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‚Ein toter Name, ein geliebter Ort.‘“'® Krommer ist Lyrikerin, Erzählerin und Essayistin. Sie debütierte mit dem schmalen Bändchen Galiläa (Wien 1955), in dem sie 27 Lieder einer Siedlung (so der Untertitel) bündelt. Gemeinsam ist ihnen das Land der Entstehung, Israel, das die Dichterin besingt. Doch die Hoffnung auf eine Wahlheimat mit einem Leben ohne Bedrängnis wurde nicht erfüllt, denn beide Versuche, in diesem Land Fuß zu fassen — 1949 wanderte Krommer illegal ein, um sich der Haganah anzuschließen, wurde aber als Frau nicht mehr benötigt, und 1951, als ihr Verlobter wenige Tage vor ihrer Ankunft ertrunken war - sind letztendlich doch gescheitert. Künsderischen Ausdruck fand dieses für Krommer entscheidende, lebensverändernde, traurige Ereignis in der 1999 veröffentlichten längeren autobiographischen Erzählung Wo die Straße endet (Mnemosyne 25, Klagenfurt 1999), eines der eindrucksvollsten Prosastücke der slowakeideutschen Literatur schlechthin. Und so wird in den Gedichten aus Galiläa „Abschied genommen von einer erhofften, aber bereits gescheiterten Zukunft, während die Trauer Versöhnung in einem die Religionen vermittelnden übergeordneten Kosmos sucht. Die Gemeinschaft der Juden im Kibbuz ist eine Gemeinschaft der Überlebenden der Shoah. K[rommer]s Vision zielt, bei aller Härte und Primitivität der geschilderten Lebensumstände, auf ein freies Leben zwischen Beduinen, arabischen Bauern und Händlern und jüdischen Siedlern.“'' Zu den gelungensten Gedichten dieses Buches gehören Galiläa, Die Erbschaft, Bet Olin, Mädchenträume, Am See [Genesareth], Auferstehung und das schr gelungene Der alte Koffer (S. 19), ein Motiv, das sich als Leitfaden durch das ganze Schaffen Krommers zieht: Der alte Koffer steht noch hinterm Schrank, Ich weifs, dass er verrostet und zerfallt, Doch ohne ihn ist mir das Zimmer bang, Der Koffer reiste mit mir durch die Welt. Der alte Koffer steht noch hinterm Schrank, Er hielt mein ganzes Gut, jetzt ist er leer. Ich öffne ihn, wird mir die Zeit zu lang, Denn wo der Koffer herkommt, komm ich her. Den alten Koffer brachte ich zur Tür; Der Bursche trug ihn fort mit dem anderen Müll. Und mit dem Koffer ging ein Teil von mir; Das Zimmer wurde fremd und kalt und still. Mit diesem Gedicht hat Krommer eines der eindrucksvollsten Vertriebenengedichte niedergeschrieben. Das Motiv des Koffers, stellvertretend fiir den Heimatverlust, das Wechselnmiissen von Orten und Landern, ftir das rastlose Umherirren in der Welt auf der Suche nach einer ruhigen Heimat, in der man in Wiirde leben, aber auch sterben kann, wurde hier von der Autorin meisterhaft verwendet. Den Stellenwert, den die Todesfuge in Celans Werk einnimmt, nimmt Der alte Koffer in Krommers Dichtung ein. Spiegelungen (Wien 1971) bringen 30 Lyrische Gedichte, typisch fiir das ganze Schaffen Krommers: Melancholie und Trauer sind die Grund-Wesenszüge ihrer Dichtung, düstere Texte, die jedoch trotzdem einer gewissen Schönheit nicht entbehren. Die Dichterin hat im Leben Schweres mit- und durchgemacht, was sich in ihrer Dichtung niederschlägt, auch in der Lexik. Oft reflektierte Worte in ihren meist Gedanken- und Naturlyrik beinhaltenden Versen 56 ZWISCHENWELT sind die lexikalische Einheit Dunkel (in allen Schattierungen: als Adjektiv, Substantiv und Variationen: Dunkelung, Dunkelheit, Finsternis, Dämmerung, „Dunkelzug“). Dass das Dunkle und die Nacht bei einem Dichter zugleich als Metapher für Tod, Bedrohung, nicht erfülltes oder schweres Leben — als Krankheit der Gesellschaft — stehen, und Licht als Metapher für Leben, ist offensichtlich. In jedem ihrer Texte ist die Trauer zum Mittelpunkt erhoben. Die Nacht (Winterste Nacht, S. 22, Nacht der Nacht, S. 23) und das Licht sind „Die Tränen der Erde“ (Auferstehung, S. 25). Und immer wieder die Metapher der Sterne — als Symbol unstillbarer Sehnsucht — und der Tod und das Licht. Es sind Gedichte über Angst, Einsamkeit, Tod (S. 30), über Werden und Vergehen, Leben und Tod. Doch die Dichterin verbreitet nicht reinen Pessimismus, sondern es ist auch Hoffnung zugegen: so in Irgendwo ($S. 30). Es sind düstere, doch zugleich schöne und kluge, weil lebenserprobte Bilder einer talentierten Malerin und Dichterin, deren Metaphorik Stimmungsbilder hervorruft, deren Reiz sich der Rezipient nicht entziehen kann. In den letzten vier Jahrzehnten entstanden weitere drei Gedichtsammlungen. Als Staub von Städten. Ausgewählte Gedichte (Wien 1995) liegt nun eine Auswahl vor, in der sich die Autorin mit ihrer neuen Heimat Amerika auseinandersetzt, vor allem mit der heterogenen Kultur des Landes, wobei ihr „die Unzugehörigkeit zum Schreibmotiv [wird]. Die deutschsprachige, aus Mitteleuropa stammende Autorin entwickelt neue lyrische Verfahrensweisen und Strategien des Verstehens — vergleichbar den Texten der schwarzafrikanischen Kulturbewegung ‚Harlem Renaissance‘: In verknappter Sprache, wie ein mit energischen Strichen gemaltes Bild, entwirft sie ein bedrohliches, Menschen zugrunderichtendes Stadtszenario mit Drogensüchtigen, Obdachlosen, Prostituierten, Raubmenschen. Eine impulsive Energie begleitet die fehlgegangenen Hoffnungen ‚an der Kreuzung der Träume,/ wo der Wegweiser fehlt‘, während die Ursachen des Scheiterns außerhalb von jeglicher faßbaren Subjektivität liegen, denn das Leben findet mit Ausnahme der Träume nicht auf der Ebene des einzelnen statt.“'* Die Neonlichter in ihren Amerikagedichten (New York) symbolisieren ja nur das pulsierende Leben Amerikas. Die einzige Prosa Krommers in Buchform ist die Erzählung Das Rattenhaus (Wien 1976). Auch in dieser verregneten Novelle (wie sie der Verlag wohl aus kommerziellen Gründen bezeichnete; es ist nämlich cher eine längere Erzählung) überwiegen die Schattenseiten des Lebens: die Trauer und die Dunkelheit, um am Ende doch noch die Freude und das Licht zu Worte kommen zu lassen. Der Held der Erzählung, der amerikanische Kunstmaler Claudio Anderson, ist Sohn einer deutschen Dirne, die sich in einer deutschen Kleinstadt zunächst an Deutsche, dann, nach Kriegsende, an Amerikaner verkauft. Da sie den Sohn nicht ernähren und nicht richtig erziehen kann, übergibt sie ihn als Adoptivkind einem amerikanischen Offizier, der Claudio zu seiner kinderlosen Familie in die USA nimmt, wo er in guten Verhältnissen aufwächst, gute Schulen besucht und Kunstmaler wird. Kurz vor ihrem Tode schreibt seine leibliche Mutter aus dem Krankenhaus einen Abschiedsbrief an ihren Sohn nach Amerika und bittet ihn, die kleine Erbschaft, die sie in der ehemaligen Wohnung, im sogenannten Rattenhaus (Ratten beherrschen das heruntergekommene Gebäude), bei ihrer Nachfolgerin hinterlegt hat, anzutreten, was Claudio auch befolgt. In ihrer ehemaligen Wohnung trifft er eine junge schöne Prostituierte an, mit der er schläft und die ihm die Augen fürs wirkliche Leben öffnet. Er macht ihr schließlich einen Heiratsantrag, den sie jedoch abweist