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— Funktionen der Kunsttherapie, die auch Edith Kramer in ihrem späteren Schaffen immer wieder betonte. Im Herbst 1944 wurde Friedl Dicker dann allerdings von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert — Theresienstadt wurde erst im Mai 1945 von der Roten Armee befreit — und dort ermordet (Pavel Brandeis überlebte) .'? Edith Kramer gelang es in der zweiten Hälfte des Jahres 1938 von Prag aus über Polen und die Freistadt Danzig nach England zu flüchten, wohin ihr Vater bereits im Frühjahr 1938 nach dem „Anschluß“ Österreichs entkommen war (ihr Onkel Theodor emigrierte im Juli 1939 ebenfalls nach England, um dann allerdings dort zu bleiben!”). Noch im selben Jahr reiste sie weiter in die USA - ihr Vater folgte 1940 - und wurde in New York seßhaft.” Dort befanden sich bereits ihre Tanten Helene und Elisabeth; ihren Großeltern mütterlicherseits gelang es letztendlich ebenfalls, noch im letzten Augenblick aus Österreich zu entkommen. ?' Die Großmutter väterlicherseits schaffte die Flucht jedoch nicht mehr; sie starb Anfang 1943 im Ghettolager Theresienstadt.” Die Tanten und ihr Vater (als fliegender Händler) schlugen sich in New York zunächst mehr schlecht als recht durch. Richard Kramer heiratete 1943 erneut (Grete Wertheimer); Edith Kramer kam allerdings mit der Stiefmutter nicht zurecht und wohnte von Beginn an getrennt in Greenwich Village (ab dem Jahre 1953: 80 Delancey Street in der Lower Eastside von Manhattan). [hr Vater griindete mit einem Kompagnon in den frithen 40er-Jahren in Yorkville — dem Stadtteil von New York, wo sich, abgesehen von Washington Heights, die meisten deutschsprachigen Emigranten niedergelassen hatten — ein Süßwarengeschäft, die sogenannte Elk Candy Co., auch „Ihe Marzipan Shop“ genannt (1628 2nd Ave, zwischen 84th u. 85th Street; es existierte bis zum Jahre 2006), Das EDITH KRAMER SYMPOSIUM CURHAUS, Stephansplatz 3, 1010 Wien Sonderausstellung „EDITH KRAMER“ Galerie Kovacek, Spiegelgasse 12, 1010 Wien 6. — 8. Oktober 2014 „Mutter der Kunsttherapie“ - Edith Kramer war eine österreichische Kunsttherapeutin und Künstlerin, die 1938 als Jüdin aus Österreich fliehen musste. In den USA gründete sie die psychoanalytische Kunsttherapie, ihr Verdienst gilt besonders der therapeutischen Arbeit mit Kindern in der Bronx/New York. Heuer im Februar ist Edith Kramer im Alter von 97 Jahren verstorben. Ihr zu Ehren findet von 6.-8. Oktober 2014 ein Symposium statt. Bei der Ausstellungseröffnung am 6. Oktober hat man die Gelegenheit die Werke von Edith Kramer in der Galerie Kovacek zu besichtigen. Im schönen Ambiente von Curhaus in der Wiener Innenstadt werden am 7. und 8. Oktober zahlreiche prominente WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen aus mehreren Ländern mit Vorträgen, Workshops und musikalischen Darbietungen zum Programm beitragen. Details zum Internationalen Edith Kramer Symposium sind unter: johannaknappl@gmail.com zu erfragen. Der Anmeldeschluss ist 1. Oktober 2014. 20 ZWISCHENWELT das florierte. Edith Kramer mietete in den 70er-Jahren (nach dem Tode ihres Vaters) zunächst ein Studio (95 Vandam Street, Apt. 3F) in Greenwich Village (Tribeka) und erwarb dieses letztendlich in den I0er-Jahren käuflich aus dem Erlös des väterlichen Ladens, wo sie — nachdem sie ihre eigentliche Wohnung in der Delancey Street nach der Jahrtausendwende aus Altersgründen aufgegeben hatte — bis 2007 residierte (den Rest ihres Lebensabends verbrachte sie in Österreich). Edith Kramers erster Job war in einer in Greenwich Village (Bleecker Street) gelegenen Schule, „The Little Red School House“ (eine so genannte progressive school, 1921 gegründet), wo sie drei Jahre lang (1939 — 1941) als „shop teacher“”* erstmals ihre in Wien und Prag erworbenen fortschrittlichen Erziehungsmethoden anwenden konnte.” Von 1942 bis 1944 arbeitete sie sodann als Maschinistin in einer Werkzeugfabrik in Lower Manhattan (Grand Street) für die US-Kriegsindustrie, wobei es ihr in ihrer Freizeit nach Arbeitsschluß immer wieder gelang, eindrucksvolle Skizzen von ihren männlichen Mitarbeitern und deren Werkzeugmaschinen zu erstellen.*° 1943 hatte sie dann, in kleinem Rahmen, ihre erste Ausstellung in der New York Public Library.” Während dieser Zeit lebte sie in einer Wohngemeinschaft in der East 33rd Street in Lower Manhattan. 1945 — direkt nach Kriegsende - zog sie vorübergehend nach Kalifornien (Hollywood), wo sie bei ihrer Tante Lisel lebte, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem berühmten Autor und Filmemacher Berthold Viertel (1885 — 1953) liiert war. 1947 unternahm sie (s.u.) eine anderthalbjahrige Europa-Reise, die sie u.a. durch ganz Frankreich führte”. 1949 kehrte sie nach New York zurück. Da es zu diesem Zeitpunkt — Anfang der 50er-Jahre — noch nicht möglich war, die Sommer in Grundlsee zu verbringen”, zog es Edith nach Maine, wo sie an der Küste und auch auf den Cranberry Isles” malte. New York wurde Fdith Kramers zweite Heimat; hunderte von Bildern aus über einem halben Jahrhundert, von denen viele vor nicht allzu langer Zeit von der Wiener Galerie Kovacek angekauft und ausgestellt wurden (Mai/Juni 2006), legen davon Zeugnis ab. Ihre eigentliche Karriere als Kunsttherapeutin, insbesondere im Zusammenhang mit Jugendlichen, begann 1950 mit einem Lehrauftragan der Wiltwyck School for Boys in Esopus, am Oberlauf des Hudson im Bundesstaat New York, wo seit 1936 schwierige und sozial benachteiligte Kinder aufgenommen und psychologisch behandelt wurden. Ziel der Schule war es, die Kinder in die Gesellschaft zu reintegrieren, was allerdings nur äußerst selten gelang.*' Keine Geringere als Eleanor Roosevelt, die Gattin des amerikanischen Präsidenten, unterstützte dieses Unternehmen seit 1942 tatkräftig. Edith Kramer arbeitete (Teilzeit: drei Tage & zwei Nächte”) bis 1957 an dieser Anstalt, während eines Zeitraumes, als speziell psychisch gestörte afroamerikanische Kinder im Alter von acht bis zwölf aus den Slums von New York City (besonders aus Harlem und Hells Kitchen) dort eingewiesen wurden.” Damaliger Leiter der Anstalt war der aus Wien stammende Pädagoge Ernst Papanek (1900 — 1973)°‘, der sich bei seinen vorgesetzten Behörden erfolgreich dafür einsetzte, daß Edith Kramer an der Wiltwyck School ihren „kunsttherapeutischen“ Ansatz praktizieren durfte, dessen Resultate 1958” in eine wissenschaftliche Arbeit des Titels Art Therapy in a Childrens Community einflossen.°° Ein typisches Beispiel für den Stand ihrer damaligen Erkenntnisse in der Arbeit mit unterprivilegierten Jugendlichen ist folgender Auszug aus einem wissenschaftlichen Beitrag im Bulletin for Art Therapy aus dem Jahre 1961: