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meine Großmutter in Treblinka. Ebenfalls in Vernichtungslagern und Gaskammern starben die beiden Schwestern der Großmutter aus Wien, aus Prag drei Schwestern meines Vaters (die Ehemänner waren bereits verstorben), deren Kinder, Schwiegerkinder und Enkel, acht, zehn und zwölf Jahre alt. In Dänemark, den USA und Rückkehr nach Wien Zwei Wochen vor der Geburt meines Sohnes kam ich nach Dänemark. Im folgenden Jahr war ich hauptsächlich eine begeisterte Mutter. Ich schrieb auch eine längere Arbeit über die Neugestaltung des Sozial- und Gesundheitswesens in Großbritannien (BeveridgeReport°), der vom dänischen Sozialministerium in Form einer Broschüre veröffentlicht wurde. Ich hatte durch die Heirat mit einem US-amerikanischen Staatsbürger die tschechische Staatsbürgerschaft verloren und war staatenlos. Als Frau eines in Übersee stationierten amerikanischen Soldaten konnte ich binnen sechs Monaten die amerikanische Staatsbürgerschaft erwerben, musste aber dazu in die USA fahren. Ich reiste also mit meinem kleinen Sohn 1946, damals noch mit dem Schiff. Das Boot war voll mit rückkehrenden Soldaten, viele mit Kriegsbräuten. Nach der Überfahrt mussten wir noch zwei Tage mit der Eisenbahn nach Seattle an der Westküste reisen, wo meine Schwiegermutter und Josephs Bruder Walter lebten. In Seattle nahm ich einen Job als Sozialarbeiterin in einer jüdischen Wohlfahrtsorganisation an, während Josephs Mutter mein Kind betreute. Ich musste die vorgeschriebene Prüfung für die Verleihung der amerikanischen Staatsbürgerschaft ablegen und konnte im Februar 1947 wieder nach Europa zuriickreisen. Joseph war inzwischen nach Wien zurückgekehrt. Es hatte ihn nach Österreich gezogen. Er hegte die Illusion, es wäre für rückkehrende Emigranten möglich, am Wiederaufbau des Landes mitzuwirken. Er erhoffte sich eine Rolle in der wiedererstandenen sozialistischen Partei.‘ In seiner Autobiographie „Augenzeuge“ schildert er, wie er so bald wie möglich Adolf Schärf, den damaligen Parteivorsitzenden, aufsuchte und seine Dienste anbot. Schärf gab ihm den guten Rat, er solle doch bei den amerikanischen Besatzern bleiben und eine Mittlerrolle zwischen ihnen und der SPÖ einnehmen. Joseph fühlte sich geschmeichelt und durchschaute nicht, dass Schärf bloß einen Juden an der Rückkehr in seine Partei hindern wollte. Mir war es recht, denn ich kam ohnedies nicht gerne nach Österreich zurück. Joseph, der Jurist war, erhielt eine Stellung in der Rechtsabteilung der amerikanischen Hochkommission in Wien. Auch ich fand eine Stelle dort als Assistant Labor Advisor. Die Abteilung, in der ich arbeitete, sollte Verbindung mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) halten. Es war die Zeit des Beginns des Kalten Kriegs. Nachdem die KPÖ bei den ersten Wahlen nach dem Krieg nur 5,5 % der Stimmen erhalten hatte, war die Gefahr der Übernahme der Macht aufdemokratischem Weg gebannt. Man befürchtete jedoch einen kommunistischen Putsch. Die Amerikaner wollten sich den ÖGB zum Verbündeten machen; unter anderem durch Geldflüsse vom amerikanischen Geheimdienst CIA zum ÖGB. Die Aufgabe meiner Abteilung war die Verbindungzum ÖGB zu pflegen und über Vorgänge zu berichten. Ich kann mich nicht erinnern, auf welche Weise man zu Informationen kam. Ich glaube, meist aus der Zeitung, durch persönliche Kontakte und gegenseitige Einladungen. Ich verfasste Berichte über Vorgänge in Gewerkschaftskreisen, denen jede Brisanz fehlte. Was hinter den Kulissen vorging, erfuhr ich nicht, das war Höherrangigen vorbehalten. Zu unserer Abteilung gehörte auch der Gewerkschaftsfunktionär Wesley Cook, Vertreter der American Federation of Labor (AFL). Die Leute, mit denen ich zu tun hatte, waren nette Menschen, politisch Demokraten, und man verkehrte auch privat miteinander. Ich hatte keine Bedenken, diese Arbeit zu tun, denn meine Sympathie war ohnedies auf Seite des Westens. Ich beendete die Tätigkeit, als 1948 meine Tochter zur Welt kam. Psychologie und Psychoanalyse Damals stand ich noch unter dem Einfluss von Anna Freud und wollte mich in Psychoanalyse ausbilden. Dazu musste man aber ein Doktorat entweder in Medizin oder Psychologie haben. Noch 1948 inskribierte ich an der Wiener Universität. Gleichzeitig begann ich mit einer Lehranalyse. Als ich 1952 in Psychologie und Anthropologie promovierte, war ich im neunten Monat mit meinem dritten Kind schwanger. Ein Jahr später wurde ich a.o. Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Ich blieb 41 Jahre lang Mitglied, che ich mich entschließen konnte auszutreten. Ich habe nie als Psychoanalytikerin gearbeitet. Je mehr ich mich mit Psychoanalyse beschäftigte, desto desillusionierter wurde ich. Ich musste mir eingestehen, dass ich durch meine Faszination von Anna Freud aufeinen Irrweg geraten war. Die Psychoanalyse war als Heilmethode umstritten, als Theorie war sie cher Religion als Wissenschaft. Ich sah mich als Psychologin, nicht als Analytikerin. Ich bin keineswegs gegen Psychotherapie, weiß aber, dass bei allen Richtungen die Beziehung das heilende Element ist. Um mehr Praxis zu erlangen, aber auch um etwas Nützliches zu tun, arbeitete ich nach Abschluss des Studiums ehrenamtlich als Therapeutin in einem Heim für verhaltensgestörte Kinder, das von der Quäkerhilfe geführt wurde. Nach dem Staatsvertrag Als 1955 die Besatzungsmächte Österreich verließen, mussten wir uns entscheiden, ob wir in die USA zurückkehren oder in Österreich bleiben wollten. Ich wollte lieber weg, Joseph wollte bleiben. Also blieben wir. Wir mussten aus unserer schönen Villa ausziehen. Sie war von den Amerikanern requiriert worden, ein von den Nazis arisiertes Objekt; zuletzt hatte der SS-Führer Ernst Kaltenbrunner in ihr gewohnt. Arbeit hatten wir auch keine. Von unseren Ersparnissen kauften wir eine Wohnung in der Inneren Stadt. Sie war aber nicht bezugsbereit, sondern in einem von Bomben beschädigten Haus, das gerade wieder hergestellt wurde. Unsere Freunde Wilhelm und Claire Rosenzweig boten uns an, vorläufig bei ihnen zu wohnen. Wilhelm war SPÖ-Anwalt und hatte es seit seiner Rückkehr aus England bereits zu Wohlstand gebracht. Sie besaßen eine große, elegante Villa, die sie aufwendig renoviert hatten. Ich war dagegen, die Einladung anzunehmen, ich empfand es als eine Zumutung für das kinderlose Ehepaar Rosenzweig. Joseph war aber sicher, dass sie sich über uns freuen würden. Schließlich zogen wir mit Sack und Pack zu siebent (mit vier Kindern und Kindermädchen) bei ihnen ein. Es war die von mir November 2014 69