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Hochstimm durch seine Tätigkeit im Berliner Reisebüro schon einige Kenntnisse über Bolivien erworben hatte. Ein kleiner Hinweis zu Hochstimms Erwartungshaltung läßt sich aus einer Erinnerung Evas gewinnen. Sie erwähnt, daß die Eltern eine Dusche - eine einfache Konstruktion aus einem Tank, der mit warmem Wasser befüllt und per Zug an einem Ketterl bedient wurde, unter den einfach ein Lavoir gestellt wurde - aus dem Sommerhaus in Untertullnerbach mitgenommen hatten.* Für die meisten Flüchtlinge war Bolivien ein weniger erstrebenswertes Ziel als z.B. Argentinien, doch oft die einzige Möglichkeit, noch ein Visum zu erhalten. Die wirtschaftliche Lage in Bolivien war nach zwei Kriegen - zuletzt der Chaco-Krieg 1932-35 gegen Paraguay — und daraus resultierenden Gebietsverlusten angespannt, aufgrund von großen sozialen Ungleichheiten kam es immer wieder zu Unruhen. Die politische Lage zwischen 1930-52 war sehr instabil, die Präsidenten wechselten in rascher Folge.” Dazu kamen geographische und klimatische Bedingungen, die das Leben nicht unbedingt erleichterten. Der Aufenthalt in La Paz war aufgrund der Sechöhe von 3.800 m für viele gesundheitlich sehr belastend; die Städte in der Ebene hingegen waren schwül und heiß. Bis heute ist nicht sicher geklärt, wie viele Personen nach Bolivien emigrierten, die Gesamtanzahl dürfte zwischen 5000 und 10.000 liegen.“ Sie waren mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert, die zum Teil aus wirtschaftlichen Gründen verständlich erscheint.*' Dazu kamen ganz allgemein Vorurteile“ und auch antisemitische Tendenzen, wobei sowohl NS-Organisationen unter den bereits länger ansässigen Auslandsdeutschen, als auch die katholische Kirche eine Rolle spielten.“ Ob Hochstimm je selbst antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt war, bleibt offen; sicherlich hatte er etwas davon merken müssen, denn gerade in Cochabamba, wo er sich niedergelassen hatte, gab es entsprechende Vorfälle“, die eine über Wochen vergiftete Atmosphäre zur Folge hatten. Neue Existenz in Cochabamba Hochstimm hatte ein Büro aufgemacht. Er besorgte für Emigranten Drucksachen wie Visitenkarten, Rechnungsformulare und Geschäftspapier.‘” Zunächst übergab er die Aufträge einer Druckerei, die von einem Bolivianer geführt wurde. Bald jedoch besaß Felix Hochstimm selbst eine kleine Druckmaschine und fand kurz darauf die Gelegenheit, eine große zu erwerben. Felix Hochstimm hatte aber nicht nur den Bedarf für Drucksachen unter den Emigranten, die gerade dabei waren, Fuß zu fassen, erkannt.* Er scheint auch sonst ein ideenreicher Geschäftsmann gewesen zu sein: so ließ er am Hauptplatz von Cochabamba einen Kiosk errichten, der auf einem quadratischen Grundriß mit Pyramidendach mit Wänden aus Glasscheiben ausgestattet war. Diese Scheiben konnten hinaufgeschoben werden, auf ihnen wurden diverse kleine Plakate mit Ankündigungen und Reklamebotschaften angebracht. Hochstimm vermietete jedoch nicht nur diese Werbeflächen, sondern zeichnete — wie auch die Tochter Susi — die entsprechenden Plakate. Dieser Kiosk war sehr erfolgreich und scheint eine kleine Sensation gewesen zu sein, wohl auch, weil der Kiosk in der Nacht beleuchtet war.” In dieser Anfangszeit dürfte es auch bald dazu gekommen sein, 14 ZWISCHENWELT Von Felix Hochstimm gestaltetes Exlibris daß Aufträge zum Buchdruck hereinkamen - in der Erinnerung von Eva war das erste Buch der Druckerei Atlantic eines, das ein Literat anfertigen ließ; Hochstimm fertigte dazu Zeichnungen an. Eine erste Suche in Online-Katalogen bezeugt die Herstellung von Gedichtbänden und Belletristik, eines Tagungsberichts einer in Cochabamba abgehaltenen Landwirtschafts-Konferenz, als auch einer Festschrift der „Comunidad Israelita de Cochabamba“.* Es wäre also interessant, der Frage nachzugehen, was genau von der Edition Atlantic gedruckt bzw. herausgegeben wurde; nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage, ob Hochstimm weitere Werke illustriert hat. Im Lauf der Jahre kamen weitere, noch größere Maschinen dazu, Eva hat in Erinnerung, daß der Druck der Zeitung „Der Illimani“ (wohl „Rundschau von Illimani“) übernommen wurde, der Herausgeber, ein Deutscher, soll Hochstimms Kompagnon geworden sein. Als dieser mit Frau und Sohn nach Deutschland zurückkehrte, scheint Hochstimm neben dem Druck auch die Herausgabe der Rundschau übernommen zu haben.“ Diese Angabe läßt sich zumindest teilweise belegen: Ernst Schumacher, Gründer und Herausgeber, verkaufte die Rundschau 1947, um vom Erlös die Reise seiner Familie nach Deutschland finanzieren zu können.’ Hochstimm war auch in einer österreichischen Exilgesellschaft engagiert’!: 1942 war er zweiter Obmann der Federaciön Austriacos Libres — FAL”, hielt anläßlich einer Generalversammlung (16. Juli 1942) einen einleitenden Vortrag zum politischen Diskussionsabend® ; spater war er Präsident der FAL Cochabamba.” Rolle und Tätigkeit von Hochstimm sind noch ungeklärt, eine Geschichte der FAL allgemein, und besonders der Gruppe in Cochabamba, steht aus.” Sicher ist, daß die FAL in der ersten Zeit als konservativ-legitimistisch einzustufen ist, ab 1942 aber überparteilich ausgerichtet war.‘ In Cochabamba scheinen alle dort ansässigen österreichischen Emigranten der Vereinigung angehört zu haben” ; laut Mitteilungsblatt waren dies circa 180 Personen.”