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den klassenkämpferisch-revolutionären Gestus dieser Dichtung unterstrichen. Er begründet eine oppositionelle Haltung zur bestehenden Ordnung, die durch standardisierte, aus der sozialistischen Arbeiterbewegung heraus verfügbare und bekannte Bilder und Symbole hervorgerufen wird: das „Bauvolk der kommenden Welt“ (V 1), die „rote Fahne“, die dem Weg voranfliegt (V 5 £, 13 £.), die „Fesseln“, die gesprengt werden (V 12) und die „Zukunft“, für die getreu gekämpft wird (V 7, 15). Neben dem abgrenzenden Wir istes dieser Gestus, der die Rezipienten auf den Klassenkampf einschwört und dadurch — wie Frank Trommler das genannt hat — das „Gefühl der Anteilnahme am politischen Kampf“ und den „emotionalen Gegensatz zum kapitalistischen Umfeld“ verstärkt. Die „Februarballade“ (1935) Fritz Brügel nimmt innerhalb der „Februar“-Literaten — Ulrich Weinzierl nennt nicht weniger als 180 Werke’? — eine Sonderstellung ein, und zwar in zweifacher Hinsicht. Erstens: Kein Schriftsteller hat so rasch (sein erstes Gedicht, das auf der Rückseite einer Postkarte gedruckt wurde, kam bereits im April 1934 nach Österreich) und intensiv auf dieses Ereignis reagiert. Zweitens: Brügel hat nicht nur mit Abstand die meisten „Februar“-Gedichte verfaßt, sondern mit seiner „Februarballade“ zugleich auch eine der bekanntesten und gültigsten literarischen Auseinandersetzungen mit dem Thema geschaffen. Insgesamt zog der Februaraufstand zahlreiche literarische Auf- und Verarbeitungsversuche nach sich. Renommierte Autoren wie Stephen Spender, Romain Rolland, Ilja Ehrenburg oder Anna Seghers setzten sich mit diesem Thema auseinander. In Österreich waren es vor allem sozialdemokratische und kommunistische Autoren, die auf dieses Ereignis auch literarisch reagierten. Fritz Brügel wird heute vor allem als Schöpfer der „Februarballade“ wahrgenommen. Sie begründete seinen Rufals Schriftsteller des politischen Exils und verschaffte Brügel eine in einem begrenzten Rahmen wirksame Popularität. Für Karl-Markus Gauß ist sie die „wohl bekannteste sozialdemokratische Biirgerkriegsdichtung“"’, für Ulrich Weinzierl „[d]as bedeutendste lyrische Dokument der Betroffenheit“'?, Ernst Glaser nenntsie „die erste gewichtige Dichtung“'’zu diesem Thema und für Bernhard Denscher gehört sie „zum literarisch Wertvollsten, das jemals über den österreichischen Bürgerkrieg geschrieben wurde.“'* Erstmals publiziert wurde die „Februarballade“ 1935 in Form eines 14x 10 cm großen, 26-seitigen roten Büchleins, welches im sozialdemokratischen Exil-Verlag „Der Kampf“ vertrieben wurde.' Brügel selbst beschreibt den Werdegang dieser Ballade rückblickend wie folgt: „Ich bin mit der ‚Februarballade‘ nahezu ein Jahr lang in meinem Inneren herumgegangen und habe nicht gewagt, sie aufzuschreiben, um den ersten Instinkt nicht zu zerstören. Dann schrieb ich sie, vor Erregung zitternd, sechs Monate lang auf, sie hatte über sechzig Strophen. Dann kam der Prozeß der Kürzung, der wieder wochenlang dauerte. Schließlich war die endgültige Form gefunden. Ich fuhr nach Brünn und las die Ballade O. B. (= Otto Bauer, Anm. d. V.) vor, den sie wirklich erregte, er wollte sie sofort drucken. Jetzt wurde die Ballade Deutsch (= Julius Deutsch, Anm. d. V.) vorgelesen, denn er war für den Verlag verantwortlich. Ich wollte das Gedicht nicht im ‚Verlag des ‚Kampf“ in Brünn haben. Der größte damalige Emigrationsverlag wollte das Gedicht mit Holzschnitten illustriert publizieren, er wollte dafür Masereel gewinnen. Da aber Bauer das Gedicht im Verlag des Kampf haben wollte, stimmte ich natürlich Bauer zu.“!° Nach Österreich wurde die „Februarballade“ in großer Stückzahl geschmuggelt, um dann über das illegale Netz der Sozialisten verteilt zu werden. In dem 1937 veröffentlichten Brügelschen Lyrikband „Gedichte aus Europa“ hat die „Februarballade“ dann ebenfalls Aufnahme gefunden.!’ Im Jahr 1946 wurde sie schließlich nochmals als Einzelpublikation herausgegeben, und zwar im Wiener Vorwärts-Verlag in der Reihe „Sozialistische Hefte“, für die der Aktivist der Revolutionären Sozialisten, Erwin Scharf, verantwortlich zeichnete." Textlich gliedert sich die „Februarballade“ in acht Abschnitte von unterschiedlicher Strophenanzahl, wobei die Gesamtzahl der jeweils vierzeiligen Strophen 81 beträgt. Dem Gedichtzyklus ist eine Widmung an die standrechtlich hingerichteten Februarkämpfer vorangestellt, die von Brügel namentlich angeführt werden. Die Zyklen 2-6 bilden den eigentlichen Erzählkern der Ballade, der den heroischen Widerstand dreier Februarkämpfer gegen ein Bundesheerbataillon schildert. Zyklus 2, der 18 Strophen umfaßt, könnte man unter den Titel „Mobilmachung in der Kaserne“ stellen. Die seelenlose Maschine Soldat, die den militärischen Befehlen ohne Widerrede Folge leistet, wird bei Brügel zum Symbol des faschistischen Systems, dessen Macht in der Ballade durch einen Leutnant repräsentiert wird: Und der Leutnant tritt her, Gewehr nach Gewehr visiert er mit prüfendem Blick, jeder Mann reicht den Mannlicherstutzen her und springt in die Reihe zurück. „Patronen verteilt!“ Es blitzt wie ein Beil der Befehl, den man über sie warf. Jeder Mann in Eil vafft auf seinen Teil und hört: „Heut schießen wir scharf!“ (G 79) In Zyklus 3, insgesamt acht Strophen lang, prangert Brügel die jegliche Menschenrechte mißachtende Praxis der Standgerichte an. Am Ende dieses Zyklus schließt Brügel mit der schaurig-grotesken Visualisierung des Todes der Februarkämpfer an die drastische Bildsprache seiner anderen „Februar“-Gedichte an: Wer im Winde sich schwenkt, in die Schlinge gezwängt, der bleibt stumm für ewige Zeit, wie die Puppe verrenkt er die Glieder und hängt tot wie ein zerbrochener Eid. (G 82) In Zyklus 4, der wie Zyklus 3 als politischer Exkurs angelegt ist, entwickelt Brügel so etwas wie ein politisches Programm des Rechts auf Widerstand. Die Zyklen 5 und 6 setzen mit der Schilderung des Kampfgeschehens fort. Hier steht der heroische Kampf dreier Arbeiter, die nur mit einem Maschinengewehr bewaffnet sind, gegen ein Bataillon von Soldaten im Mittelpunkt. Im Dialog der Arbeiter mit den Soldaten verdeutlicht Brügel nicht nur die Dramatik des Geschehens, sondern zeichnet auch die verhärteten Fronten zwischen den beiden politischen Lagern nach: So vergeht eine Zeit, sie hocken bereit um ihr Maschinengewehr, aufklappt das Tor weit, eine Stimme schreit: „Ihr da oben, hört jetzt her: Das Standrecht regiert, wer jetzt nicht pariert November 2014 53