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Wahrscheinlich ist es nutzlos, sich rückwirkend über die Grausamkeit des Dritten Reiches zu ereifern. Wir sollten uns nicht einer behaglichen Illusion hingeben im Bewusstsein von: Ach, wie schlimm war es damals, wie gut geht es uns doch heute. Man sollte nicht vergessen, dass die negative Saat der Gegenreformation, die Folgen der Niederlage der Bauernheere, die Nachwirkungen des Absolutismus und vor allem des Faschismus auch heute noch vorhanden sind. Als politische Gesinnung in so mancher Partei und explizit im Untergrund — aber auch in Eigenschaften wie Anpassung, Unterwürfigkeit, Mangel an Zivilcourage, Untertanengeist, Behördengläubigkeit und Bequemlichkeit; in Verhaltensweisen wie „Radlfoahn“ — nach oben buckeln und nach unten treten — und aktuell im sogenannten Mobbing und Cyber-Mobbing: Eigenschaften und Untugenden, die das Terrorregime des Nationalsozialismus ermöglicht haben und weiterhin fortleben, in uns und um uns. Es gilt, nach Jura Soyfers Diktum - „stündlich fragen, ob wir Menschen seien“, wachsam und skeptisch zu sein, was unser Menschsein und unser Zusammenleben betrifft. Aus gegebenem Anlass folgende Rand- und Schlussbemerkung: In Burgenland entsteht eine Koalition mit einer Partei, die vom zukünftigen Landeshauptmann folgende zwei Ressorts erhält: Robert Streibel Im Kreisverkehr zum Dead End Rede zur Eröffnung des Denkmals „Dead End“ von Daniel Spoerri in St. Pölten am 5. Juni 2015. — Daniel Spoerri unterhält seit 2009 sein eigenes Ausstellungshaus mit Esslokal in Hadersdorfam Kamp, wo die Figurengruppe „Dead End“ zuerst ausgestellt war. Eine Rede kann man oder frau nur ein Mal beginnen, so wie man für sein Leben nur eine Chance hat. Oder? Auch aus einer Sackgasse gibt es ein Entrinnen. Und wie ist das, wenn es sich um ein Dead End handelt? So hätte ich meine Rede beginnen können. Oder ich hätte an den Anfang eine Aufzählung von Namen gesetzt, wen sie hier aller sehen, Namen über Namen. Die Liste der Namen würde zu einer Litanei werden, zu einem Singsang. Wollen wir es probieren? Ivan Balasic, Nikolaus Dekas, Franz Fiala, Anton Filipovic, Leopold Führich, Gustav Gebhardt, Franz Ludwig, Miodrag Monaj, Andreas Muchart, Karl Pelikan, Johann Schachermeyer, Friedrich Schneller, Stanislaus Skora, Friedrich Stillner, Dragoslav Stojanovic, Dimitrios Tsangarakis, Constantinos Tustagis, Franz Tranka, Alois Westermeier, Panajonis Alcas. Spätestens nach dem 10. oder 20. Namen würden sie sich die Augen reiben und sich fragen, wie es denn sein könne, dass hier so viele Namen genannt werden, aber nur fünf Figuren zu erkennen sind. Thomas Andalacis, Konstantin Angris, Franz Bauer, Leopold Beloskovic, Nikolaus Bogdanoff, Johann Bélz, Franz Bruckner, Marien Cacktas, Celser Carziane, MichaelCastopoulos, Marios Chatzizmwas, Franz Dolezal, Florio Donatis, Franz Doyscher, das Sicherheits- sowie das Wirtschaftsressort. Mit den Agenden Sicherheit eine Partei zu betrauen, deren politisches Programm es ist, Hetze zu betreiben, Biirger zu verunsichern und Menschen gegeneinander auszuspielen, empért mich — und empért erfreulicherweise nicht nur mich. Und die Wirtschaftskompetenz dieser Leute sollte eigentlich bekannt sein aus der Zeit zwischen 2000 und 2006 und durch das nachhaltige Beispiel aus Karnten, das Hypo-Desaster ist ja „nur“ die Spitze des Eisbergs. Sind wir, oder genauer, sind die entscheidenden Massen fähig, aus der Geschichte zu lernen? — Ich iiberlasse Ihnen, schr geehrte Damen und Herren, die Antwort. Von Richard Wall ist eine Broschüre über die „NS-Endphaseverbrechen in Treffüing“ erschienen, mit Beiträgen auch von Josef Pühringer (Landeshauptmann von Oberösterreich), Herbert Fürst (Bürgermeister von Engerwitzdorf), Franz Lindinger (Bürgermeister von Peilstein im Mühlviertel). Im Anhang finden sich Fotos und biographische Daten zu den Exekutierten. Vgl. zu Richard Wall Konstantin Kaisers Skizze „Amseln im Schnee, Archäologie der Ferne“ in ZW Nr. 3-4/2013, S. 31. Julius Draxler, Karl Eder, Johann Feis, Josef Fikr, Anton Fischer, Anton Calia, Ludwig Clatz, Karl Hadinek, Peter Hell, Franz Hrabcik, Franz Jammernegg, Josef Jelinek, Heinrich Kammel, Karl Katzjager, Josef Klamler, Johann Klapper, Ferdinand Klimt, Josef Köhler, Alfred Körner, Marino Kokopas, Franz Kocvalda, Franz Kodre, Franz Kosar, Gregorius Krikelis, Josef Kynel, Ulrich Kwarda, Johann Kwis. Hier geht es um Kunst und daher genügen fünf Figuren für das Universum der Gewalt. Hier geht es um Kunst und daher kann eine Rede mehrmals begonnen werden. In der Kunst gibt es auch die Möglichkeit, den Anfang und das Ende zu wiederholen. Doch die Liste mit den Namen ist hier nicht zu Ende, im Geiste haben sie mitgezählt und sind bei 61 angelangt, doch auch hier verebbt das Stakkato nicht. Johann Lang, Heinrich Lasky, Iwan Lekic, Christov Levantidis, Christos Liongas, Michael Theodoridis, Emil Tschernowitz, Oswald Tschertou. Weitere Namen, Namen, die sie noch nie gehört haben. Wer glaubt, anhand der Namen auf die Herkunft der Personen zu schließen, der muss mit Mutmaßungen leben lernen. Sie werden kein System feststellen können. Wieso kennen wir die Namen, wo doch die Figuren, die hier zu schen sind, alle gleich aussehen? Gleiche Größe, gleiche Statur. Die Art und Weise, wie das Bein angewinkelt oder der Arm verdreht ist, unterscheiden die fünf. Für eine Identifikation reicht dies jedoch nicht. Fünf Tote fiir alle Toten. Für alle Toten, die durch politischen Terror ermordet wurden, gewaltsam getötet mit dem Ziel auch September 2015 13