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Was auf den ersten Blick nur eine unter vielen autobiografischen Neuerscheinungen zu sein scheint, ist eine beinah filmreife und doch wahre Geschichte mit historischer Dimension. Da entdeckt die 38-jährige, in einem deutschen Kinderheim und dann bei Adoptiveltern aufgewachsene uneheliche Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers — die in Deutschland zur Schule ging und in Israel studierte — durch Zufall das Geheimnis ihrer Herkunft: Die ihr noch aus Kindertagen bekannte liebevolle Großmutter war die Witwe eines besonders sadistischen KZ-Kommandanten, dessen Foto über deren Bett hing und die ihn als Ehemann bis zuletzt verehrte. Die Enkelin, Jennifer Teege, erfuhr nun erst, dass dieser Großvater kein Kriegsopfer war — sondern der aus Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ bekannte KZ-Kommandant Amon Leopold Göth, 1946 in Polen verurteilt und gehängt. Das erschütterte sie bis ins Innerste, warf sie fast aus ihrer Lebensbahn. Sie versuchte Antworten zu finden auf die Frage: „Was muss das für ein Mensch sein, dem es Freude macht, andere unschuldige Menschen möglichst einfallsreich zu quälen und zu töten.“ Ihre gedanklichen und realen Reisen in die Vergangenheit ihrer Familiengeschichte, die Schilderung ihrer Erlebnisse und Eindrücke an historischen Stätten — wie beispielsweise der Gang durch das Wohnhaus des Kommandanten im damaligen Konzentrationslager Plaszöw bei Krakau, der Besuch der Gedenkstätte für die Opfer - überzeugen durch einen nachdenklichsachlichen Erzählgestus und erschließen Details der geschichtlichen Vorgänge. Das Leiden der Autorin an dieser auch für AuBenstehende erschütternden Familiengeschichte wird offensichtlich, öffnet aber gleichzeitig den Zugang für die komplizierte Thematik. Statt Wehleidigkeit dominieren Nachdenklichkeit und das wiedererwachende Selbstvertrauen der Autorin. Die Enkelin muss sich nicht unbedingt schuldig fühlen für die Untaten des Großvaters. Die Leser werden hoffentlich sensibilisiert für die Gefahr zunehmender neofaschistischer und antisemitischer Aktionen. Vom Wissen um historische Wahrheiten erhofft Jennifer Teege, dass sich solcherart mörderische Entwicklungen nicht wiederholen. Und der Part der Ko-Autorin? Sie hat die Autorin allseits begleitet und die kommentierenden Zwischentexte geschrieben, die auf unaufdringliche Weise die Hauptkapitel verbinden. Fotos von einst und jetzt, zuletzt von einer fast symbolhaften Begegnung mit Jugendlichen aus Israel an der Gedenkstätte für die Opfer vom KZ Plaszöw, ergänzen die Ausführungen. Im Anhang animieren die Hinweise auf Dokumentationen in Literatur, Film und Internet zur weitergehenden Beschäftigung mit dieser "Thematik. Und es sei noch auf eine ergänzende Neuerscheinung im Laika-Verlag Hamburg verwiesen, die das Geschehen im KZ Auschwitz aus Opfersicht schildert: Die „Erinnerungen“ von Esther Bejarano, die als Mitglied eines Mädchenorchesters das KZ überlebte. Amon Göth wurde am 11. Dezember 1908 in Wien geboren. Helga W. Schwarz Jennifer Teege, Nikola Sellmair: AMON. Mein Großvater hätte mich erschossen. Hamburg: Rowohlt 2013. 271. Der Film „Mädchen in Uniform“ (1931) mag vielen bekannt sein, seine Regisseurin Leontine Sagan hingegen ist nur wenigen ein Begriff. Und selbst der Film wird in der Erinnerung von seinem Remake aus dem Jahr 1958 (Regie: Ge£za von Radvänyi) verdrängt, bei dem immerhin so prominente Schauspielerinnen wie Lilli Palmer, Therese Giehse und Romy Schneider mitwirkten. Mit der deutschen Ubersetzung der 1996 erstmals in englischer Sprache veröffentlichten, auf Tagebücher und Aufzeichnungen zurückgreifenden Autobiographie, bietet sich nun eine leicht zugängliche Möglichkeit, die Lebensgeschichte einer Frau kennen zu lernen, deren Werk mehr als nur diesen einen Film zu bieten hat. Leontine Sagan kam am 13. Februar 1889 in Budapest als viertes Kind von Isidor und Emma Schlesinger zur Welt. Der Vater war als Kaufmann in Südafrika zu Wohlstand gekommen, und nachdem seine Geschäfte in der „Alten Heimat“ wenig glücklich verliefen, kehrte er nach zehn Jahren verarmt nach Südafrika zurück. Die Familie folgte ihm schließlich 1899, kurz vor Beginn des Burenkrieges; zu diesem Zeitpunkt war Leontine Sagan zehn Jahre alt und hatte ihre Kindheit noch im kaiserlichen Wien verbracht. Wie anders waren das Leben und die Landschaft in Südafrika — ein Abenteuer! Wohl in der Absicht, ihr eine gewisse Schulbildung zu ermöglichen, kehrte die Mutter mit der Jüngsten 1902 nach Wien zurück. Während des zweijährigen Wienaufenthaltes begann Sagan sich leidenschaftlich für Theater und Oper zu interessieren und beschloss, tief beeindruckt von der legendären „Nachtasyl“Inszenierung in Berlin, Schauspielerin zu werden. Doch zurück in Südafrika, musste sie zunächst den Vater, der inzwischen mit einem der Brüder eine kleine Essigfabrik gegründet hatte, im Büro unterstützen — und lernte daneben Französisch. Mehr Freiheiten gewährte ihr eine Stelle als Sekretärin im österreichischungarischen Konsulat, die Freizeit verbrachte sie mit Lesen und Ausgehen; Unterhaltung verschaffte auch die heimliche Beziehung mit dem österreichischen Konsul. Mit dem Theater kam Sagan nur mehr anlässlich diverser Gastspiele ausländischer "Iheatertruppen in Kontakt, ein eigenständiges Theaterleben in Südafrika existierte - im Gegensatz zu einem gut ausgebauten Netz von Kinos - nicht. Ein kleines Geldgeschenk zu ihrem 21. Geburtstag ermöglichte ihr, erneut nach Europa zu reisen, wo sie in Berlin an Max Reinhardts Schauspielschule vorsprach und mit der Ausbildung begann. Sagan liefert eine anschauliche, auch ironische Beschreibung des Lehrbetriebs und der meist viel jüngeren Kollegen. Bereits nach einem Jahr, für das damalige Verstandnis von Theaterausbildung durchaus ausreichend, erhielt sie einen Vertrag als ,,jugendliche Heldin und Salondame“ in Teplitz-Schönau; Engagements im Albert Theater, Dresden, und 1914 ein Engagement an der Neuen Wiener Bühne, wieder als „Salondame“, folgten. Die Hoffnung, durch Besuche des Burgtheaterstammtischs ein Engagement außerhalb ihres seichten Rollenfachs zu erreichen, erfüllte sich nicht, denn, wie sie lakonisch festhält, „mein jüdischer Stammbaum [war] viel zu rein, als dass mir ein solches Engagement geglückt wäre.“ Immerhin lernte sie dabei ihren späteren Mann, den Kunsthistoriker, Schriftsteller und Verleger Victor Fleischer kennen. 1916 ging sie an das Neue Theater in Frankfurt unter Arthur Hellmer, spater an das Schauspielhaus. In den nun folgenden zwölf Jahren in Frankfurt kam sie in Berührung mit dem Expressionismus — dem sie im Gegensatz zur österreichischen Dramatik eines Wildgans, aber auch eines Schnitzler - interessiert, wenngleich kritisch gegenüberstand. Sie begann zu unterrichten und als Regisseurin zu arbeiten. Ihr Mann baute seine Frankfurter Verlagsanstalt auf, die auf die Herausgabe von anspruchsvollen Kunstbänden spezialisiert war. 1926 übersiedelte das Ehepaar nach Berlin, wo die bis dahin gut Beschäftigte eher recht als schlecht mit Tourneetheater - immerhin mit Alexander Moissi — sowie Auftritten in einem englischsprachigen Theater iiber die Runden kam, bis ihr eines Tages von der Autorin Christa Winsloe das Stück „Gestern und Heute“ zugeschickt wurde, das nach einigen technischen Änderungen in ihrer Regie bei Victor Barnowsky herauskommen konnte. Daraufhin erhielt sie von Carl Froelich, dem Direktor der Deutschen Film Gemeinschaft, das Angebot, das Stück zu verfilmen — und dieser Film mit dem Titel „Mädchen in Uniform“ (1931) wurde ein großer Erfolg. Durch das Thema - lesbische Schwärmerei vor Mai2014 71