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ihre Verurteilung.'! Materialistische Kritik nach Adorno ist sich nicht nur der Unmöglichkeit von Objektivität bewusst, gegen die sie eine offene Parteilichkeit setzt. Sie reflektiert auch das Problem, Kritik in der Form von Theorie formulieren zu müssen, sich gleichzeitig aber über die Unmöglichkeit ihres Daseins in der Form von Theorie im Klaren zu sein. Die theoretische Wahrheit des von Marx als automatisches Subjekt bestimmten Kapitals ware seine praktische Abschaffung. Oder, wie es in der Gesellschaft des Spektakels gegen die Positivisten jeglicher Couleur heißt: „Die Wahrheit dieser Gesellschaft ist nichts anderes als die Negation dieser Gesellschaft.“ (S. 170)'? Fetischismus, Proletariat & Staat Debords Beschreibung der Totalität des Fetischismus und der Ware beginnt in unmittelbarer Anlehnung an das Marxsche Kapital, dessen ersten Satz er paraphrasiert: „Das ganze Leben der Gesellschaften, in welchen die modernen Produktionsbedingungen herrschen, erscheint als eine ungeheure Sammlung von Spektakeln.“ (S. 13) Eine Definition des Begriffs Spektakel gibt Debord in seiner Schrift von 1967 nicht. Er umkreist ihn vielmehr und beschreibt ihn in seinen realen Erscheinungen und ex negativo. Im Begriff des Spektakels sind bei Debord der Begriff des Kapitals, wenn auch gegenüber der Marxschen Herleitung in vereinfachter Form, und Aspekte des Fetischismus aufgehoben: „Das Spektakel ist das Kapital in einem solchen Grad der Akkumulation, daß es zum Bild wird.“ (S. 27) Er begreift das Spektakel als gesteigerte Form des Fetischismus: „Das Prinzip des Warenfetischismus ist es, [...], das sich absolut im Spektakel vollendet, wo die sinnliche Welt durch eine über ihr schwebende Auswahl von Bildern ersetzt wird, welche sich zugleich als das Sinnliche schlechthin hat anerkennen lassen.“ (S. 31f.) Marx hat die Verwandlung menschlicher Beziehungen in die Beziehungen von Dingen beschrieben. Debord greift dies auf und beschreibt die Verwandlung der menschlichen Beziehungen in die Beziehung zwischen Bildern, die den Menschen noch äußerlicher erscheinen als die Dinge. Anders als im postmodernen und poststrukturalistischen Denken aber, das dazu tendiert, alles in Bilder aufgelöst zu schen und keine Realität mehr zu kennen, die in ihrer Gesamtheit kritisiert werden könnte, bleibt das Bild bei Debord auf die gesellschaftliche fetischistische Totalitat, auf die materielle Realität rückbezogen. Eine Formulierung, die als zusammenfassende Definition des modernen Spektakels gelesen werden kann, findet sich erst in Debords Text Kommentare zur Gesellschaft des Spektakels aus dem Jahr 1988. Dort fasst Debord zusammen, was unter dem Begriff zu verstehen sei: „die Selbstherrschaft der zu einem Status unverantwortlicher Souveränität gelangten 58 _ ZWISCHENWELT Warenwirtschaft und die Gesamtheit der neuen Regierungstechniken, die mit dieser Herrschaft einhergehen.“ (S. 194) Ein Grundmoment des Marxschen Warenfetischs, die Substituierung menschlicher Beziehungen durch die reale wie scheinhafte Beziehung von Dingen, ist bei Debord, auch wenn er die Marxsche Analyse dieser Substituierung weder referiert noch explizit reflektiert, konstitutiver Bestandteil des Spektakels: „Der fetischistische Schein reiner Objektivität in den spektakulären Beziehungen verbirgt deren Charakter als Beziehung zwischen Menschen und zwischen Klassen: eine zweite Natur scheint unsere Umwelt mit ihren unvermeidlichen Gesetzen zu beherrschen.“ (S. 22) So wie Georg Lukäcs in Geschichte und Klassenbewusstsein die rein kontemplative, die nur betrachtende, anschauende Sichtweise des bürgerlichen Denkens beschrieben und kritisiert hat, sieht Debord die Menschen im Spektakel auf die Rolle von Zuschauern reduziert. Das Kapital ist bei Debord nicht primär als selbstbewusste Macht, sondern als automatisches Subjekt gegenwärtig, als „sich selbst bewegende Wirtschaft“ (S. 13). Im Spektakel ist eine ähnlich irre machende Gleichzeitigkeit von Wirklichkeit und verkehrtem Schein gegenwärtig, wie sie Marx bereits in der einfachen Warenform aufgezeigt hat: „Das Spektakel, das das Wirkliche verkehrt, wird wirklich erzeugt.“ (S. 27) Die Parallele zur Realabstraktion des Werts, wie Marx sie in seiner Kritik der politischen Ökonomie ins Visier genommen hat, ist hier offensichtlich. Anselm Jappe hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei Debord das Spektakel „nicht nur eine Folge der Denkabstraktion, sondern vor allem der ‚Realabstraktion‘ ist, auch wenn Debord diesen Unterschied nicht ausdrücklich macht.“'* Während im Wert von jeder Gesellschaftlichkeit abstrahiert wird, abstrahieren die Bilder des Spektakels von allem Lebendigen, das Debord als positiven Gegenpol zur spektakulären Herrschaft betrachtet. Das Spektakel ist die materielle Wiederkehr des Vorgängers des Warenfetischs, der „materielle Wiederaufbau der religiösen Illusion.“ (S. 20) Mit seinen selbstgeschaffenen Verfahrensformen ist es ein „Pseudo-Heiliges“. (S. 23) Debord konstatiert Gemeinsamkeiten zwischen Religion und Warenfetischismus, tendiert dabei aber dazu, den Warenfetischismus nicht mehr im streng Marxschen Sinne zu verstehen, sondern zu einem Begriff zu machen, in dem sich vor allem die fast libidinöse Beziehung von Menschen zu den in Warenform existierenden Dingen zeigt: „Wie bei dem krampfhaften Taumeln oder den Wunderheilungen der Schwärmer des alten religiösen Fetischismus gelangt auch der Warenfetischismus zu Momenten schwärmerischer Erregung.“ ($. 54) Das keynesianische Akkumulationsmodell mit seiner Bindung an den Massenkonsum fungiert bei Debord als Grundlage für die Ausdehnung der fetischistischen Warenherrschaft von der Produktion in die Sphäre der Konsumtion. Anders als große Teile der kommunistischen und sozialistischen Linken in Frankreich und auch in anderen Ländern sah Debord im keynesianischen Wohlfahrtsstaat nichts zu Verteidigendes. In der sozialstaatlichen Alimentierung des Proletariats erblickte er vielmehr einen integralen Bestandteil des modernen Spektakels. Neben die Entfremdung in der Produktion trete „der entfremdete Konsum“ als „eine zusätzliche Pflicht für die Massen.“ (S. 35) Der produzierte Überschuß an Waren erfordert von den ihn Produzierenden „einen Überschuß an Kollaboration.“ (S. 36) In einem merkwürdigen Widerspruch zu Debords Ausführungen zum Spektakel als nochmals gesteigerter Form der Mystifikation, als potenziertem oder vollendetem Fetischismus, der die Menschen zu Zuschauern degradiert, steht seine Bezugnahme auf die Marxschen Ausführungen aus dem Manifest der Kommunistischen Partei. Debord schreibt, eine Formulierung aus dem Manifest direkt übernehmend: „Indem sie in die Geschichte geworfen sind, indem sie an der Arbeit und an den Kämpfen, aus denen diese Geschichte besteht, teilnehmen müssen, sind die Menschen gezwungen, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen.“ (S. 61) Gleichzeitig beschreibt er eindrucksvoll, wie die Augen der Menschen nur mehr auf das sich scheinbar völlig unabhängig von ihnen abspielende Spektakel gerichtet sind, dass also die Menschen ihre gesellschaftlichen Beziehungen keineswegs mit „nüchternen Augen“ betrachten, sondern mit Augen, die vom Waren-, Geld- und Kapitalfetisch reichlich getrübt sind. Debord denkt die Darstellung der Totalitat der fetischistischen Warenwelt im Spektakel immer im Zusammenhang mit der politischen Gewalt, mit dem staatlichen Souverän: „Die verallgemeinerte Entzweiung des Spektakels ist untrennbar vom modernen Staat“. (S. 22) Debord konstatiert zwar eine Verselbständigung der Ökonomie vom bewussten Handeln der Menschen, aber eben keine Verselbständigung der Wirtschaft vom Staat in dem Sinne, dass der Staat wieder als positiv eingreifender Regulator angerufen werden könnte. Die spektakuläre Gesellschaft basiert zwar auf Verselbständigungen, aber gerade über diese Verselbständigungen konstituiert sie ihre Einheit. Debord reflektiert die notwendige Trennung der politischen Gewalt von der Ökonomie, die sie zu garantieren hat, ohne diese Gewalt positiv aufzuladen oder für völlig autonom zu erklären: „Wie die moderne Gesellschaft ist das Spektakel zugleich geeint und geteilt. Wie sie baut es seine Einheit auf der Zerrissenheit auf.“ (S. 45) Gegen das in der staatsfetischistischen Linken gängige Ausspielen vom freien Markt gegen den Staat richtet sich Debord mit dem Verweis auf die gegenseitige Abhängigkeit der beiden die gesellschaftliche Totalitat in der bürgerlichen Gesellschaft konstituierenden Instanzen: „Von jeder der beiden läßt sich sagen, dass sie die andere in der Gewalt hat. Sie einander gegenüberzustellen, zu unterscheiden, worin sie vernünftig und worin sie unvernünftig sind, ist absurd.“ (S. 204)