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haben?“, fragte Savta Lea mich und zeigte auf Saba Zoli. „Die Freunde hatten Zoli überredet, sich anzumelden. Und ich wegen meiner Tante Adina. Damals war es nicht angeschen, zu einem Kuppler zu gehen.“ „Ich dachte immer, früher war der Beruf des Kupplers sehr angesehen“, sagte ich. Saba Zoli stimmte mir zu und ich fuhr fort: „Heute gibt es ein Appam Handy -“ (ich ging einfach davon aus, dass Savta Lea wusste, was ein App am Handy ist) „- mit diesem App kann man sich auch verkuppeln lassen. Man bekommt nacheinander Bilder von Leuten und kann anklicken, ob sie einem gefallen oder nicht, wie so ein Ja-Nein-Spiel. Wenn ich zufällig jemandem gefalle und diese Person mir auch gefällt, dann bekomme ich eine Nachricht, dass wir einander gefallen und man kann sich in einer Chatfunktion unterhalten. Das ist der Kuppler von heute.“ Savta Lea sah nach meiner Beschreibung einer konventionellen Dating-App so beeindruckt aus, dass ich fast lachen musste. Aber dann wurde ich nachdenklich, begann mich zu fragen, ob meine Großeltern jemals ineinander verliebt gewesen waren. Sie liebten sich offensichtlich, aber ich war mir nicht sicher, wo in diesen zwei Wochen, die sie sich vor der Hochzeit gekannt hatten, Platz für Verliebtheit hätte sein sollen, oder auch danach. Mir kam es cher so vor, als ob Lea Zoli ausgeniitzt hatte. Ein, zwei Tage vor der Hochzeit war ein Mann vom Militar zu Leas Eltern nach Hause gekommen und hatte gesagt, dass Lea ihren Militardienst noch nicht abgeleistet habe. Lea war schon einmal der Militärpflicht entgangen, indem sie bei der Musterung ihre Urinprobe mit Sand verunreinigt hatte, aber diesmal konnte sie dem Mann stolz eine Einladung zu ihrer Hochzeit überreichen, denn verheiratete Frauen müssen nicht mehr zum Militär. Dass ich nicht zum Militär eingezogen wurde, hatte einigen bürokratischen Aufwand gekostet. Ich war darauf während meines diesjährigen Aufenthalts in Israel häufig angesprochen worden und als ich in die Küche ging, um mir etwas zum Abendessen zu machen, kam ich wieder an der Wand mit den gerahmten Bildern vorbei, wo nicht nur Hochzeitsfotos, sondern auch Fotos von den Kindern und Enkelkindern meiner Großeltern in ihren IDF-Uniformen hingen. Ich wärmte mir einen Teller Spaghetti mit Fleischsauce in der Mikrowelle und fragte Saba Zoli, ob sie Schafkäse hätten. Er sagte nein und warum. „Ich mag Schafkäse auf Nudeln“, sagte ich. „Aber das geht nicht!“, sagte er lachend. Ich brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was er meinte. „Ach, ich esse nicht koscher“, sagte ich. Savta Lea und ihre Gehhilfe schlurften herein. „Sag das nicht deiner savta, wenn sie das hört, bringt sie sich um“, sagte Saba Zoli scherzhaft. „Was?“, fragte Savta Lea und weil ich irgendwie in provokanter Stimmung war und immer noch etwas wütend auf sie wegen ihrer Heiratsbesessenheit, sagte ich: „Ich mag Schafkäse mit Nudeln, sogar wenn Fleisch drin ist.“ Sie parkte ihre Gehhilfe neben dem kleinen Küchentisch und setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber, zog ihre Augenbrauen hoch und fragte mit leisem Entsetzen: „Hast du keine Religion?“ Ich freute mich, dass sie so reagierte, und sagte: „Nein. Käse und Fleisch zusammen sind wirklich lecker. Ich habe einmal versucht, Veganerin zu werden, aber so Nudeln mit Fleischsauce und Schafkäse drüber ist einfach zu gut.“ „Aber deine Mutter kocht doch sicher nicht solche Sachen“, sagte Savta Lea und ich genoss es, ihren Hoffnungsschimmer mit einem 16 _ZWISCHENWELT einzigen Satz zu ersticken, ihn grausam zu ertränken, ihr Weltbild zu zerstören: „Doch, sicher, irna kocht sogar Schweinefleisch.“ Das war zu viel für Savta Lea, sie schüttelte den Kopf. „Wann seid ihr denn Goim geworden...“, murmelte sie. Ich lachte und begann mein koscheres Nudelgericht zu essen, das mit Schafkäse sicher noch viel besser geschmeckt hätte. „Was kocht sie denn so, deine Mutter?“, fragte Savta Lea mit einem Interesse, wie man sich für etwas Fremdes, Abartiges interessiert. „Ach, alles Mögliche“, sagte ich und zählte genussvoll auf: „Würstchen sind meistens aus Schweinefleisch, Hackfleisch ist meistens gemischt mit Schweinefleisch, Schinken und Rahm zusammen als Sauce sind richtig gut... natürlich Schnitzel. Es gibt sogar so ein Schnitzel, das schneidet man in der Mitte auseinander, tut Käse hinein und der schmilzt dann. Richtig lecker.“ Die Wahrheit war, dass mir Schweinefleisch nicht schmeckte und dass meine Mutter überhaupt sehr selten Fleisch kochte. Ich hätte gerne vom letzten Pessach, als meine Schwester Noa und ich vor dem Seder-Essen so einen Hunger hatten, dass wir die Dreifachsünde einer Semmel (Brot am Pessach!) mit Schinken (Schwein!) und Käse (Fleischiges mit Milchigem!) begangen hatten. Es war ein Spaß gewesen, wir hatten uns versteckt, um nicht von anderen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde erwischt zu werden, und lachten uns kaputt. Aber ich hatte es bereits geschafft, von Savta Lea als Sünderin abgestempelt zu werden, und das war die Genugtuung wert. Ich ließ dennoch nicht vom Thema ab, fragte, was denn sei, wenn man Fleisch aß und danach einen Aufschüttkaffee mit Milch trank. Savta Lea sagte, man müsse dafür nach dem Essen mindestens sechs Stunden warten. Ob sie immer auf die Uhr schaue, bevor sie ihren Kaffee trinke. Und ob es schlimm wäre, wenn ich mir jetzt, nach den Nudeln mit Fleischsauce, noch einen Milchkaffee machen würde (hierbei wurde ich von Saba Zoli erwischt, der mich daran erinnerte, dass ich meinen Kaffee immer schwarz trinke). Savta Lea schrie, ich solle einen Tee trinken. Gerne hätte ich das Gespräch weitergeführt. Ich war gerade so in der Stimmung. Gerne hätte ich jetzt gefragt, wie wichtig es ihr sei, dass ich heiraten würde, ob sie daran glaube, dass ich heiraten sollte, ob auch ich eine Chance auf das Lebensziel Hochzeit haben dürfe. Savta Lea hätte aufgehorcht, immerhin wären wir bei ihrem Lieblingsthema angelangt. Und wenn ich dann tatsächlich mit der ganzen Wahrheit rausgerückt wäre... na ja, dann wäre ich wahrscheinlich von der ganzen Verwandtschaft für den Herzinfarkt der Großmutter verantwortlich gemacht worden. Die Ungerechtigkeit der ganzen Situation tut mir wirklich weh. Savta Lea und ich sind uns gar nicht so unähnlich. Ich würde Heiraten zum jetzigen Zeitpunkt nicht als mein Lebensziel bezeichnen, aber es ist einer meiner Träume, eines Tages in einem weißen Kleid im Rahmen einer überteuerten Feier eine traditionelle Ehe zu schließen — nur eben mit einer Frau. Wenn ich die DizengoffStraße entlanggehe, bewundere ich die schönen Brautkleider in den Schaufenstern, ich denke über Dinge wie die Gästeliste, die Tischordnung, die Chuppa und auch darüber nach, ob das in Alufolie gewickelte Glas zu zertreten wirklich notwendig ist. Ich verstehe, dass Savta Lea in Hochzeiten den Beginn eines besseren Lebens sieht, ein Glück, dass sie all ihren geliebten Enkelkindern wünscht, aber sie versteht nicht, dass es die Entscheidung der Enkelkinder ist, ob oder wann und wie und wen sie heiraten. Meine Cousine Sivan hatte gerade ihren einunddreißigsten Geburtstag gefeiert und Savta Lea hatte geschimpft, dass sie in