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Rechtsanwaltes 1922 geboren. In einer schönen Landschaft verbrachte er seine Kindheit, mit dem Fiaker fuhr man über Wiznitz nach Czernowitz, erzählte er. Das rumänische Lyzeum besuchte er in Czernowitz. In einer Januarnacht In einer Januarnacht des Jahres 22 nach dem ersten großen Weltkrieg wurde ich gezeugt als die Welt noch ganz schien was sie nicht war Nach neun Monaten genau kam ich zur Welt in einem gelben Karpatenherbst und ich schrie drei Wochen lang aus Protest dann lullte man mich ein und ich wuchs zu einem Bürger zweiter oder zehnter Klasse heran (Manfred Winkler) Als die Sowjets 1940 die Nordbukowina besetzten, wurden die Mutter und die Schwägerin 1941 nach Sibirien deportiert, der Bruder, ein kommunistischer Mediziner, in den Gulag im Norden der sowjetischen Welt. Winklers Vater nahm sich beim Einmarsch der Russen das An 8. April 2014. Foto: Christel Wollmann-Fiedler. 86 _ZWISCHENWELT Winkler tauchte unter, entging jedoch nicht der Deportation durch die rumänischen Machthaber. „Die Arbeitslager in Transnistrien waren schrecklich, Sie haben davon schon gehört?“ Das biblische Wort „Tohuwabohu“ benutzte er für die damalige Zeit. Zurück nach Putilla kam er 1944, wollte nicht bei den Sowjets bleiben, ging über die Grenze nach Rumänien, nach Timisoara. An der deutschen Fakultät der dortigen Universität studierte er kurzzeitig, arbeitete hier und dort, kam mit der zionistischen Bewegung in Berührung und lernte Herma Levin aus Czernowitz, seine zukünftige Frau, kennen. In Bukarest begegnete er 1956 Hans Bergel, dem Siebenbürger Sachsen aus Rosenau, der in den 1960er-Jahren nach München auswanderte. Mehrere Ausreiseanträge stellte Manfred Winkler an die Administration der kommunistischen Volksrepublik Rumänien, bis er endlich 1959 in Israel ankam, seine Frau ein Jahr später. An der Hebräischen Universität in Jerusalem studierte er hebräische und jiddische Literatur und Sprache, arbeitete Jahre im Theodor-HerzlArchiv, gab Zeitschriften heraus und Anthologien, edierte Herzls Werke, übersetzte Lyrikbände von Paul Celan ins Hebräische, „war ein Wunderkind der hebräischen Literatur“, erzählt er „ mit verschmitztem Lächeln. Erhielt u.a. den Literaturpreis des Ministerpräsidenten Israels. Auch als Bildhauer war er ) kein Unbekannter. 4 Erst im fortgeschrit* tenen Alter wurden ; seine Plastiken öf5 fentlich ausgestellt. Seine hebräisch ge4 schriebenen Texte B gab er mir in die 4 Hand, ich konnte sie nicht deuten. Die deutsche Sprache war seine Muttersprache, die hebräische Sprache wurde ihm zur Muttersprache. Manfred Winklers Lyrik wurde in Deutschland verlegt, der letzte Band „Wo das All beginnen soll“ im Januar 2014 mit einem Nachwort von Hans Bergel. Eine persönliche Widmung schrieb mir, der ihm Unbekannten, Manfred Winkler in das für mich kostbare Büchlein! Aus: „Das Gedicht vom Nichts“ Wir wollen uns aneinander stützen ohne zu wissen woher wir gekommen ohne zu fragen wohin einfach so ohne Brücken von denen man ins Wasser springen kann, die nichts mehr überbrücken Weit zurück liegt Czernowitz das märchengewesene mit den Kastanien das nicht gewesene doch die Kerzen machen noch immer im Gelaub den Frühling zum Gebet Unter den Linden wo Czernowitz nicht gelegen ist liegt die vergessene Stadt die unvergessene (Manfred Winkler) Der Abschied von Manfred Winkler und seiner Frau fiel mir schwer, an der Gartentreppe stand er, wir winkten uns zu, die Rosen verblühten bereits. Literatur Manfred Winkler: Wo das All beginnen soll. Ausgewählte Gedichte. Nachwort von Hans Bergel. Berlin: Noack & Block 2014.