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sein“. Oder deren Mann Luis, der alkoholisiert Frau und Kinder schlug. Wie Lelo, der seine Frau „tagtäglich“ prügelte, bis sie nach Linz flüchtete und als Gattin von ihrer Schwester ersetzt wurde, der es nicht anders erging. Oder an ,,Kuku Paula‘, die „zu den wenigen Roma-Frauen gehörte, die über siebzig Jahre alt wurden“. Oder an „Leni und Schukia, die sich zwei Mal scheiden ließen und drei Mal heirateten“. Und ein Dank an all die anderen von Stefan Horvath beschriebenen Personen der Siedlungen. Ob Frauen oder Männer- in präzisen, knappen Sätzen portraitiert sie der Autor gleichwertig in selten gelesener Lakonie, die schlicht zu nennen abwertend klänge. Manchmal nur zwischen den Zeilen, manchmal in Nebensätzen, nie umständlich erklärend spürt er Schicksalen nach, deren Dreh- und Angelpunkt oft die Konzentrationslager des Nationalsozialismus waren. Das aber erschließt sich häufig nur indirekt, weil der Autor nicht mit dem Holzhammer erzählt, sondern jeden einzelnen Menschen vorurteilslos und letztlich liebevoll beschreibt und so zu seinem Recht kommen lässt. Gerade auch dann, wenn einer oder eine sich zu ihren Mitmenschen oder Partnern alles andere als freundlich benommen haben. Und er bringt manches Handeln schlüssig mitder grausamen Vergangenheit in Verbindung, die umso drückender wirkte, als einerseits nur wenige der Vernichtung entgingen und zurückkehrten, andererseits sich vieles davon fortsetzte, weil sich die „Verachtung der Minderwertigen“ und ihre Ausgrenzung fortsetzte. Eindrucksvoll beispielsweise die Beschreibung BRIEFE jener Frauen, die in den 70-er Jahren von einer „rätselhaften Krankheit“, begleitet von Verfolgungswahn, befallen wurden. Horvath bringt sie mit dem Umzug in die dritte Siedlung in Verbindung, deren Häuser erstmals mit Wasserleitungen und Duschen ausgestattet waren, was die Erinnerung an die Gaskammern wiederbelebte. Stefan Horvath war der erste unter den Oberwarter Roma, der eine Hauptschule besuchte. „Später arbeitete er bei Baufirmen in Wien und schaffte es zum Betriebsrat und Polier“, heißt es im Klappentext. Das einschneidende Ereignis, das ihm Anstoß zum Schreiben wurde, war jener Bombenanschlag im Jahr 1995, bei dem vier junge Männer getötet wurden, von denen einer sein Sohn war. Sein darauf folgendes Handeln war so, wie es die christliche Legende (in der Regel fälschlicherweise) Heiligen zuschreibt: Allein und ohne Aufsehen zu verursachen begab er sich eine Zeit lang später nach Gralla in der Steiermark, zu den Eltern des Attentäters. Und hat dort „zwei verzweifelte alte Menschen getroffen, denen es eigentlich genauso gegangen ist wie mir, die auch ein Kind verloren haben, eigentlich. (...) Es war für die Mutter irrsinnig schwer, weil sie mit den Tränen gekämpft hat, das ist ja klar, wenn da plötzlich ein Roma da ist, der ein Kind dabei verloren hat und trotzdem mit ihr reden will. Der keine Vorurteile entgegenbringt, sondern nur genauso verzweifelt ist wie sie und ihr Mann.“ (Dieses Zitat stammt nicht aus dem hier besprochenen Buch, sondern aus einem Gespräch auf der dem vorangegangenen Buch - „Ich war nicht in Auschwitz“ — beigelegten CD.) Was für ein Mann, kann man da nursagen! Und wäre das Wort von der Nächstenliebe nicht ein in weiten Teilen der Kirchen wie der Gesellschaft verbreitetes leeres Geschwätz, Stefan Horvath wäre ein zumindest vom Neusiedler- bis zum Bodensee geachteter und gepriesener Mann. So aber haben wir wenigstens seine Bücher. Von denen das hier behandelte auch all jenen, die nichts von diesen seit Jahrhunderten im heutigen Burgenland lebenden Roma wissen, einen eindrucksvollen Einblick gibt, Verständnis und Zuneigung bewirkt. Horvath beschreibt zunächst jene Behausungen, in die die wenigen nach dem Ende des NSRegimes zurückkehrenden Roma eingewiesen und abgeschoben wurden. In der Folge zählt er ein „Haus“ nach dem anderen auf, nennt die Bewohner beim Namen und beschreibt sie in wenigen Worten. „Und zugleich“, so schreibt er im Vorwort, „ist es meine persönliche Geschichte, eine Lebensgeschichte voller Tragödien, Niederlagen und Demütigungen“. Die Roma, so Horvath, „waren lange Zeit Personen, die tatsächlich 'unberührbar' ("Atsinganos') waren. Erst das Attentat am 4.Feber 1995 (...) machte sie 'sichtbar' und 'berührbar'.“ — Und Stefan Horvath bringt sie zur Sprache. Karl Wimmler Stefan Horvath, Atsinganos. Die Oberwarter Roma und ihre Siedlungen. Oberwart: edition lex liszt 2013, 147 S. Euro 17, Zum Schwerpunkt „Streiflichter Tschechoslowakei“ in ZW Nr. 2-3/2014: Liebe Kramerianer, lieber Konstantin, liebe Adunka u.a., soeben habe ich das Heft bekommen, schön und danke, es ist soviel, dass ich noch nicht alles durchgelesen habe. Aber ein dringendes Anliegen treibt mich an den Computer: Falls Ihr wieder einmal die Tschechoslowakei thematisiert, wäre es passend, das Augenmerk auf Leopold Grünwald zu richten. Ich teste hier in Deutschland, wo ich lebe und das Thema „Vertriebene“ immer noch aktuell ist, ob jemand weiß, dass es im sogen. Sudetenland auch Widerstand gab — da begegnen mir immer nur große staunende Augen. Man könnte auf Grünwalds Schriften - u.a. „In der Fremde für die Heimat. Sudentdeutsches Exil in Ost und West“ — hinweisen. Vielleicht habt Ihr das jaauch schon mal getan, ich möchte es nur in Erinnerung bringen, mit herzlichem Gruß Hazel Rosenstrauch, Berlin, 10. September 2014. — Wir haben es leider nicht getan und hoffen, Gelegemheit zu finden, darauf zurückzukommen. — Red. Sehr geehrter Herr Emanuely Im Namen einiger Oplatkas : Danke fiir den Artikel in Zwischenwelt 8/2014 Zu meiner Schande - ich wusste nicht um den beruflichen Werdegang von Hans Oplatka. Ich weiß nicht einmal wie ich mit ihm verwandt bin — aber ich bin es sicher. Die erste Story, die meine Mutter mir erzahlte, war ein Anruf, den sie so 1939-40 in Budapest bekommen hat mit „Hier ist Hans Oplatka“ worauf meine Mutter sagte: das kann nicht sein, Hans Oplatka ist mein Mann, und das sind Sie nicht! (Mein Vater hieß tatsächlich auch Hans - sie wussten natürlich um die Verwandtschaft). Ich habe Hans (+Maggie) und seinen Bruder Franta in Wien kennengelernt, sie kamen her um einander und uns zu treffen (ca. Mitte der 80er Jahre). Das war schon seine Fremdenführerzeit. Angestachelt durch Ihren Artikel werde ich doch ein bisschen der Familiengeschichte nachgehen. Glücklicherweise bekomme ich demnächst Besuch von den Oplatkas aus Zürich, denen ich Ihren Artikel zeigen werde. (Ein pensionierter Journalist /NZZ/ ist dabei). Ich kann auch den Neffen von Hans Oplatka, Franta in Prag befragen, was er von seinem Onkel weiß. Nochmals vielen Dank für den Artikel Franz Oplatka, Wien, 13.September 2014, per Email Sehr geehrte Damen und Herren der Theodor Kramer Gesellschaft! Liebes Redaktionsteam! Ich weiß zwar, dass sich voriges Jahr (genauer im April 2013) schon Martin Omnitz, Vorgänger und Freiwilliger an meiner Arbeitsstätte, dem „Russian Research and Educational Holocaust Center“, für den Erhalt Ihrer Zeitung bedankt hat, möchte es hiermit trotzdem noch einmal persönlich bestärken. Erstens, weil die Zwischenwelt im Zentrum als einziger Iransporteur österreichischer Lyrik fungiert und den zweifelsohne erwähnenswerten, aber (zumindest mir) teilweisenoch unbekannten Schicksalen eine starke Stimme gibt. Zweitens, weil es die Zeitschrift ausgezeichnet versteht, Texte zu veröffentlichen, die mir den Einstieg bei der Beschäftigung mit der’ Thematik Exil erleichtert hat und darüber hinaus unzählige Anknüpfungspunkte anbietet, selber weiter zu recherchieren und anschließend in die eigene Arbeit einzubinden. Dafür herzlichen Dank! Lukas Mayer, Moskau, 19. September 2014 (Austrian Service Abroad Österreichischer Auslandsdienst) November 2014 77