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die dunklen Mächte des Bösen, des Niedrig-Menschlichen und Unsozialen, welche dadurch, daß sie den Geist aller Einrichtungen durchdringen, mit der Gewalt eines Mechanismus wirksam werden, der alle Keime und Zielrichtungen des Guten in seine Bahn zieht und verschlingt. Ein „Mechanismus“ des Bösen, der Ungemeinsamkeit und Unsozialität, der von ganz anderer kultureller Bedeutung ist, als die mehr doktrinäre Antagonie zwischen dem Wesen des Sittlichen und Sozialen, als von innen erwachsener Kräfte und der von oben her durch die Zentralgewalt dekretierten „Maschinerie der Gemeinsamkeit“. Die gleichen Tatsachen wie für die Sozialdemokratie gelten aber auch für den Bolschewismus. Und die Einwände gegen die mechanische Auffassung des Sozialismus richtet sich im Grunde gegen alle sozialen Bewegungen, nicht nur gegen den Bolschewismus. Daß die sozialistische Arbeiterbewegung keine materialistische Bewegung ist, daß sie, trotz eines gewissen sittlichen Opportunismus im Appell an individualistische und materielle Beweggründe, von tiefster sittlicher Zielrichtung ist und auf sittliche Antriebe nicht verzichten kann, wurde schon gesagt. Es fragt sich nun, ob der Sozialismus, die Umgestaltung der Gesellschaft in Wirtschaft, Arbeit, Leben nach sozialen Prinzipien, erst das Resultat jener inneren Umwandlung der Menschen sein soll, jener sittlichen Erneuerung, die die äußeren gesellschaftlichen Akte aus sittlichen Antrieben hervorgehen läßt, oder ob jene innere Erneuerung selbst erst eine veränderte Lebensordnung zur Voraussetzung haben muß. Es handelt sich hier — wohlgemerkt — nicht um die individual-psychologischen Bedingungen sittlicher Beeinflussung, sondern um die sozial-psychologischen. Es handelt sich hier um die weniger konkret faßbaren, aber realen Elemente der Erziehung und seelischen Beeinflussung der Massen, um die Abhängigkeit dieser Bildungseinflüsse von den äußeren Daseinsbedingungen, dem äußeren Milieu: Die stetigen, unabwendbaren, unkontrollierbaren Einflüsse, die den Menschen von früh auf umgeben, die ihm aus den wirtschaftlichen und rechtlichen Einrichtungen der Gesellschaft, in welcher er lebt, aus seiner sozialen Stellung, aus seiner Arbeit usw, zufließen, bilden den gewaltigsten und 38 — ZWISCHENWELT nachhaltigsten Lehrmeister, dem sich keiner entziehen kann. Wir alle kennen die Wirkungen, die von dem Mechanismus des „Bösen“ der Unsozialität in der Welt des Kapitals ausgehen, die zwingenden Lehren einer Welt, in welcher Profit- und Ichsucht den Antrieb zur gesellschaftlichen Arbeit bilden, in welcher unter der Geißel des Erwerbkampfes jedem Einzelnen bei Strafe des eigenen Unterganges jener ursprünglichen Gebote des rohen Daseinskampfes eingeprägt werden: zu vernichten, um zu leben zu verdrängen, um selber Raum zu gewinnen. Diesen Einflüssen stand gerade das Proletariat, das der ursprüngliche Träger der sozialistischen Bewegung war, geistig und kulturell gänzlich hilflos gegenüber. Die erste sittliche Erziehungsarbeit des Sozialismus bestand darin, die Massen wirtschaftlich zu heben, in jahrzehntelangen Kämpfen für die Verkürzung der Arbeitszeit, für die Erhöhung der Lebenshaltung zu ringen, sie in seine Kampforganisation hineinzubringen und politisch, wirtschaftlich und sozial zu schulen. Durch diese beständige Arbeit an und mit dem lebendigen Menschen, ist es dem Sozialismus gelungen, eine Sphäre neuen Lebens, neuen Wollens zu bilden, die, der Welt des Kapitals als eine neue werdende Welt sich gegenüber stellt. Aber jene Welt konnte er noch lange nicht verdrängen. Es fragt sich nun, ob der Sozialismus diese Erzichungsarbeit innerhalb der Welt der Unsozialität so ausschlaggebend fortsetzen kann, daß er die Menschen innerlich umzuwandeln vermag, so daß es wirklich neue Menschen sind, die seine Welt schaffen. Oder ob diese neuen Menschen nicht selber eine neue Welt zur Voraussetzung haben müssen. Darf nicht cher der Versuch zur wirklichen sozialen Umgestaltung gemacht werden, che nicht alle Menschen, nicht nur geistig, sondern auch sittlich dazu reif sind, und können sie denn sittlich reifen, ohne die Sphäre geistiger Einflüsse, welche allein gesellschaftliche Lebensverhältnisse von gleichunsittlichem Charakter mit solcher zwingenden Gewalt auszuströmen vermögen? Wenn man unsere Welt des Irdischen, allseitig Beschränkten und Mangelhaften betrachtet, dann dünkt es einem wohl ein wenig weltfremder Doktrinarismus, wenn das minder Gute verworfen, das Übel in seiner rohen Gestalt belassen bleiben soll, weil das Vollkommene nicht erreichbar ist. Jeder Weg, der aus dem Unheil dieser Welt hinausführt, hat schon durch die höhere Daseinsberechtigung des Bessern vor dem Schlechten eine gewisse Notwendigkeit. Selbst wenn der Sozialismus, sowie er in unserer Welt Fuß zu fassen sucht, noch sehr viel von jener äußeren Vergesellschaftung an sich hat, die keine Resonanz findet in der sittlichen Umwertung der Massen, so muß eingedenk bleiben, daß auch dieser Sozialismus nicht unser Sozialismus ist, das Vollkommenste, das wir erstreben, sondern eben auch nur ein Weg. Dieser Sozialismus hat aber vor allem das eine voraus: Er ist ein immenses sittliches und soziales Bildungsmittel, und zwar das zur Massenerziehung einzig mögliche. Die beständige Einstellung aller Beziehungen in Produktion, Wirtschaft, Verwaltung, auf die Gemeinschaftswerte, die beständige, in allen Lebensverhältnissen sich ergebende Auseinandersetzung mit Gemeinschaftsinteressen muß eine Sphäre sittlicher Beeinflussung schaffen, die alle in den Bann zieht. Durch den Charakter der Einrichtungen erhalten selbst sittlich gleichgültige Akte eine tiefe sittliche Beziehung, weil sie sich automatisch in die auf die Gesamtheit sich richtenden Tätigkeiten einordnen. Die Menschen werden so nicht nur zu sozialem Denken, sondern, indem sie die. Wirkung ihrer