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industriellen Kräfte zu den großen Hilfsquellen des Gemeinschaftslebens, — Sozialismus ist Füreinanderleben, menschliche Gemeinschaft, Einheit, Brüderlichkeit. Da der Sozialismus als Ordnung des gesellschaftlichen Lebens, in den gesellschaftlichen Akten und Handlungen der Menschen sich manifestieren muß, so müssen die Antriebe, die zu diesen Handlungen führen, den gleichen Charakter zeigen, d. h. sie müssen wirkliche soziale Antriebe sein, ein gesellschaftliches Mitdenken und Mitwollen. Wo der Sozialismus nicht aus solchen ihm wesenseigenen Motiven hervorgeht, da ist er Aufzwingung, äußerliche Vergesellschaftung, ist er Mechanismus, aber nicht organisiertes Leben. Die Tendenz zu solcher Mechanisierung des sozialen Lebens ist aber nicht nur dem Bolschewismus eigen, sondern auch der Sozialdemokratie. Was die Sozialdemokratie vom Bolschewismus unterscheidet, das ist gewiß ein demokratischer Weg der sozialen Umgestaltung; sie will keine Umwälzung, die nur durch gewaltsame Unterdrückung des gesellschaftlichen Wollens anderer Klassen durchzusetzen ist, sie will den ordnungsmäßigen Weg, indem sie der Geister sich bemächtigt, indem sie durch Aufklärung, geistige Beeinflussung usw. die politische Gefolgschaft der Mehrheit sich sichert. Aber wenn sie auch der politischen Gefolgschaft der Massen, ihrer Zustimmung zur Sozialisierungsarbeit versichert, von wirklichem sozialen Geiste, von wirklichem sozialen Wissen und Gewissen können die psychologischen Antriebe, die zu dieser Gefolgschaft führen, noch sehr weit entfernt sein. Dies gilt freilich nicht nur für die Sozialdemokratie, sondern für alle sozialen Bewegungen. Der moderne Sozialismus, der das sittliche Erbe der individualistischen Gesellschaft antritt, in welcher das Bewegungsgesetz des Wirtschafts- und Staatslebens nicht das Interesse der Gesamtheit, sondern der Eigennutz und das Profitinteresse der Einzelnen war, — wo in der rauen Luft des Erwerbskampfes alle rohen und materiellen Instinkte gepflegt und wachgehalten wurden, — der Sozialismus, welcher Massen gegenübersteht, von solcher geistigen und sittlichen Unkultur, wie sie die Welt des Kapitals ihm überliefert hat, muß häufig, um seine Welt diesen Massen zu öffnen, auf individualistische Motive appellieren. Er muß ihnen die Resultate seiner Kulturarbeit in individueller Bedeutung und individuellen Vorteilen nahebringen. Der Sozialismus bedeutet dann für den Einzelnen die Steigerung seines Kulturanteils, die Verbesserung seiner Existenzbedingungen, Verkürzung der Arbeitszeit usw. Daß der Sozialismus mehr ist, als die möglichste Erhöhung der Einzelsumme im Gesamtresultat, daß er zum ersten mal der politisch-wirtschaftliche Ausdruck des Gemeinschaftsgeistes, des sozialen Bewußtseins der Menschen ist, des Arbeitens aller für alle, des Ordnens alles Wirtschaftens, Verwaltens und Verteilens nach den großen Gesichtspunkten der sozialen Gerechtigkeit, — das muß fürs erste dem sittlich stumpfen Sinn dieser Massen verborgen bleiben. Mit diesem sittlichen Opportunismus muß aber jede soziale Reformbewegung, auch wenn sie nicht auf dem gleichen ideologischen Standpunkt steht, wie die sozialistische Arbeiterbewegung, rechnen. Er liegt aber nicht im Wesen ihrer Ideologie, auch nicht derjenigen des Bolschewismus. Die Sozialdemokratie, wie die anderen Formen der sozialistischen Bewegungen, müssen ihrem tiefsten Wesensgehalt nach nicht niedrig-egoistische, sondern wirklich soziale, sittliche Motive zu ihren Bewegern haben und müssen darum die Menschen innerlich darauf vorbereiten. Dies muß vor allem gesagt werden, weil man gerade den Marxismus in dieser Hinsicht so sehr mißverstanden hat. Die einfachste sozial-psychologische Erkenntnis wird aber dieser Ansicht widersprechen. Der materielle und selbstsüchtige Instinkt ist der größte Opportunist. Nie können soziale Bewegungen mit solcher Anforderung an Selbstaufgabe, und von solcher Ausdehnung und zeitlichen Dauer, deren Früchte erst in ferner Zukunft reifen, niedrig-materielle und eng-egoistische Antriebe zu ihren Bewegern haben. Der niedrige Egoist wird nie sich anstrengen und die schwersten Opfer bringen, um Früchte willen, die für ihn selbst nicht reifen. Der niedrige Egoist ist auch Opportunist in dem Sinne, daß er sich mit den einfach erreichbaren Vorteilen zufrieden gibt. Bewegungen von so ferner Realisierbarkeit wie die modernen sozialen können ihn nie zum Träger haben. Die soziale Bewegung braucht darum jene innere Bereitschaft zu sittlichen Idealen und muß sie wecken. Dies will sie auch durch positive sittliche Erziehungsarbeit tun. Die Sozialdemokratie verschmäht vielleicht die sittliche Beeinflußung durch primitiv-pädagogische Lehren (obwohl sie auch in ihrer Kinder- und Jugendbildungsarbeit davon Gebrauch macht), aber sie übt sie viel tiefer durch Hebung des gesamten geistigen und kulturellen Niveaus, und vor allem auch durch ihre beständige leidenschaftliche Kritik gegen den rohen individualistischen Geist, der sich in den Einrichtungen und Vorrechten der kapitalistischen Gesellschaft ausdrückt. Es ist unmöglich, daß die geistige und sittliche Überwindung dieser antisozialen, ungeistigen Lebensordnung, eine Überwindung, die die Voraussetzung des sozialistischen Wollens ist, sich nicht bis zu einem gewissen Grad den Massen mitteilen soll, die die Gefolgschaft dieses Wollens bilden. Durch die trockensten Formeln wirtschaftlicher und rechtlicher Umwertungen, durch die verbissenste Kritik an den Unrechten und Unnatürlichkeiten der kapitalistischen Gesellschaft strahlt der warme Glanz eines großen Menschheitsgefühls. — Der Sozialismus ist nicht nur eine passive Lebensanschauung, er ist aktives Wollen, Planen und Gestalten. Ein sozialer Richtungsweg aber, der so tief einschneidet in alles gesellschaftliche Leben, der die unmittelbare Mitarbeit und Mitverantwortlichkeit der Massen verlangt, muß diese seelisch viel tiefer vorbereiten, als es die noch so schönen Lehren über sittliche Lebensführung zu tun vermögen. Jede geistige Beeinflussung, die an die Aktivität der Menschen appelliert und von ihr getragen ist, wird immer viel tiefer wirken, als passiv aufgenommene Lehren. — Der Sozialismus basiert aber auch faktisch auf der sozialen Iriebkraft der Solidarität. Er ist als Kampfbewegung, wie als Gesellschaftsziel nicht möglich, ohne den solidarischen Zusammenschluß des Proletariats. Er verlangt schon in seinem gegenwärtigen Stadium eine seelische Einstellung der Massen, die über die ursprünglichen, eng-individualistischen Antriebe hinaus ist, die die sittliche Erscheinung des sozialen, solidarischen Zusammenwirkens kennt. Und selbst wenn dieses Zusammenwirken als nüchterne Interessengemeinschaft gedacht würde, die an der ursprünglichen psychologischen Beziehung des Einzelnen zur Gemeinschaft nichts ändert, — der Wirkung dieser positiv-sittlichen Werte, die jede Solidarität, jedes Einordnen in eine Gemeinschaft und Wirken für die Gemeinschaft auf den Einzelnen ausübt, wird sich niemand entziehen können. Die proletarische Bewegung ist aber auch die einzige moderne Bewegung, die ideologisch über die engen Schranken der Nationalität und Konfessionalität hinausstrebt und auf einer internationalen Solidarität fußt, und demgemäß immer wieder nur auf das rein Menschliche, also Sittliche, als das Bindende im Wesen dieser Beziehungen hinweisen muß. Die tiefste sittliche Mission des Sozialismus besteht in seinem Kreuzzug gegen diese Welt des Kapitals in ihrer sittlichen Bedeutung, in seinem Kampfe gegen November 2014 37