reinfall, stumpfsinnig, lustlos und moralisierend. Er heimst billige Siege gegen Nazis ein, die so klischechaft dargestellt sind, dass sie einem Comic-Heft für Kinder entnommen sein könnten. (Nebenbei geht es auch gegen die Russen, die mit diesem Teil Österreichs in Wirklichkeit niemals etwas zu tun hatten.) Nichtsdestotrotz ist die Geschichte wahr, soweit ich weiß. 7he Monuments Men stellte sich als eine monumentale Enttäuschung heraus, aber ich war noch immer fasziniert. Denn ich kenne die Geschichte und den Ort, an dem sie sich ereignete, schon die längste Zeit meines Lebens. Altaussee liegt hoch in den Bergen, in der Nahe von Salzburg, nicht weit von Berchtesgaden; von seinem Eagles Nest (Kehlsteinhaus) aus konnte sich Hitler fast einbilden es zu sehen. Himmler hatte die Gegend um Altaussee Ende 1943 zur „Alpenfestung“ erklärt, zum Rückzugsgebiet, in dem die deutschen Truppen ihr letztes Gefecht führen sollten. Der „Führer“ war noch nicht bereit für irgendein Gerede über ein letztes Gefecht, aber bei seinen Kunstwerken wollte er kein Risiko eingehen. In jenem Herbst wurde die gesamte Sammlung, zusammen mit anderen, nicht minder wertvollen Werken aus den großen Wiener Museen, nach Altaussee gebracht und im Salzbergwerk versteckt. Ende 1944 begann, wie geplant, der Rückzug vieler Nazigrößen in die „Alpenfestung“.” Im März 1945 schließlich erteilte Hitler den Nero-Befehl, die Anordnung, die gesamte deutsche Infrastruktur zu zerstören und dem Feind nichts als „verbrannte Erde“ zu hinterlassen. Anfang April ließ der fanatisch-loyale Gauleiter der Region August Eigruber vier Sprengstoffkisten in das Salzbergwerk bringen, bestimmt, die größten Kunstschätze Europas in Stücke zu sprengen. Die Amerikaner, und an ihrer Seite die Monuments Men, rückten näher, aber sie waren noch immer Wochen entfernt. Nun drängten die Ereignisse ihrem Ende zu. Am 30. April beging Mai 2014 25