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Frauenorganisation zur Unterstützung der Flüchtlinge. In vierzehn Listen am Ende des Buches fasst die Autorin, die im Text viele individuelle Spuren von Flüchtlingen in den Akten sicherte, die aufgefundenen Namen von AkteurInnen und Opfern in spezifischen Gruppensituationen zusammen. Knapp über hundert Namen enthält die umfangreichste Liste der im KZ Jasenovac ermordeten ausländischen Flüchtlinge. Dieses Kompendium des Untergangs und Verbrechens dokumentiert — auf Basis der Akten-Recherchen — das gewaltsame Ende von Familien wie den Bühlers. Vater und Sohn kamen nach anderen Zwangsaufenthalten 1941 in Jasenovac zu Tode, wahrend Gattin und Mutter Paula Biihler aus dem Frauenkonzentrationslager Loborgrad in ein KZ „im Osten“ deportiert wurde. Spuren finden sich auch für ein Mitglied der aus dem „Archiv der Namen“’ bekannten Leobner Kaufmannsfamilie Werdisheim, die einschließlich der fünfjährigen Zwillinge auf getrennten Wegen ausgelöscht wurde. Auch Hinweise auf KZ-Odyssee und Ermordung von flüchtigen Mitgliedern des ,,Kladovo-Transports“* werden evident. Nur die letzte Liste, jene der aus den italienisch besetzten Zonen I und II nach Italien ausgeschifften Fliichtlinge, endet durchgangig tröstlich, mit den Worten „nach Bari evakuiert“. Darunter waren die Schriftsteller Franz "Theodor Csokor und Alexander Sacher-Masoch, die beide von Kor£ula nach Bari in Sicherheit gebracht wurden. Anna Maria Grünfelder konnte in arbeitsaufwendiger historiographischer Kleinarbeit in kroatischen und slowenischen Archivbeständen 973 Namen von verfolgten ausländischen Jüdinnen und Juden eruieren, die primär aus dem ehemaligen Österreich, aber auch aus Deutschland, der ehemaligen Ischechoslowakei und Polen kamen. Wiewohl sie Ausblicke in andere Teile Jugoslawiens gibt, fokussiert die Arbeit auf Kroatien und Slowenien, den beiden Hauptdestinationen der Flüchtlinge. Angesichts der gewaltigen Arbeit verblassen die Fehler, die offensichtlich dem Zeitdruck vor der Drucklegung geschuldet sind. So sind in einer Zwischenwelt-Rezension die zitierten „Zwischenwelten“ zu monieren. Anzumerken ist u.a., dass der angeführte amerikanische Journalist „Geyde“ der Engländer G.E.R. Gedye war. Der Diktion der Täter wird bei der „Lösung der Judenfrage“, wiewohl stets unter Anführungszeichen gesetzt, zu viel Raum eingeräumt. Die Arbeit der Autorin, die viele neue Antworten gibt, aber auch neue Fragen aufwirft, sollte in einem öffentlich unterstützten Forschungsprojekt auf die Archive Belgrads und Sarajewos, die wegen der ausschließlich privaten Finanzierung der bisherigen Recherchen außerhalb der Reichweite lagen, ausgedehnt, die eruierten Daten für die so wichtige DÖWDatenbank der Opfer der Shoa genutzt werden. Und dann sollten endlich die Schautafeln in der Gedenkstätte Jasenovac, die — wenigstens bis zum Mai 2013 — nur ein Opfer als „Austrian“ anführten, korrigiert werden. Helene Belndorfer Anna Maria Grünfelder: Von der Shoa eingeholt. Ausländische jüdische Flüchtlinge im ehemaligen Jugoslawien 1933-1945. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag 2013. 268 S. Euro 35,Als eine „antisemitische Fabrik“ bezeichnete Mihail Sebastian in seinen Tagebüchern 1935-1944 (die 2005 in deutscher Übersetzung von Edward Kanterian und Rainer Erb erschienen sind) das Rumänien dieser Zeit. Ausgiebig zitiert auch der Schweizer Historiker und Diplomat Simon Geissbühler den rumänischen Schriftsteller in seinem Mitte 2013 erschienenen Band „Blutiger Juli. Rumäniens Vernichtungskrieg und der vergessene Massenmord an den Juden 1941“. Die Zitate sind in deutscher Sprache (also in der oben erwähnten Übersetzung) abgedruckt, nicht in der Originalsprache Rumänisch. Um das Buch zu lesen, braucht man nämlich gute Englischkenntnisse, denn es wimmelt von englischen Zitaten, vor allem aus dem JTA Jewish News Archive (http://archive.jta.org/), das der Autor im Anhang unter „Ungedruckte Quellen“ anführt. Eine deutsche Fassung wäre auch in diesem Fall wünschenswert gewesen. Für den Autor ist das vorliegende Buch laut eigener Aussage „der (vorläufige) Schlusspunkt unter eine Serie von Publikationen zur rumänischen jüdischen Geschichte und zum jüdischen kulturellen Erbe in Rumänien, in der Bukowina und in der Republik Moldau. Im Gegensatz zu den drei vorherigen Büchern, die stark von Fotografien von jüdischen Friedhöfen und Synagogen lebten (...) hat diese Monografie einen wissenschaftlichen Anspruch.“ Das Buch wird diesem Anspruch auf jeden Fall gerecht, es ist ein mutiges Buch und es wäre angebracht, es auch in rumänischer Übersetzung auf den Markt zu bringen. Damit könnte es seinen von dem Autor in dem Kapitel „Zum Schluss“ erklärten Zweck erfüllen, nämlich: „Denn ein zentrales Ziel dieses Buches ist es, andere Forscherinnen und Forscher dazu anzuregen, sich mit dem Judenmord in der Nordbukowina und in Bessarabien zu beschäftigen.“ Anmerkungen 1 Anna Maria Grünfelder: Arbeitseinsatz für die Neuordnung Europas. Zivil- und ZwangsarbeiterInnen aus Jugoslawien in der „Ostmark“ 1938/411945. Wien 2010. 2 Alexander Klein: Zehn Jahre Flüchtlingshilfswerk in Jugoslawien (1933-1942), in: ZW 27. Jg. (2010), Nr. 1-2, 55-59. Gabriele Anderl und Erwin Köstler bearbeiteten das Schwerpunktthema „Exil in Jugoslawien“ in zwei ZW-Heften (zweites Heft - Nr. 4, Februar 2011). 3 Heimo Halbrainer: „Die Beförderung der Juden durch Schleich ist erwünscht, da wir ein Interesse daran haben, die Juden aus Deutschland wegzubekommen“. Josef Schleich — Ein „Judenschlepper“ an der Grenze zu Jugoslawien 1938 — 1941, in ZW 27. Jg., Nr. 4, Februar 2011), 32-40. 4 Albert Drach: „Z.Z.“ das ist die Zwischenzeit. Ein Protokoll. (2. Bd. der Werkausgabe in zehn Bänden, hg. von Wendelin Schmidt-Dengler unter Mitarbeit von Eva Schobel). Wien 2003. 5 Ljiljana Radoni¢: Krieg um die Erinnerung. Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards. (Campus Forschung 949). Frankfurt/M. 2010. — Dafür wurde der Politikwissenschafterin im Jänner 2014 der Mitterauer-Preis 2012 verliehen. 6 Walter Manoschek: Die Ermordung der Juden in Jugoslawien (ZW Nr. 1-2/2010), 62-67. 7 Heimo Halbrainer, Archiv der Namen, Ein papiernes Denkmal der NS-Opfer aus dem Bezirk Leoben. Graz 2013. 8 Gabriele Anderl, Walter Manoschek: Herta Eisler und der jüdische ‚Kladovo-Transport‘ auf dem Weg nach Palästina, in: Heimo Halbrainer (Hg.): Zwei Tage Zeit. Herta Reich und die Spuren jüdischen Lebens in Mürzzuschlag. Graz 1998, 38-64. Da Geissbühler immer wieder betont, dass der Holocaust in Rumänien wenig erforscht und vor allem nicht ins Bewusstsein gerückt ist, eröffnet sich auch ein Forschungsfeld für junge rumänische Historikerinnen und Historiker. Ein Tabu jedoch ist das Thema in Rumänien schon lange nicht mehr. So schrieb Cristian Cämpeanu in seinem Leitartikel „Domnia BARBARIEI in Romänia USL si a Antenei 3“ (Die Herrschaft der Barbarei im Rumänien der USL und der Antena 3) am 17. Januar 2014 in der Tageszeitung Romänia libera u.a.: „Auch Rumänien wurde nicht von Episoden verschont, in denen der entfesselte Hass der Bevölkerung furchtbare Verbrechen verübt hat (der Holocaust ist eine dieser Episoden, die ungenügend bekannt und ungenügend im Bewusstsein verankert ist, die kommunistischen Gräuel eine andere)“. Vier Tage danach, am 21. Januar 2014, brachte die Nachrichtensendung auf dem staatlichen Mai 2014 65