OCR Output

Friedrich Hillegeist
So starb ein Rebell!

Dem Andenken Georg Weissels geweiht.

Erschienen unter dem Pseudonym Fred Hildebrandt

Ein Galgen ward aufgerichtet zur Nacht...
Dumpf hallten die Schläge hinein in die Zelle,

in der er die letzten Stunden durchwacht.

Zwei Stunden nur noch, und die Sonne, die helle,
erstrahlet in ihrer goldenen Pracht.

Da ward er vor seine Henker gebracht.

Erhobenen Hauptes schritt er hinaus

und trat vor die Richter in schwarzen Talaren...
Lautlose Stille lag über dem Haus.

Die Richter schienen so seltsam zerfahren

und brachten nur stockend die Fragen heraus.
Er wollte nicht leugnen — und so war es bald aus.

Angeklagter, was war Ihr Rang? —

Ich war Kommandant und habe alles verbrochen!
Die andern taten nur, was ich sie zwang.

Nach kurzer Beratung war das Urteil gesprochen:
Schuldig! Verurteilt zum Tod durch den Strang!
Drei Stunden noch bleiben zum letzten Gang.

Und Abschied nahm er von Weib und Kind. —
Zum letztenmal hielt er die Frau umfangen,
die alles ihm war. — Und zart und lind
streichelt er seinem Söhnchen die Wangen. —
Dann aber wand er sich ab geschwind,

von brennenden Tränen die Blicke blind.

Und er trug ihr auf eine heilige Pflicht:
„Erzieh unser Kind in unserem Geiste!

Erfüll es mit unsrer Ideen Licht

und mit Haß und Verachtung, gegen die feiste
Gesellschaft, die jetzt mir das Urteil spricht. —
Und haltet einst strafend Gericht!“

Und noch ein letzter Druck der Hand...

Dann wurden sie auseinander gerissen.

Die Frau, von des Abschieds Qual übermannt,
hat dennoch im Trotze die Zähne verbissen

und hielt dem Furchtbaren mutig stand. —

Er wandte sich schweigend, bleich wie die Wand.

Und singend schritt er zum Galgen empor,
die Hände zu drohenden Fäusten geballet...
Und trotzig erklang es, wie vielfacher Chor,
da von den Wänden es widerhallet:

„Völker, hört die Signale,

auf zum letzten Gefecht!

Die Internationale

erkämpft der Menschen Recht!“

56 ZWISCHENWELT

...der Menschen Recht!
So starb ein Rebell!

Ein vaterlandsloser, verderbter Gesell!

So heißt es doch wohl in der Sprache der Bürger...
Doch faßt Euch nicht Bangen, verächtliche Würger,
und hört Ihr nicht, was in die Ohren Euch gellt?

So stirbt kein Verbrecher, so stirbt nur ein Held!

Und die Idee, für die er gestorben,

sie lebt unsterblich! Wenn die Fahne auch fällt,
so nehmen sie auf und tragen sie weiter

des Sozialismus begeisterte Streiter:

Verfehmte von heute, doch Sieger von morgen! —

Aus: Arbeiter-Zeitung (Brünn), 15. April 193& S. 5.

Friedrich Hillegeist (21.2.1895 Wien — 3.12.1973 Wien, KZ
Buchenwald überlebt) wuchs nach dem frühen Tod seines Vaters Max
Hillegeist bei seinen Großeltern in Rostiz/Mähren auf! Er besuchte
die Handelsakademie in Olmütz. 1913 kam er nach Wien und
wurde kaufmännischer Angestellter bei den Siemens-Schuckertwerken.
Schon früh engagierte er sich in der Gewerkschaft. 1917 wurde er
Gewerkschaftsmitglied, knapp vor dem Ersten Weltkrieg Angestellten¬
betriebsobmann. 1920 wurde er Vorstandsmitglied des Bundes der
Industrieangestellten Österreichs. Ab dem Jahr 1934 arbeitete er als
Werber für Kleinlebensversicherungen bei der Versicherungsgesellschaft
Phönix und als Vertreter im Kohlengroßhandel. Hillegeist verfasste die
1934 illegal verbreiteten Gedichte „So starb ein Rebell!“ und „Schliefft
die Reihen!“. Nach dem Verbot der Freien Gewerkschaften beteiligte
er sich an der Untergrundarbeit, er war Mitglied der Leitung der
illegalen Freien Gewerkschaften. Für seine Veröffentlichungen in der
Jllegalität verwendete er das Pseudonym Fred Hildebrand.

Im März 1938 war er als Gewerkschaftsfunktionär Sprecher einer
Delegation, die mit Bundeskanzler Schuschnigg über einen gemein¬
samen Kampf gegen die Nationalsozialisten verhandelte. Er gehörte
zu den ÖsterreicherInnen, die innerhalb von 24 Stunden nach dem
Einmarsch der deutschen Truppen verhaftet wurden. Er war in der
Folge mehrmals in Gestapohaft und schließlich im KZ. Insgesamt
war er während der Zeit des Nationalsozialismus 14 Monate ein¬
gesperrt, von Anfang September 1939 bis Ende April 1940 im KZ
Buchenwald. Ab 1941 arbeitete er als Geschäftsführer der Kohlenfirma
„Carboproduct“ in Krakau, nach einer weiteren Verhaftung durch
die Gestapo 1944 kam er nach Brünnlitz, wo ihn sein Bekannter aus
Krakau, Oskar Schindler, engagierte (siehe Beitrag von Robert Rosner).

Nach der Befreiung wurde Hillegeist Abgeordneter zum Nationalrat
(bis 1962) und er engagierte sich wieder in der Gewerkschafisbewe¬
gung. Er wurde Vorsitzender der Gewerkschaft der Angestellten in der
Privatwirtschaft, 1948 Obmann der Angestelltenversicherungsanstalt
(bis 1963). 1955 wurde er Präsident des Internationalen Bundes