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der Plattform ab und nahmen im Wagon Platz. Bald kam der tschechische, zwangseingesetzte Schaffner, der sich an die Köchin wandte, die allerdings kein Tschechisch konnte. So versuchte Eva Wolf zu vermitteln und erfuhr, dass der Schaffner den Auftrag habe, jüdische Fahrgäste, die im Wagon Platz genommen hatten, hinauszuweisen. Es sei ihm schr unangenehm, aber er müsse ihr mitteilen, dass „diese Jüdin, die ja ein Paket nach Theresienstadt abgestellt hat“ — damit meinte er Anna Ulrich — den Wagon verlassen miisse, er habe nun einmal die Gesetze zu befolgen. Daraufhin erklärte ihm Eva Wolf, dass Anna Ulrich nicht jüdischen Glaubens und das Paket auf der Plattform nicht für sie bestimmt sei. Schließlich akzeptierte der Schaffner dies und ließ die beiden weiterfahren. Zu den wenigen Verwandten Eva Morton-Wolfs, die die Shoah überlebten, gehörten Friedrich und Ella Kober aus Iroppau, heute Opava. Friedrich Kober war ein Neffe von Sigmund Wolf und Cousin von Eva Wolf, der mit seiner Mutter Ella Kober, Eva Wolfs Tante, fünf Jahre im Ghetto/KZ Theresienstadt inhaftiert war. Als Tischler wurden seine handwerklichen Fähigkeiten im perfiden Ghetto-System des KZ Theresienstadt ausgebeutet. Die Nationalsozialisten statteten Theresienstadt zynisch mit einer von jüdischen Lagerältesten geführten „Jüdischen Selbstverwaltung“ aus. Ella Kober, so Eva Morton-Wolf, war eine sehr kluge Frau; böse Zungen behaupteten, sie sei „der Stadtkommandant der Dresdner Kaserne“ gewesen. Friedrich Kober starb 2009 und hinterließ seinem Sohn etliche Originaldokumente aus dem Ghetto/KZ Theresienstadt. Unter diesen Dokumenten finden sich Mitteilungen der „Jüdischen Selbstverwaltung“ bzw. der NS-Behörden an die Kobers, beispielsweise eine Art „Spezialbewilligung“, die Ella Kober mit sich führen musste, wenn sie nach acht Uhr abends von einer Kaserne in die andere gehen wollte, oder ein Protokoll der NS-Behörden, auf dem der euphemistische Vermerk, eine inhaftierte Person sei gestorben (vermutlich in ein Vernichtungslager deportiert worden) zu lesen ist sowie eine akribische Auflistung des Nachlasses dieser Person: 24 Dosen Sardinen. In Leipnik an der Betschwa, dem Ort, in dem Sigmund Wolf seine Textilfabrik hatte, lebten vor der Shoah etwa 280 jüdische BürgerInnen (von insgesamt 7.000 EinwohnerInnen); überlebt hatten von diesen 280 lediglich fünf Menschen. Im September 1942 erfuhr Frida Wolf aus einer der Rundfunksendungen Thomas Manns, dass Zyklon B für den NS-Massenmord eingesetzt wurde. Thomas Mann in seiner Rundfunkrede aus dem US-amerikanischen Exil am 27. September 1942: „Ein genauer und authentischer Bericht liegt vor über die Tötung von nicht weniger als elftausend polnischen Juden mit Giftgas?.“ Frida Wolf besaß als „Arierin“ einen Durchlassschein, in dem „Frida Wolf und Kind“ vermerkt war. Mit diesem Schein durfte sie einmal im Jahr mit ihrer jüngsten Tochter Eva nach Bad Gastein auf Kur fahren. Die beiden anderen Wolf-Geschwister durften von 1939 bis 1945 das „Protektorat“ nicht verlassen. Im Sommer 1943 erfuhr Eva Wolf aus Gesprächen in Bad Gastein von der US-amerikanischen Landung auf Sizilien. Im Winter 1944/1945 wurde die damals 16-jährige Eva Wolf Zeugin, wie SS-Männer gefrorene Leichen aus Zügen warfen, die auf dem Weg aus den Vernichtungslagern waren. Immer wieder versuchten tschechische BürgerInnen den Häftlingen Brot hinzuwerfen. Einige von ihnen wurden dabei von deutschen Soldaten geschen und sogleich festgenommen. Die Familie Wolf verbrachte die Jahre vom Kriegsende bis zum KA @PSkK ma, VUSI@OINYM EHON Wert Sa Gedenktafel am Eingang zu den Kaunicovy Koleje, Brno/Brünn: „Dies ist ein europaweit bedeutender Ort des antifaschistischen Widerstands. Würdigt die Opfer des nazistischen Terrors mit respektvollem Verhalten.“ kommunistischen Putsch 1948 in Brünn. Frida Wolf wollte zurück nach Wien und suchte daher nicht um die Wiedererlangung der tschechoslowakischen StaatsbürgerInnenschaft an. Die Familie Wolf wurde daraufhin von den kommunistischen Machthabern enteignet und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Eva Morton-Wolfs Fazit: „Ich hab den Nazis nie verziehen und ich hab den Kommunisten nie verziehen. Zwischen Hitler und Stalin bestand für mich nie ein Unterschied.“ Exil in Sydney: Eva Morton-Wolf wird Star des Little Viennese Theatre Nachdem die Wolfs zwei Jahre in Wien gelebt hatten, in denen Eva Wolf den Friedhof der Israelitischen Kultusgemeinde mitverwaltete, emigrierte sie mit ihrer Mutter nach Sydney, Australien. Dort leitete Frida Wolf eine Pension, in der Eva Wolf zunächst als Zimmermädchen arbeitete und den Pensionsgästen jeden Morgen das Frühstück brachte. Unter diesen Gästen war auch das Ehepaar Kriväcek, das nach Shanghai flüchten musste und nun in Sydney lebte. Begeistert von Eva Wolfs komödiantischem Talent (Eva Wolfbrachte ihnen nicht nur jeden Morgen das Frühstück, sondern unterhielt sie auch jedes Mal mit einem neuen Witz) luden sie Eva Wolf ein, zu einem der Bunten Abende, die die jüdischen Emigrantlnnen in Sydney regelmäßig veranstalteten, als Kabarettistin mit Klavierbegleitung aufzutreten. „Auf einmal hieß es: „Fräulein Eva Wolf wird zum Abschluss ein paar ihrer Anekdoten zum Besten geben“ und so hatte ich meinen ersten Auftritt vor großem Publikum“ erinnert sich Eva Morton-Wolf. Nach ihrem Abitur 1964 und ihrer Heirat mit Ernst Morton, einem geborenem Mondschein, der 1940 in Großbritannien interniert und als „Dunera-Boy“ nach Australien deportiert worden war, wurde Eva Morton-Wolf Beraterin in einem Reisebüro und Reiseleiterin. Nebenbei hatte sie zahlreiche Auftritte als Kabarettistin, Chansonette und Schauspielerin im von Karl Bittmann geleiteten Little Viennese Theatre. Sie wurde zu Karl Bittmanns Lieblingskomikerin, der für sie eigene Rollen schrieb und trat auch immer wieder mit Peter Wehle auf. Das Little Viennese August 2014 71