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Univ.-Prof. Dr. Primus-Heinz Kucher lehrt neuere Deutsche Literatur an der Universität Klagenfurt mit Akzenten u.a. auf Emigration-Exil-Immigration, Widerstand, Beziehungen zwischen Literatur/Kunst/Medien, Literaturbeziehungen in Zentraleuropa. TKG-Mitglied seit 1984. 2008 Visiting Prof. an der UIC/Chicago, 2013 Fulbright Visiting Prof. an der UVM/Burlington sowie mehrere Gastdozenturen. 2008-12 Leiter des FWFProjekts Literatur und Kultur der 1920er Jahre in Osterreich. Neuere Buchpublikationen: First Letters/Erste Briefe aus dem Exil 1945-50 (2011), „akustisches Drama“ Radioästhetik, Kultur und Radiopolitik in Österreich 1924-34 (2013), 1928. Ein Jahr wird besichtigt (2014). Fritz Rosenfeld/Friedrich Feld (1902, Wien-1987, Bexhillon-Sea, GB) - Ein Fallbeispiel von Literatur- und Filmkritik, Kulturarbeit und schriftstellerischer Praxis im Roten Wien. Will man eine sozialistisch-proletarische Literatur-, Film- und Medienkultur des Roten Wien und somit einen nicht unwesentlichen Bestandteil einer exemplarischen ‚Arbeiterkultur‘Bewegung in Erinnerung rufen und auf Projekte wie Leistungen hin befragen und würdigen, so ist an Fritz Rosenfeld nicht vorbei zu kommen. Seit 1922 zeichnete er für die Mehrzahl der literaturkritischen Beiträge in der Zs. Bildungsarbeit, dem Organ der Sozialistischen Bildungszentrale/Kunststelle, verantwortlich, trat bald auch in der AZ als Referent für Literatur und Theater sowie, ab 1923 maßgeblich für den Film als Kunst wie als kulturell-politisches Medium, in Erscheinung, alsbald auch in den Zs. Kunst und Volk sowie Kampf. Er nahm somit an exponiert-prominenten Stellen an zahlreichen Debatten teil und eröffnete seinem Lesepublikum in konsequenter Fortführung der austromarxistischen Lesekultur-Politik maßgebliche internationale Tendenzen (amerikanische Moderne, russische und skandinavische Literatur). Seit 1925 auch schriftstellerisch tätig, zuerst durch revolutionäres Sprechchor-Theater (analog zu Ernst Fischer), dann mit kritischer Kinderliteratur und einem medienkritischen Roman versuchte Fritz Rosenfeld seine theoretischen Vorstellungen auch ästhetisch-politisch zu realisieren, dies u.a. auch im Austausch mit ebenfalls (links)sozialistischen Intellektuellen und Kritikern wie Bela Baläzs, Ernst Fischer oder Leo Lania, bis er 1934 über Prag den Gang ins englische Exil anzutreten sich gezwungen sah. Mag.a Sabine Lichtenberger, geboren 1965 in Eisenstadt. Studium der Geschichte und Volkskunde an der Universität Wien. Diplomarbeit über Geschichte und Kultur des burgenländischen Judentums unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1921-1938. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gewerkschafts- und AK-Geschichte und AK/BAK-Archiv in der AK Wien. Interessenspolitische Bildungsarbeit, Projektbetreuung und AutorInnentätigkeit. Forschung mit speziellem Schwerpunkt Nationalsozialismus, Widerstand und Verfolgung, insbes. Gewerkschafts- und AK-Geschichte. 2002 Förderpreis der Stadt Wien auf dem Gebiet der Volksbildung. Der Kampf um die Herzen und Hirne der Menschen: Josef Luitpold Stern (Arbeiterhochschule), Richard Wagner (Gewerkschaftsschule) und Franz Rauscher (Parteischule) vor und nach der Machtübernahme durch Faschismus und Näationalsozialismus. Die Funktionärlnnenschulung hatte in der Bildungsarbeit der Sozialdemokratischen Partei besonderen Stellenwert. Mitte der 1920er Jahre wurde die Arbeiterhochschule unter Josef Luitpold Stern gegründet. Etwa zeitgleich nahm die Gewerkschaftsschule unter Richard Wagner ihre Tätigkeit auf. Franz Rauscher, Absolvent des 1. Jahrganges der Arbeiterhochschule leitete die 28 — ZWISCHENWELT Parteischule. Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre gerieten diese Einrichtungen zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten und mussten ihre Tätigkeit wieder einstellen. Die Veränderungen des Faschismus und des Nationalsozialismus brachten für die „Bildungsfunktionäre“ weitere einschneidende Veränderungen: Flucht und Verlust der „Heimat“ für Josef Luitpold Stern (1934) und Richard Wagner (1938), Anklage im Sozialistenprozess (1936), Internierung im Anhaltelager Wöllersdorf (1936/37) und in NS-Konzentrationslagern für Franz Rauscher (ab 1939). Stern kehrte 1948 aus den USA nach Österreich zurück und übernahm die Leitung des Bildungsheimes der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter auf Schloss Weinberg in Kefernmarkt/OO (bis 1953). Rauscher war 1945 Unterstaatssekretär im Staatsamt für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, 1946/47 Staatssekretär im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung, später Direktor des Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums. Wagner fand auf der Insel Arbe bei einer Rettungsaktion für Alte, Kinder und Flüchtlinge (vermutlich 1941) den Tod. Anhand dieser drei Biographien soll nicht nur der Frage nach Brüchen und Umbrüchen in der Funktionärlnnenschulung vor und nach 1934 nachgegangen werden, sondern auch der Frage nach Kontinuitäten nach 1945. Dr. Klaus-Dieter Mulley ist Leiter des Instituts für Gewerkschafts- und AK-Geschichte in der Arbeiterkammer Wien und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur österreichischen Geschichte. Die Bildungs- und Kulturarbeit der Arbeiterkammern 1920 bis 1933 und deren ideologisch-politische Umorientierung durch den Austrofaschismus Mit der Konstituierung der Arbeiterkammern 1921 konnte die bis dahin überwiegend auf Vorträge beschränkte (frei-) gewerkschaftliche Bildungsarbeit und Funktionärsschulung auf eine neue, institutionell abgesicherte Basis gestellt werden. Ausgehend von der Gründung der Bibliothek der Wiener Arbeiterkammer (Eröffnung 1922) wurde bereits im Herbst 1921 eine „Instruktorenschule“ für Betriebsrätinnen errichtet, die in den folgenden Jahren ausgebaut wurde. Beschränkte sich die Bildungsarbeit der Arbeiterkammer auf die Themenbereiche Gewerkschaftswesen, Sozialpolitik, Volkswirtschaft und Arbeitsrecht, so wurde in Bildungs- und Stiftungskursen in Volksheimen auch Sozialhygiene, Naturwissenschaft und Verfassungskunde vorgetragen. Des Weiteren wurde dem Berufsfortbildungswesen und Nach- und Umschulungskursen für Arbeitslose besonderes Augenmerk geschenkt. Nach der Ausschaltung der Selbstverwaltung der AK durch das Regime Dollfuss und deren Eingliederung in den austrofaschistischen Gewerkschaftsbund diente die von der AK weiterhin überwiegend finanzierte gewerkschaftliche Bildungsarbeit „christlichvaterländischen“ Zielen, mithin der Propagierung der „berufsständischen Neuordnung“.