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Lesezeichen „Former des citoyens“, darin bestand für Josef Luitpold Stern die Aufgabe proletarischer Kulturarbeit, um aus jeden Arbeiter, aus jeder Arbeiterin „ein Gefäß der Revolution“ zu machen. Adele Jellinek zeichnet in ihren 1919 geschrieben Erläuterungen auf, wie diese Revolution, im Gegensatz zu jener in Russland, auszuschen hat: Sie soll sich „die politische Gefolgschaft der Mehrheit [...] durch Aufklärung, geistige Beeinflussung usw.“ sichern. Soweit zur Abgrenzung hin zum Bolschewismus, der gerade jene Revolution verwirklichte, für die im Europa der Jahre nach 1917 viele SozialistInnen aller Richtungen zu kämpfen bereit waren, so auch Richard Wagner, wenn er davon schreibt, dass erst in „der klassenlosen Gesellschaft [...] wahre, freie, vollkommene Menschenbildung möglich“ ist. Dass es zur Arbeiterkultur genauso viele Auffassungen gab, wie Richtungen im Sozialismus, lassen Henriette Kotlan-Werners 1992 geschriebene und nun in der ZW zum ersten Mal publizierte Erinnerungen erahnen. Natürlich gab man in der Ökonomie Marx und Engels recht und nicht oder weniger Saint-Simon oder Lassalle, doch wie stand es, alleine, was die Schulreform betrifft, beim Richtungsstreit zwischen Max Adler, Otto Felix Kanitz, Max Winter und Otto Glöckel? Henriette Kotlan-Werner In der österreichischen Sozialdemokratie war man international orientiert und geschichtsbewußt. Und so verfolgte man mit viel Sympathie jene Revolutionen in aller Welt und aus allen Zeiten, die einem gewissen humanistischen Idealbild entsprachen. So konnte man 1931, dem wohl hoffnungsvollsten Jahr im Roten Wien, in der Arbeiter-Zeitung wissenswertes über Gandhi oder über Abbe Gregoire und tagtäglich über noch viele andere, für eine bessere Welt kämpfende Menschen erfahren. Ein Jahr später sah die Welt schon düsterer aus, zwar berichtet in der Arbeiter-Zeitung Jura Soyfer aus Deutschland noch von einer Einheitsfront zwischen SozialistInnen und KommunistInnen im Kampf gegen die Nazis, zumindest in Halle, um das Gewerkschaftshaus zu verteidigen, doch beschreibt er zugleich in einem Brief seine Wut und Trauer darüber, dass „Wels Wels und Thalmann Thalmann ist“. Wie die meisten AutorInnen der folgenden Beiträge sind heute die Gebrüder Scheu, Fritz Brügel, Friedrich Hillegeist, Georg Knepler, Lotte Pirker fast vergessen, ein Einblick in ihre Schriften ist zugleich ein Rückblick auf das, was man durchaus Arbeiterkultur nennen kann. Alexander Emanuely Erinnerungen Mit 15 Jahren ist man besonders aufgeschlossen für neue Erlebnisse und Eindrücke. Ich war im Jahr 1925 fünfzehn Jahre alt. In diesem Jahr erhielten wir für die zwei Zimmer-Küche-Wohnungen, die wir (fünf, später mit der Großmutter sechs Personen) uns teilen mußten, die aber zehn Gehminuten voneinander entfernt waren, eine Gemeindewohnung. Meine Mutter hatte in zweiter Ehe einen Witwer mit einem Sohn geheiratet, so waren wir auf zwei Kleinwohnungen verteilt. Ich hatte das Gefühl, aus dem Dunkel ins Licht getreten zu sein, und das beruhte nicht allein darauf, daß wir nun nicht länger eine düstere Gangküche und ein Zimmer hatten, das auch im Sommer am Abend nur für eine halbe Stunde von der Sonne gestreift wurde, sondern eine Küche mit einem großen Gassenfenster und weitere lichtdurchflutete Räume. Der ganze Bau (Architekt Josef Frank) war so geplant, daß in den zwei Höfen kein Trakt Schatten auf einen anderen warf und jede Wohnung mindestens einen Raum mit Sonne hatte. Der unvergeßliche Stadtrat Hugo Breitner hatte solche Bauten in einer Zeit größter Not buchstäblich aus dem Nichts finanziell ermöglicht. Im Sommer 1925 nahmen mich eine Tante und deren Mann auf eine Italienreise mit, veranstaltet von der Bildungsorganisation der SDAP Man fuhr mit der Bahn bis Triest, von dort mit dem Schiff bis Neapel und dann wieder mit der Bahn nach Rom und Florenz. Wohl gab es in der Reisegruppe Stimmen, die Kritik und Selbstvorwürfe äußerten, denn wir befanden uns im faschistischen Italien, und die Ermordung des Sozialisten Matteotti war noch 32. ZWISCHENWELT allen schmerzlich bewußt. Es waren nicht sehr viele und eher leise Stimmen, aber ich hatte sie doch wahrgenommen. Außer den Brüdern Jenschik, welche Funktionäre der Bildungsorganisation waren, fuhr auch der junge Dr. Adolf Schärf mit, der vor mir lächelnd sagte, ich sei uninteressant für ihn, da ich noch nicht wahlberechtigt sei. Es gab noch weitere Funktionäre, auch solche aus der Provinz, deren Namen mir jedoch, wenigstens zu dieser Zeit, nichts bedeuteten. Anton Jenschik und Adolf Schärf waren aus Hernals wie ich und mir dem Namen nach bekannt. Es war fast für alle Teilnehmer die erste Auslandsreise, und ich ahnte mehr, als daß ich es bewußt begriffen hätte, daß dies ein Verdienst der Bildungsorganisation der Sozialdemokratischen Partei war. Im Herbst hörte ich, ich weiß nicht mehr, auf welche Weise, von einem Sprechchor der Bildungsorganisation Hernals und trat ihm bei. Die Kunst des Sprechchors kam aus Rußland, wo diese Sparte eben sehr gepflegt wurde. Unser Sprechchor wurde von dem Schauspieler Karl Forest geleitet, den ich jedoch nur einmal erlebte, da er bald von einem jüngeren, aber ebenfalls qualifizierten Mann, abgelöst wurde. Wir nahmen den „Blitzzug“ von Detlev v. Liliencron durch - „Quer durch Europa von Westen nach Osten/ rattert und rattert die Bahnmelodie ...“- und wurden bald bei Parteifeiern eingesetzt. Als ich dann auch noch von einem Rednerkurs hörte, trat ich auch diesem bei. Er wurde von einem gutausschenden jungen