OCR
verlassen die großdeutschen Minister die Regierung, Schober tritt am 26. Jänner 1922 zurück. Von 1921 bis 1935 ist die „Russische Hilfsaktion“ („Hilfsaktion der CSR für die russische und ukrainische Emigration und die hungerleidende Bevölkerung in Russland“) in der CSR tätig. Emigration aus dem Deutschen Reich und Österreich bis 1938 30. Jänner 1933: Nach der NS-Machtergreifung in Deutschland verkünden die Deutsche Nationalpartei (DNP) und die Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) in der CSR, die Angliederung der sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich anzustreben. Daraufhin werden sie verboten. Nach Hitlers Machtantritt kommen Flüchtlinge aus Deutschland über die tschechoslowakische Grenze. Die Einreise ist ohne Visum möglich. SA-Einheiten und NS-Kampftrupps dringen auf das Gebiet der CSR vor, um der Flüchtlinge habhaft zu werden und sie einzuschüchtern. 1. März 1933: Die Grenzorgane werden durch das CSRInnenministerium angewiesen, „den Grenzübertritt von Personen ..., die als kommunistische Exponenten bekannt sind, zu verwehren ... Die Einreise ähnlicher destruktiver Elemente ist als unvereinbar mit den Sicherheitsinteressen des Staates anzusehen.“ Um das faschistische Nachbarregime nicht zu verärgern, wird auch über linke österreichische Flüchtlinge ein Einreiseverbot verhängt. Dennoch gelangen kommunistische Flüchtlinge weiter in die CSR, ohne ausgewiesen zu werden. Die Behörden führen Ausweisungen und Auslieferungen nicht konsequent durch. Ab April/Mai 1933 bauen oppositionelle Organisationen in der CSR Unterstiitzungsstrukturen fiir Flüchtlinge auf (Jüdisches Hilfskomitee— später HICEM; Sozialdemokratische Flüchtlingsfürsorge, Hilfskomitee des Einheitsverbandes der Privatangestellten — „Klein-Komitee“, Hilfskomitee für Flüchtlinge — „Salda-Komitee“ und die „Demokratische Flüchtlingsfürsorge“, gegründet durch David Grossmann und auf Empfehlung der Liga für Menschenrechte, die angeregt von Edvard Bene seit 1929 einen Sitz in Prag hat). Der Völkerbund-Hochkommissar für Flüchtlinge aus Deutschland befördert ab 1933 den Zusammenschluss der großen Komitees zum Dachverband „Comite National“ (Vorsitz ab 1936: Marie Smolka). Kulturklubs, Diskussionszirkel und Theater entstehen ab 1934 (Tschechisch-Deutscher Bühnenclub, Bert-Brecht-Klub, in Kooperation mit der tschechischen Sozialdemokratie „Der neue Klub“; unter dem Namen „Studio 34“ wird bei der tschechischen Avantgardebühne „D 34“ ein deutsches Emigrantentheater eingerichtet; 1935 wird ein Klub tschechisch-deutscher Theaterschaffender gegriindet). 1936 kommt es zur Gründung einer Thomas-Mann-Gesellschaft zur Unterstützung der aus NS-Deutschland vertriebenen Schriftsteller, initiiert von den Flüchtlingen Friedrich Burschell und Frank Warschauer, Schirmherren sind Heinrich Mann, Arnold Zweig und Lion Feuchtwanger, Thomas Mann leiht seinen Namen, Spendenaktionen laufen in ganz Europa. Ebenso wird der Oskar-Kokoschka-Bund für bildende Künstler und Schauspieler 1936 ins Leben gerufen, der u.a. von Josef Capek, Otokar Fischer, Adolf Hoffmeister, Egon Erwin Kisch und Frantisek Zelenka unterstützt wird; zu den Gründungsmitgliedern gehören nach Prag geflüchtete Künstler wie Johannes Wüsten, Theo Balden und John Heartfield (der auch die Galerie Mänes in Prag betreibt). Ein breites Spektrum an in Prag etablierten Exil-Verlagen bietet Publikationsmöglichkeiten für Emigranten. So leitet Wieland Herzfelde bis 1938 in Prag den Malik-Verlag, entfaltet Willi Münzenberg im Rahmen der Internationalen Arbeiterhilfe eine rege Verlags- und Zeitschriften-Aktivität. Zudem existiert eine beachtliche Exilpresse: Der Simplicus erscheint wöchentlich in Prag vom 25. Jänner bis 13. September 1934, hg. von Franz Bidlo, österreichische MitarbeiterInnen sind u.a. Eugen Höflich, Anton Kuh, Alfred Polgar und Hugo Sonnenschein; Nachfolgezeitschrift ist bis 4. Juli 1935 „Der Simpl“; die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung erscheint vom 25. März 1933 bis 12. August 1936 wöchentlich in Prag, Chefredakteur ist EC. Weiskopf, österreichische Mitarbeiter sind u.a. Bruno Frei, Hugo Huppert und Auguste Lazar; Die Neue Weltbühne erscheint vom 6. April 1933 bis 31. August 1939 wöchentlich als Fortsetzung der „Weltbühne“ (Berlin 1905-33) und der „Wiener Weltbühne“ (Wien, ab September 1932), faktisch bis Mai 1938 in Prag; Herausgeber ist Hermann Budzislawski; österreichische MitarbeiterInnen sind u.a. Ferdinand Bruckner, Fritz Brügel, Bruno Frei, Elisabeth Freundlich, Alfred Polgar, Hugo Sonnenschein, Berthold Viertel und Franz Werfel; Der Gegen-Angriff erscheint in Prag von Ende April 1933 bis Mitte März 1936 zuerst vierzehntägig, dann wöchentlich, Chefredakteur ist Bruno Frei, österreichische MitarbeiterInnen sind u.a. Bela Baläsz, Max Brod, Ernst Fischer und Hugo Huppert. Bis 1939 erscheinen in Prag zudem deutschsprachige Tageszeitungen, die zahlreiche Artikel von EmigrantInnen abdrucken: Prager Tagblatt, 1876-1939; Prager Presse, 1921-1939; Der Sozialdemokrat, Zentralorgan der DSAB 1925-1938; Deutsche VolksZeitung, Sprachrohr der deutschsprachigen Kommunisten in der CSR. Zunahme der Repression gegen linke Organisationen bei gleichzeitiger Formierung neuer rechter Gruppierungen 27. Juni 1933: Die KPO wird von der Regierung Dollfu in Österreich verboten; mit ihr „Die Rote Fahne. Zentralorgan der Kommunistischen Partei Österreichs (Sektion der Kommunistischen Internationale)“. Sie erscheint nun vierzehntägig bis März 1938 in Prag und wird illegal in Österreich verbreitet. Am 1. Oktober 1933 wird die Sudetendeutsche Heimatfront (SHF) durch den Turnlehrer Konrad Henlein gegründet. Nach Ausbruch der Februarkämpfe in Österreich reist Otto Bauer am 13. Februar 1934 mit Hilfe sudetendeutscher Sozialdemokraten nach Preßburg/Bratislava. Auch Julius Deutsch kommt am 14. Februar 1934 mit Hilfe der tschechoslowakischen Gesandtschaft nach Preßburg. Das Auslandsbüro Österreichischer Sozialdemokraten (ALÖS) wird am 15. Februar 1934 in Brünn/ Brno gegründet, die Konsumgenossenschaft „V£ela“ und der Brünner Stadtrat Wenzel Kovanda stellen Räume zur Verfügung. Die „Arbeiter-Zeitung. Organ der österreichischen Sozialdemokratie“ (AZ) erscheint vom 25. Februar 1934 bis zum 22. November 1936 wöchentlich in Brünn bei der Druck- und Verlagsanstalt Graphia in Karlsbad/Karlovy Vary. MitarbeiterInnen: Fritz Brügel, Hugo Sonnenschein, Ernst Fischer, Erich Freudmann, Josef Hofbauer, Paula Wallisch, Max Winter u.a. Das theoretische Organ der österreichischen Sozialdemokratie „Der Kampf“ erscheint vom Mai 1934 bis April 1938 monatlich in Prag. August 2014 43