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absolvieren. Es waren die Schulungen zur Lederverarbeitung, zur Schneiderei sowie zur Spielzeugherstellung - sie erinnert sich an die Anfertigung von Handschuhen, Gürteln und — besonders gerne — „Viecherln aus Wachstuch“.* Nach der Ankunft in Bolivien hat Eva beim Vater in der Druckerei mitgearbeitet — gleich am Anfang hat sie geholfen, eine schon damals alte Maschine wieder betriebsbereit zu machen, für die Erneuerung der Walze hat man stundenlang Gummi und Honig verkocht.” 1943 heiratete sie den aus Wien stammenden Walter Kornfeld.°° Eva lebte zeitweise auch nach der Hochzeit bei ihren Eltern, ihr Mann arbeitete als Chemiker für das Unternehmen Mauricio Hochschild®” - allerdings in Oruro, auf 3.700 m Sechöhe. Diese Höhe von Oruro war dem neugeborenen ersten Sohn alles andere als zuträglich. Eva kehrte zu den Eltern ins tiefer gelegene Cochabamba zurück, während sich ihr Mann um eine andere Stelle bemühte, er war zunächst in Brasilien und landete schließlich in Potosi (4 040m), ebenfalls in einem Hochschildlaboratorium.‘® Dort gab es eine Siedlung für die Angestellten, die Evaals luxuriös, aber sehr abgeschieden in Erinnerung hat, es gab eine Köchin, eine Wäscherin sowie ein Mädchen für alles.” Nach nur drei Monaten zog sie aber (nun als Mutter von inzwischen zwei Söhnen) erneut zu den Eltern zurück und arbeitete wieder beim Vater in der Druckerei. Eva hat nicht nur beim Aufbau und Herrichten der Anfangszeit viel gelernt - wie zum Beispiel das Setzen — sondern dann auch eine Lithographenausbildung gemacht. Zwar war das laut Eva in Zeiten, als offset schon gebräuchlich war, etwas altmodisch, aber ein hervorragender Grundstock für Evas Tätigkeit in der Druckbranche. Susi war damals schon länger in Buenos Aires und drängte die Schwester, nachzukommen.” 1953 bekam Eva, mittlerweile geschieden, die Bewilligung, nach Argentinien einzuwandern, allerdings mit einer Einschränkung: sie durfte sich nicht in Buenos Aires niederlassen, sondern sollte aufs Land ziehen. Voraussetzung war zudem, daß sie von jemandem angestellt wurde.?' Hier konnte die Schwester Susi weiterhelfen; zunächst verschaffte sie ihr eine Stelle als Hausangestellte bei einer Arbeitskollegin, die ein großes Landhaus besaß; und bald darauf konnte Eva eine Stelle im Verlag Abril antreten, die ausreichend gut bezahlt war, sodaß sie sich und die beiden Söhne erhalten konnte.” 1954 heiratete sie Kurt Ham”, der eine Offsetdruckerei besaß.?* Sie half ihm dort einige Zeit, bis das Geschäft so gut etabliert war, daß ihre Mitarbeit nicht mehr notwendig war (beziehungsweise: er sich Angestellte leisten konnte?) Eva konnte nun über mehr Zeit verfügen und nutzte dies, um Keramikunterricht zu nehmen.” Bis 1965 studierte sie an der Escuela de bellas Artes y Arte Cerdmico bei Leo Tavella.”° Ab 1965 bestritt sie Ausstellungen sowohl in Argentinien als auch im Ausland — zum Beispiel 1968 in Israel, 1976 in Italien?” Eva kaufte sich bald einen Keramikofen und hatte selbst Schüler und Schülerinnen, ihre erste wurde die Frau von Evas jüngerem Sohn Claudio, der mit Hilfe seiner Tante ebenfalls Arbeit im Verlag Abril gefunden hatte und zudem begonnen hatte, Skulpturen zu machen.?® Auch Eva begann wieder im Verlag (Abril) zu arbeiten, wie früher als Umbrecherin”, ab 1973 nahm sie Unterricht im Flötenspiel 100 und auf Anregung der Lehrerin im Chorgesang. Der ältere Sohn Tommy arbeitete in einer kleinen Druckerei 16 _ZWISCHENWELT und dürfte ein begabter Maler gewesen sein. Im Februar 1977 verschwand er bzw. wurde er aus der Wohnung verschleppt'”' — wahrscheinlich, weil er „in einer linken Jugendbewegung“ gewesen war.'” Die Familie suchte nach ihm, bis sich Eva durch ihre Nachforschungen selbst in Gefahr brachte und ernstzunehmende Drohungen — durchaus auch antisemitische - erhielt.'” Die Familie beschloß, daß sich Eva zu den Verwandten in Wien in Sicherheit bringen sollte, und so kehrte sie 1978 nach Österreich zurück. Die erste Zeit verbrachte sie bei ihrer ’Iante Nini in der alten Wohnung!”‘, eine entfernte Verwandte (Eva, Frau des Schauspielers Mario Kranz, der ein angeheirateter Cousin war”) konnte ihr Arbeitsmöglichkeiten vermitteln; eine Zeit lang war Eva auch im gewohnten Beruf tätig und hatte den Umbruch einer Zeitung über!" ; zuletzt war sie Dekorateurin im Kaufhaus Gerngross, eine Arbeit, die ihr viel Spaß gemacht haben muß. !” 1981 kehrte Eva nach Buenos Aires zurück; in den letzten Jahren hatte sie kein Atelier mehr und auch keine Keramik-, wohl aber Musikschiiler. Ein Retour nach Osterreich stand fiir die Familie Hochstimm niemals zur Debatte — vor allem die Mutter war strikt dagegen, obwohl sie öfter in Europa war: Sie hielt sich gerne in Triest auf und ließ sich dort von den Wiener Verwandten besuchen.!”® Felix Hochstimm hingegen dürfte häufig in Österreich gewesen sein, für Eva war Österreich in den Jahren der argentinischen Militärdiktatur zum Exilland geworden, sie hat es erst in dieser Zeit durch Ausflüge und Reisen richtig kennengelernt.!” Susi hat den Vater bei den Reisen — die nicht zuletzt dazu dienten, die exilierte Tochter zu besuchen - begleiter.!! Für diese Reisen stellte Felix Hochstimm ein Programm zusammen. !!! Eva hält fest, wie dicht gedrängt diese Planung war und kommt dabei zu einer Einschätzung des Lebens ihres Vaters: Aber mein Vater wollte alles ganz rasch noch in sich hineinessen, er konnte keine Zeit mehr verlieren, und ich glaube er hat doch im Großen und Ganzen so gelebt wie er wollte, bis auf einige Jahre Schwierigkeiten, aber ich glaube schon dass er es richtig gemacht hat für sich.” Anmerkungen 1 Ludwig Popper, Bolivien für Gringos, Oberwart: Ed. Lex Liszt 12, 2005; Lutz Elija Popper (Hrsg.), Briefe aus einer versinkenden Welt, Oberwart: Ed. Lex Liszt 12, 2008; Leo Spitzer, Hotel Bolivia. Auf den Spuren der Erinnerung an eine Zuflucht vor dem Nationalsozialismus (Österreichische Exilbibliothek im Picus Verlag, hg. Ursula Seeber,) Wien: Picus 2003. 2 V. Pfolz, WienMuseum Exlibris, in: Mitteilungen der Osterreichischen Exlibrisgesellschaft N.F, 66. Jhg., Nr 3, Dez. 2011, 3. 3 Eine Auseinandersetzung mit den Exlibris und den Eignern erfolgt gesondert und soll im Jahrbuch der Osterreichischen Exlibris-Gesellschaft erscheinen. 4 Susanne Blumesberger, Aber Mensch bin ich geblieben — Ein Portrait der vielseitigen Kiinstlerin Mimi Grossberg, in: Mimi Grossberg (1905 — 1997): Pionierin — Mentorin — Networkerin. Ein Leben zwischen Wien und New York, Biografia 5, praesens Verlag Wien, 13 — 49, 22. 5 Ich danke Frau Alicia Todesca, Osterreichische Botschaft, Buenos Aires. 6 Ich danke Dr. Ursula Seeber und MMag. Veronika Zwerger. 7 Vgl. Geburtsschein: Rabbinat d. israelit. Kultusgemeinde Mährisch-Ostrau (Geburtsmatriken I, fol. 194 Nr. 962), Archiv der Uni Wien, Hochstimm Felix, PN 2881. Er war vor dem 1.11.1918 in Czechowitz, Bezirk Bielitz, Land Schlesien, heimatberechtigt, seit 1920 in Wien, die österreichische Staatsbürgerschaft erlangte er am 11.1. 1921. Vgl. ÖStA, AdR, Kriegsarchiv, Grundbuchblatt Kt. 1182, Felix Hochstimm. Ansuchen um Militärdienstbestätigung, 1938. 8 Archiv der Uni Wien, wie Anm. 7:— 1898/99 begann er am Staatsgymnasium