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werden. Khaddar für Kleider und Wäsche für alle Hausbewohner ist schon in London eingelangt, ebenso eine große Menge indischer Baumwolle, die Gandhi braucht, um in Europa sein Gelübde, jeden Tag mindestens eine halbe Stunde am Spinnrad zuzubringen, halten zu können. Man hat besondere hausgewebte Wollstoffe hergestellt, damit sich Gandhi und seine Begleiter auch in den kalten Monaten mit Khaddarstoffen bekleiden können, weil man damit rechen muß, daß die Londoner Beratungen bis Schiller Marmorek in den Winter hinein dauern können. Aus: Arbeiter-Zeitung, 31.5.1931, S. 19. — Dass in derselben Ausgabe der Arbeiter-Zeitung, in der Hedwig Rossis Gandhi-Szene erschien, unter „Bunte Begebenheiten“, von einem/einer anonymen AutorIn, leicht ironisches über diesen zu lesen war, zeugt wohl davon, dass es in der Redaktion der Zeitung nicht an Humor gefehlt haben dürfte. (Anm. Red.). In der ungeheuren Vielfältigkeit von Individualitäten, die sich offenbarten, als am Ende des achtzehnten Jahrhunderts der nie mehr erloschene Kampf der beiden Frankreich einsetzte, ist keine Gestalt rührender, so im Innersten von den Aufgaben der neuen Zeit durchdrungen, keine begieriger, mit ihnen wahrhaft die ganze Menschheit zu begliicken, als Henri Grégoire, Pfarrer von Embermesnil in Lothringen, spater republikanischer Bischof von Blois. Dieser Jesuitenzögling, dieser gläubige Christ, dessen Überzeugung nicht der Papst und nicht die Philosophen der Vernunft erschüttern können, ist geradezu ein Symbol für die Ideale der Französischen Revolution, für die er mitgekämpft, die er oft genug selbst formuliert, mit seiner Autorität durchgesetzt hat, und die auch vor der diktatorischen Gewalt der Reaktionen auszusprechen er nicht zurückgeschreckt ist. Vor hundert Jahren, im Mai 1831, ist er, einundachtzig Jahre alt, gestorben, noch in der letzten Stunde von der Kirche verfemt, daß sie ihm die Sakramente zu verweigern suchte, und von der Regierung so gefürchtet, daß sie fremde Geistliche an sein Lager entsandte. Die Studenten der Pariser Universität zogen den Leichenwagen zum Friedhof, und mehr als zwanzigtausend Menschen scharten sich um den Sarg, mit dem sie eine allerletzte Verkörperung der heiligen großen Revolution begruben. Noch ehe die Revolution losbrach, hatte er den Samen einiger Ideen hineingeworfen, die sie dann weitertrug, so besonders das Bemühen um die völlige Gleichberechtigung der Juden, die trotz ihrer großen Zahl in Lothringen rechtlos lebten und hohe Sondersteuern an Kirche und Adel entrichten mußten. Ein Jahr vor dem Bastillensturm belohnte die Akademie von Metz seine Schrift mit einem Preise, Jahre danach die erste Nationalversammlung mit einem Gesetz, das seine Absichten in die Tat wandelte. Der Pfarrer Grögoire war Mitglied der Generalstaaten und riß den niederen Klerus mit, sich mit dem dritten Stande zu vereinigen und dessen vom Hofe beabsichtigte Isolierung zu durchbrechen. Er stimmte mit den Revolutionären gegen die Adelsprivilegien und für die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, in die er sich, freilich vergebens, bemühte, auch Bürgerpflichten aufnehmen zu lassen. Er trat zusammen mit Robbespierre, mit Marat gegen das Zensuswahlrecht auf, das drei Millionen von denen, die für die Republik geblutet hatten, von den politischen Rechten ausschloß und, wie Marat anklagte, die Aristokratie der Geburt durch die Aristokratie des Geldes ersetzte. Er legte als erster den Eid auf die Verfassung ab, die die religiösen Vorrechte dem früheren Souverän Frankreichs abnahm und dem neuen Souverän, dem Volke, übertrug. Gleich den Ludwigen, die vorher die Bischöfe 48 _ ZWISCHENWELT ernannt hatten, sollte dies jetzt das Volk tun und wie alle seine Amtshandlungen durch eine Wahl vornehmen. Zwei Bezirke wahlten den Abbé Grégoire zum Bischof. Er entschied sich für die Diözese von Blois. Fortan saß er in einem violetten Kleide, also mit den bischöflichen Farben angetan, in der Menge der Repräsentanten und mehrmals oben auf dem Präsidentensitz. Über das Gesetz, das die Schaffung des Königtums und die Proklamierung der Republik verlangte, referierte Bischof Gregoire. Der Schluß seiner Rede kennzeichnet seinen Stil, der so emphatisch ist wie der Stil seiner Epoche: „... Die Höfe sind die Werkstätten des Verbrechens, die Heimstätten der Korruption. Die Geschichte der Könige ist die Märtyrergeschichte der Völker.“ Aber ebenso energisch, wie er für eine Anklage des hochverräterischen Ludwig war, sprach er sich gegen dessen Hinrichtung aus, weil er für ihre Abschaffung auch in den obersten Kreisen Propaganda machte. Schwerer als der Kampf für die Gleichberechtigung der Juden war sein zweiter Kampf, den er für die Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien, die Verleihung der Bürgerrechte an freigeborene Neger und an halbblütige, die Entziehung staatlicher Subvention an die Negerhändler führte. Denn hier stieß er mit der siegreichen Mehrheit zusammen, die sich durch ideale Forderungen nicht in ihrem Geschäft und in ihrem Klassengefühl stören lassen wollte. Nichts ist tragikomischer, als der mit hohen Phrasen drapierte Widerstand der Kolonial- und Hafenbourgeoisie, die an dem Negerhandel und der Negersklaverei schr erträgnisreichen Anteil hatte, gegen den unbequemen Mahner, der seine Christen- und Priesterpflicht und seine Verdienste um die junge Republik für seine humanitären Ideen einsetzte. Aber seine Unermüdlichkeit war zäher, seine Nüchternheit beredter, und so wurde am 4. Februar 1794 die Sklaverei in den französischen Kolonien abgeschafft. Jetzt lebte sein sorglicher Sinn mit den Schwarzen jenseits der Meere und mit dem letzten Seufzer murmelte er einen Gruß an „die teuren Einwohner von Haiti“. Unzählig die Reformen und Institutionen, die er für die geistige Entwicklung der Massen durchsetzte. Gründung der berühmten Kunstgewerbeschule in Paris (Conservatoire des Arts et métiers), Errichtung des Längenbüros, Ausgabe neuer Schulbücher, Finanzierung öffentlicher Bibliotheken, Propaganda für die nationale französische Sprache, die alle provinziellen Idiome verdrängte. Gründung von botanischen Gärten und Musterlandwirtschaften, Gründung des Instituts, der Vereinigung von Akademien, dem die Obsorge über die Künste und Wissenschaften oblag, er plante auch (durchdrungen von der „literarischen Solidarität zwischen den Gelehrten aller Länder“) eine internationale Vereinigung der