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Richard Wall Rede anlässlich der Gedenkfeier am 7. Juni 2015 beim Mahnmal in Treffing, in Erinnerung an die vor 70 Jahren gegen Kriegsende exekutierten Patrioten und Widerstandskämpfer Sie sind hierher gekommen, um ein Zeichen zu setzen gegen das Vergessen und damit auch für die Zukunft. Dies ist kein Widerspruch. Ein Zeichen aus einem Gefühl von Anerkennung und Trauer, auch Stolz vielleicht über jene Männer, die vor 70 Jahren, genauer gesagt am 28. April und am 1. Mai 1945, hier exekutiert worden sind. Das Grab ist, wie Johann Gottfried Herder sagte, „ein Ort der Wahrheit“. Wir stehen zwar nicht an Gräbern, aber an einer Gedenkstätte, die errichtet wurde, um an den Tod von Menschen zu erinnern, die „Selbstdenker“ gewesen sind und als fleisch- und geistgewordene Opposition zu einem verbrecherischen System hier exekutiert worden sind. Dieser Ort hier ist insofern ein Ort der Wahrheit, da er wie in einem Brennglas zu zeigen vermag, wer in Wahrheit seine Heimat geliebt, ja verteidigt hat, und wer nach Jura Soyfer, dem jüdischen Kabarettisten und Schriftsteller, der 1939 im Alter von 26 Jahren im KZ Buchenwald ermordet wurde, dem Menschsein näher war. Soll der Mensch in uns sich einst befreien, Gibts dafür ein Mittel nur allein: Stündlich fragen, ob wir Menschen seien, Stündlich uns die Antwort geben: Nein! Wir sind das schlecht entworf’ne Skizzenbild Des Menschen, den es erst zu zeichnen gilt. Ein armer Vorklang nur zum großen Lied. Ihr nennt uns Menschen? Wartet noch damit! Dass wir uns hier treffen, in diesem Halbkreis aus Stahlplatten, haben wir einerseits dem Gemeinderat von Engerwitzdorf, vor allem Dr. Johann Seyr, den Mitgliedern des Kulturausschusses, Ing. Karl Pelz und Dr. Wilhelm Mayrhofer, sowie dem damaligen Bürgermeister Johann Schimböck, andererseits, was die Konzeption des Denkmals betrifft, dem Schriftsteller und Fotografen Heimrad Bäcker zu verdanken. Letzterer, Bäcker, als HJ-Bube begeisterter Nazi, erkannte später, von welchem System er zutiefst emotional wie geistig geprägt worden war. Er, der im Mai 1945 zu Arbeiten in den Krankenbaracken des befreiten Konzentrationslagers Mauthausen herangezogen worden war, beschäftigte sich auf seine Art über Jahrzehnte mit dem NS-Regime und erkannte, als Schriftsteller sensibel für jede Art von Wortgebrauch, dass bereits in den schriftlichen Zeugnissen der „nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie“ der unglaubliche Wahnsinn sich offenbarte. Entstanden ist, 45 Jahre nach Kriegsende, eine Gedenkstätte in einer für die Arbeit von Bäcker typischen, nüchternen Form. Denn gegen den Furor des NS-Regimes kommt man nicht an mit gutgemeintem Pathos. Die Heroisierung unterlaufend entspricht die Schlichtheit auch der Herkunft und der Klasse, aus der die Exekutierten kamen. Arbeiter, Handwerker, Kleingewerbetreibende allesamt. Kein Akademiker, kein Arzt, kein Professor, kein Von und Zu. Nun aber schleunigst zu den hier Exekutierten, zu den Taten derer, die wir nicht vergessen sollten, denen als Menschen mit Hausverstand und Mitgefühl, als Patrioten und Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit unsere Hochachtung gilt. Die Peilsteiner Josef Autengruber, Karl Haider, Karl Hartl, Hans Hesch und Max Innertsberger taten nichts anderes als den Markt vor einer sinnlosen Verteidigung und in der Folge vor der Zerstörung zu bewahren. Nachdem am 26. April 1945 USTruppen und Panzerverbände die bayrisch-oberösterreichische Grenze, die damals allerdings keine war, erreicht hatten, sollte — man stelle sich diesen Irrwitz einmal vor — mit improvisierten Panzersperren, bestehend aus ein paar eiligst umgesägten Bäumen, das weitere Vordringen einer technisch und moralisch überlegenen Armee verhindert werden. Jene Orte im Westen, die dies versucht hatten, waren beschossen worden, daher überlegten einige herzhafte Bürger von Peilstein in Sorge um den Markt und um Menschenleben diese strategisch ohnehin unsinnigen Hindernisse wegzuschaffen. Doch der Volkssturmführer Reisenbichler setzte Märzinger die Pistole an und verlangte die Wiederherstellung der Panzersperre. Der Ortsgruppenleiter setzte sich ebenfalls in Szene, und die Sperre wurde in Anbetracht der Drohung, die Tat werde „ein böses Nachspiel“ haben, wieder aufgestellt. Fatalerweise befand sich in der darauffolgenden Nacht Gauleiter Eigruber in Ulrichsberg, um die angeordneten Verteidigungsmaßnahmen zu überprüfen. Über die „Wehrkraftzersetzer“ informiert, traf er mit dem Kreisleiter von Rohrbach, dem Gauorganisationsleiter aus Linz und Männern der SS schon um 5 Uhr früh in Peilstein ein. Er ließ von der SS sofort die vom Volkssturmführer denunzierten Männer, nämlich Karl Hartl, Josef Autengruber, Karl Haider, Hans Hesch, Max Innerstberger, Johann Pfeil, Johann Oberngruber sowie den Gemeindearzt Dr. Hermann Auinger zu sich kommen. Der Wagnermeister Franz List, der ebenfalls geholt werden sollte, konnte, nomen est omen, mit dem Hinweis, er müsse sich erst noch ankleiden, mit seiner Gattin durch das Schlafzimmerfenster fliehen. Franz Märzinger war schon am Vorabend mit den überlieferten Worten „Männer, gemma, es ist Zeit!“ geflüchtet. Nach einem Einzelverhör aufdem Gendarmerieposten wurden zwei Männer wieder freigelassen: Der Landwirt Johann Pfeil, der denunziert worden war, weil er nicht sofort seine Pferde zum Errichten der Sperre zur Verfügung gestellt hatte, und der Zimmermann Johann Oberngruber, der nach dem Aufstellen der Wühlmausfallen zufällig zu dem Zeitpunkt zur Sperre gekommen war, als die genannten Männer diese entfernen wollten. Am frühen Vormittag wurden die übrigen sechs mit einem LKW in das Landesgericht nach Linz gebracht. Bereits am nächsten Tag kam es zur Standgerichtsverhandlung: Autengruber, Haider, Hartl, Hesch und Innertsberger wurden wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode verurteilt, tags darauf um 18:30 Uhr durch eine Abteilung Volkssturm — bestehend aus 16- bis 17-jährigen HJ-Buben — in Treffling exekutiert. Dr. Auinger hatte als Wehrmachtsangehöriger verlangt, einem Wehrmachtsgericht übergeben zu werden; wegen des Kriegsverlaufes entging Dr. Auinger einer Verurteilung. September 2015 11