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vorerst. Er und seine Mitstreiter haben die Opfer der Nazis im Oberen Drautal aus dem Dunklen der Geschichte geholt; sie haben versucht diesen ermordeten Menschen Name, Würde und Lebensgeschichte zurückzugeben, sie damit vor den Nachgeborenen zu rehabilitieren, um sie so ins historische Gedächtnis zurückzuholen. Da viele der erforschten und damit erinnerten Opfer kein Grab haben, hat der Trägerverein „kuland“ in Berg im Drautal ein Denkmal der Erinnerung für die 40 ermordeten Menschen errichtet. Dazu wurde ein Buch herausgegeben, das die Lebensund Leidensgeschichte dieser Menschen vorstellt und sie historisch kontextualisiert.’ In eindrucksvollen, wenn auch manchmal aufgrund dürftiger Materiallage kurzen Biographien werden diese 40 ermordeten Menschen vorgestellt, und Schriftsteller Kärntner Ursprungs setzen sich in kurzen Texten mit ihnen in Beziehung. Dieser anspruchsvolle Zugang wird von den Schriftstellerinnen und Schriftstellern manchmal sehr schön, beeindruckend, aber, beinahe muss man sagen: selbstverständlich, auch peinlich eingelöst. Einen hohen Anspruch einzulösen, kann nicht immer gelingen, aber die schönen Texte stehen für den eindrucksvollen Zugang. Für das Buch wie das Denkmal definiert Peter Gstettner drei Aufgaben der Erinnerung, die schwer einzulösen sind: „1. Es erinnert an eine Zeit der Unmenschlichkeit und mahnt die Mitmenschlichkeit ein. 2. Es erinnert an unser Vergessen, das auch ein Vergessen der menschlichen Pflicht ist, für den Mitmenschen einzustehen, ihn in seiner Einsamkeit und Verfolgungsnot beizustehen. 3. Es mahnt zur personalen Verantwortung gegenüber der Geschichte und der Gegenwart ...“!° Ohne Wissen und Engagement kann dieser moralische Ansatz nicht verwirklicht werden. Die Aktivisten von „kuland“ haben offensichtlich intensiv gearbeitet und Darstellungen zustande gebracht, die Nachvollzug und Einfühlung ermöglichen. Das kann man leider nur von den wenigsten Erinnerungsprojekten sagen. Die Klammer für das Erinnerungsprojekt in Berg hat Peter Pirker bereitgestellt, indem er die nationalsozialistische Gewaltgeschichte eindrucksvoll auf den Raum Oberes Drautal bezogen hat. Er hat damit einen modernen regionalgeschichtlichen Zugang geliefert, dem man schon anmerkt, dass er hinaus in die Welt gegangen ist.!! Wenn ich nun auf meine Rezension zurückblicke - und ich habe keineswegs alle Arbeiten von Peter Pirker besprochen —, so sind hier seine wichtigen Arbeiten zu den Wehrmachtsdeserteuren außen Evelyn Adunka vor gelassen, dann bin ich ob der Intensität seiner Forschungsarbeit und der Masse seiner beeindruckenden Publikationen, die er in kurzer Zeit herausbringen konnte, fasziniert. Ich freue mich, dass seine Arbeit im Vorwort von Oliver Rathkolb beinahe hymnisch gefeiert wird.'” Damit hat auch die Zeitgeschichtsforschung Pirker die ihm zustehende Anerkennung und den Respekt für sein Engagement gezollt. Aber dennoch frage ich mich, warum es sich die Institution Universität und Forschungseinrichtungen leisten können, so ein Talent nicht stärker „auszubeuten“. Vielleicht ist es aber so, dass die tertiären Bildungseinrichtungen und die Forschungsinstitutionen schon so bürokratisch geworden sind, dass wesentliche Impulse eher von außen kommen. Anmerkungen 1 Peter Pirker, Schöne Zeiten, harte Zeiten. Recherchen über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Rahmen der britischen SOE-Missionen in Friaul/Karnten/Osttirol 1944, in: Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und des Widerstands, Wien, 20. JG., Nr. 4, März 2004, 12-19. 2 Patrick Martin-Smith, Widerstand vom Himmel. Österreicheinsätze des britischen Geheimdienstes SOE 1944, hg. von Peter Pirker, Wien: Czernin Verlag 2004. 415 S. 3 Eric Sanders, Emigration ins Leben. Wien-London und nicht mehr retour, hg. von Peter Pirker, Wien: Czernin Verlag 2008, 376 Seiten. 4 Peter Pirker, „Most difficult to tackle“: Intelligence, Exil und Widerstand am Beispiel der Austrian Section von SOE, phil.Diss. (Universität Wien), 2009, 859 S. 5 Peter Pirker, Gegen das „Dritte Reich“. Sabotage und transnationaler Widerstand in Österreich und Slowenien 1938-1940, Klagenfurt-Wien: Kitab-Verlag 2010, 280 S. 6 Peter Pirker, Subversion deutscher Herrschaft. Der britische Kriegsgeheimdienst SOE und Österreich, Reihe „Zeitgeschichte im Kontext“, Bd. 6, hg. von Oliver Rathkolb, Göttingen: V+R unipress, Vienna University Press 2012, 583 S. 7 Ebenda, 220f. 8 Ebenda, Kapitel „Mit den Partisanen“, 273-382. 9 Peter Pirker, Anita Profunser (Hg.), Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung — Die Opfer des Nationalsozialismus im Oberen Drautal, Klagenfurt/ Celovec-Wien/Dunaj: Drava Verlag/Zalozba Drava 2012, 211. 10 Ebenda, 20. 11 Peter Pirker, Der Nationalsozialismus im Oberen Drautal. Aufstieg, Herrschaft, Opposition und Widerstand, in: ebenda, 26-74. 12 Pirker, Subversion deutscher Herrschaft, 9-11. Am 13. März 1994 starb in Wien die Hakoah-Schwimmerin Fritzi Löwy. Der untenstehende Nachruf blieb aus nicht mehr eruierbaren Gründen bislang ungedruckt. Dies sei nun zum 20. Todestag nachgeholt. (Mit Dank an Vida Bakond)). Mit Fritzi Löwy starb in Wien eine der letzten großen Sportlerinnen der Zwischenkriegszeit, die den jüdischen Sportverein Hakoah so berühmt und bedeutend machten und damit wie kaum etwas anderes das Selbstbewußtsein der Wiener Juden, besonders zur Zeit des sich formierenden Nationalsozialismus, stärkten. Dabei war Löwy keineswegs eine typische Sportlerin, fiir die der Sport und vor allem der Leistungssport der wichtigste Lebensinhalt oder auch nur eine persönliche Befriedigung oder Erfüllung bedeutete. Löwy war ein „Praterkind“, wurde am 18.11.1910 geboren und wuchs in der Wiener Leopoldstadt auf, als letztes von zwölf Kindern eines assimilierten jüdischen Kaufmanns und einer aus Böhmen stammenden „Urwienerin“, die nach dem vierten Kind - zuvor wehrten sich ihre Eltern dagegen — zum Judentum übertrat. Die für Wien nicht untypische Atmosphäre in ihrer Familie schilderte sie in einem Interview mit Gabriele Anderl: „Meine Mutter war nicht fromm, aber schr jüdisch eingestellt. Vor allem hat sie den Vater geliebt. Ich meine, diese ‚Mischehen‘ sind ja hier nicht selten. Ich bin tschechisch, ungarisch, jüdisch und christlich!“ Zum Schwimmsport kam sie durch eine Nachbarin, die bei der Hakoah war. Mit Dreizehn war sie bereits Jugendmeisterin und mit Vierzehneinhalb österreichische Meisterin und blieb es zwölf Jahre lang bis 1935. Sie hielt die Rekorde in 100, 200, Mai 2014 39