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zutrifft.“ Daß dieser Vergleich nicht ganz unbegründet ist, zeigt ein Blick auf den Inhalt der beiden Romane: Sowohl Koestler als auch Brügel geht es um die Analyse der Mechanismen stalinistischer Machtausübung, um den Nachweis der Systemhaftigkeit des Terrors und um eine Anklage des stalinistischen Polizei- und Justizapparates. Steht bei Koestler jedoch der kommunistische Funktionär, der sich plötzlich im Konflikt mit der eigenen Partei befindet, im Mittelpunkt”, so bei Brügel eine Gruppe von demokratisch gesinnten Oppositionellen, die eine kommunistische Diktatur verhindern wollen. Brügels Roman beginnt mit einem politisch motivierten Attentat auf den Leiter der sogenannten Geheimabteilung, Robert Schemal. Schauplatz des Geschehens ist Prag im April des Jahres 1949, also ca. ein Jahr nach der kommunistischen Machtübernahme in der CSR. Begangen wird dieser Mord von zwei Akteuren einer Untergrundorganisation, die für die Wiedererrichtung eines demokratischen Rechtsstaates kämpft. Der eine, Miroslav Rybar, genannt Mirko, wird kurz nach dem Attentat von Staatspolizisten gestellt und sofort erschossen, der andere, Jan Horäk, ein paar Stunden später verhaftet, als er sich gerade mit einem engen Vertrauten aus der Organisation, Antonin Novotny, treffen wollte. Doch von Anfang an scheint etwas nicht zu stimmen. Wie Horäk noch vor seiner Verhaftung erfährt, wurden alle Mitglieder der Gruppe, bis auf Mirko, Antonin und ihn verhaftet. Josef Jablonsky, angeschener Universitätsdozent für Slawistik und Führer der oppositionellen Gruppe, war außerdem, wie Horäk von dessen Schwester Helena erfährt, nicht in den Attentatsplan eingeweiht. Noch vertraut Horäk seinem Freund Antonin, der im Verdacht steht, die Gruppe verraten zu haben. Im Gefängnis nehmen die Verhafteten mühsam Kontakt untereinander auf. Helena schaltet einen Rechtsanwalt, Dr. Kosek, ein. Kosek, ein alter Bekannter der Familie Jablonsky, ist einer der wenigen Rechtsanwälte Prags, der noch den Mut aufbringt, sich ernsthaft für die politischen Häftlinge einzusetzen. Als sich im Laufe der Recherche der Verdacht bestätigt, daß Antonin als Spitzel und Agent provocateur von den Kommunisten in die Gruppe eingeschleust wurde und so Horäk, der noch eine persönliche Rechnung mit Schemal offen hatte, ermuntern konnte, den in Ungnade gefallenen Leiter der Staatspolizei zu beseitigen, bleibt für Horäk, dessen Todesurteil bereits beschlossen ist, als letzte Genugtuung nur mehr, Antonins wahre Identität aufzudecken. Mit Hilfe Helenas, Koseks und seines französischen Onkels Jean Aubrey, der eigens aus Marseille anreist, um seinem Neffen beizustehen, gelingt schließlich dieses Unterfangen: Antonin wird unter seinem wirklichen Namen Pavel Schwetz, der durch den Mord an Schemal zum Leiter der Staatspolizei avancierte, enttarnt. Horäk schreibt nun sein Geständnis. Darin erwähnt er Schwetz und setzt so ein letztes Mal die Staatsmacht unter Druck. Um die Identität ihres Spitzels weiter geheimhalten zu können, muß sie nun von ihrem Vorhaben, einen medienwirksamen öffentlichen Prozeß gegen die Opposition zu führen, Abstand nehmen. Jablonsky und die anderen der Gruppe erwartet eine Gefängnisstrafe, Horäk wird ohne Gerichtsverfahren liquidiert. In der amtlichen Mitteilung ist zu lesen, daß er sich nach einem Geständnis selbst das Leben genommen habe. Die Handlung des Romans orientiert sich am Muster gängiger Agenten- und Politthriller (ein Attentat am Beginn der Handlung, die Verstrickung von Politik und Liebe, ein exotisch anmutender Schauplatz, blinde Motive, allmähliche Bestätigung der Verdachtsmomente etc.) und konfrontiert den Leser mit einem weit verzweigten Netz von Lebensschicksalen, die vom einfachen Arbeiter über einen angesehenen Universitätsdozenten bis hin zum skrupellosen Apparatschik reichen. Die Mächtigen im Land könnten jedoch nicht regieren, wenn sie sich nicht auf eine breite Basis von Opportunisten und Mitläufern, die sich um des eigenen Vorteils willen der Macht bedingungslos unterordnen, stützen könnten. Dieses Arrangieren mit der Macht wird im Roman Brügels am Beispiel des Hausmeisterehepaars Maly vor Augen geführt. Denunziantentum und Feigheit gehen hier eine gefährliche Symbiose ein. Wie zentral für Brügel die Figur des Hausmeisters Maly im Roman ist, zeigt die Tatsache, daß sowohl am Romananfang als auch am Romanende Herr Maly („dessen serviles Verhalten das Geschehen gleichsam einrahmt“”°) die Szenerie beherrscht: „» Was?“ staunte der Magistratsbeamte,,Sie wissen nicht, worum es geht? Ihr Mann soll doch zum Hausinspektor ernannt werden, und der Fragebogen ist nur eine Formsache, mehr oder weniger.‘,‚Das ist aber eine gute Nachricht‘, strahlte Frau Malä,,wenn Sie zum Kaffee kommen, wird auch Kuchen da sein. Heute werde ich meine Vorräte nicht schonen.‘ Schmunzelnd ging der Magistratsbeamte, nachdem er versprochen hatte, gegen vier Uhr wiederzukommen. Erst nach einer Weile sagte Frau Malä:,Mein Verdienst ist das, ganz allein mein Verdienst, wenn du zum Inspektor ernannt wirst. Mehr will ich nicht sagen, weil ich jetzt den Fragebogen ausfüllen muß.‘ Sie ging. Herr Maly wußte genau, was er täglich bis zu seines Lebens Ende werde anhören müssen. Resigniert zuckte er die Achseln. Dann blickte er auf die Uhr. Aufjeden Fall, fand er, war es Zeit, auf ein kleines Bier zu gehen. Auf dem Weg in das kleine Wirtshaus am Eck wurde er sich der neuen Würde bewußt, die ihm entgegendämmerte:,Herr Inspektor‘, sagte er halblaut vor sich hin.,Nein! Genosse Inspektor! das klingt auch gut.‘ Und damit war er bei seinem Wirtshaus angelangt.“ (S. 350). Das Romanende zeigt nicht nur das ironische Talent Brügels, der hier am Beispiel des Hausmeisters den politischen Opportunisten in seinem selbstzufriedenen Größenwahn vorführt, sondern ist gleichzeitig eine präzise Beschreibung dessen, worauf sich die Macht totalitärer Regime stützt: auf den Untertanengeist und auf den Egoismus der kleinen Leute, die vorgeben, nichts von der großen Politik zu verstehen. In Österreich wurde Brügels Roman völlig ignoriert. Erst nach seiner Wiederauflage im Jahr 1988 setzte sich die hiesige Literaturkritik mit diesem Werk auseinander. In der „Presse“ wurde er als „literarisch großartig gelungene[r] Bekenntnisroman eines Kenners damaliger Verhältnisse“ bezeichnet, wobei der Rezensent vor allem die „packende Story“ hervorhob.” Bei Hartmut Binder, der die Rezension für die „Neue Zürcher Zeitung“ verfaßte, wird Spannung und Unterhaltung schließlich zum ästhetischen Makel. Er reiht den Roman in die Kategorie „Trivialliteratur“ ein, wenn auch konzediert wird, daß „das Niveau guter Unterhaltung getroffen ist“. Von jenen Kritikern, die das literarische Niveau des Romans schon zu seinen Lebzeiten in Frage stellten, ließ sich Brügel nicht weiter irritieren. Vor allem aber konnte er sich einen Seitenhieb auf die deutsche Literaturwissenschaft nicht verkneifen: „Das Buch ist übrigens, wie alle Leute sagen, schr spannend. Im deutschen Geistesbereich/ dem ich trotz Deutschschreibens nicht angehöre/ glauben alle Literaturgeschichter, daß ein gutes Buch langweilig sein muß.“”® Zu seinem Roman äußerte er sich gegenüber Wanda Lanzer (1896 — 1980), Mitarbeiterin Brügels in der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Wiener Arbeiterkammer August 2014. 67