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Monarchie und das Auflammen nationalistischer Begehrlichkeiten, eine „Allerseelentragödie Österreichs“. Csokor erhält dafür den Grillparzerpreis und den Burgtheaterring. Ein Jahr danach, im März 1938, existiert dieses Österreich nicht mehr. Für Csokor beginnen acht Jahre der Emigration — es wird eine Odyssee durch den Krieg, die ihn nach Polen, wo er zunächst Asyl gefunden hat, und weiter nach Rumänien, auf den Balkan und auf die Insel Kor£ula verfolgt. Man versucht, ihm die Wege zu einer Rückkehr zu ebnen, die Familie drängt. Aber er hat noch „die widerlichen Szenen der Anbiederung vor Augen; in einer verlassenen Heimat, wo Freunde von einst einander plötzlich nicht kennen wollten, dafür aber die einmarschierenden fremden Soldaten jubelnd begrüßten ...“ Wenn er widerruft, hätte Csokor die Chance, neben Gerhart Hauptmann zum führenden Dramatiker Deutschlands zu avancieren — aber er bleibt Dissident (lange bevor dieser Begriff in den allgemeinen Wortschatz eingeht). „In Wien, wo sie alle begeistert waren, als hätte das Zaubermärchen von Tausend und einer Nacht begonnen, begreifen sie mich nicht: da ist ein Mensch, der alle Chancen jetzt in die Hand bekäme für seine Stücke, weil ja die jüdischen Kollegen aus dem Repertoire verschwinden — und er fährt ohne Zwang in das Exil?“ In Deutschland wird ein Aufführungs- und Verlagsverbot über ihn verhängt. Sein neues Stück „Gewesene Menschen“, das bereits von deutschen Bühnen angenommen war, muß abgesetzt werden, seine Bücher werden eingestampft... Auch in den Jahren der Emigration, der Flucht von einem Land ins nächste, schreibt Csokor unverdrossen weiter, obwohl die Hoffnung gering ist, seine Theaterstücke in fremdem Land in fremder Sprache zur Aufführung bringen zu können. „Und in einer solchen Lage bringen wir immer noch Gedanken und Gefühle zu Papier! Träumereien aus einem abgehackten Kopf so bezeichnen die Polen eine Arbeit ohne Sinn. Und die betreiben wir heute fast alle, wir heimatlos gewordenen Intellektuellen. Vielleicht steckt aber dennoch in solchen Träumereien ein Körnchen Wahrheit, die eines Tages stärker sein wird, als diese stramme Wirklichkeit von heute, an der wir krepieren!“ Der Schriftsteller Alexander Sacher-Masoch - er selbst „Halbjude“, mit einer Jüdin verheiratet und auf die Liste der Hochverräter gesetzt, nachdem er in den von ihm herausgegebenen „Neuen österreichischen Blättern“ einen Leitartikel über den Berliner Reichstagsbrand veröffentlicht hatte — war Csokor auf der Insel Korcula begegnet, wo beide im Kriegsjahr 1941 Zuflucht gefunden hatten und ein kärgliches Emigrantendasein fristeten. Er schreibt in dem nach Kriegsende von ihm gegründeten „Österreichischen Tagebuch“ über den zum Freund gewordenen Csokor: Jahr verging um Jahr, Flucht folgte auf Flucht, Gefahr auf Gefahr, sein Haar ergraute, Rock, Hose, Mantel wurden fadenscheinig, die Schuhe rissen auf, wie Mäuler, als wären auch sie vom Hunger verJolgt, der Dichter blieb sich selber immer gleich. Er fand stets Zeit für andere, er, der in kleinen Dingen des täglichen Lebens oft Ängstliche, trat in seiner stillen, festen Art immer und überall für den Menschen ein, wo es um dessen Würde und Recht ging ... Und überall, wohin er kam, in den Höhlen der Bergbauern, auf einer Lichtung im Wald, in den Fischerhütten der Adriaküste oder auf einer Steinplatte im Karst — überall fand er in aller Hast, Flucht, Gefahr und Hunger die Zeit, um zu schreiben, um auszudrücken, was ihm an Erlebnis überreich zufloß. Er schrieb auf alte Rechnungen, Pack- und Käse‚papier, und wenn dann der Aufbruch kam, stopfte er alles wieder in seine weiten Taschen, um weiterzuziehen, die nicht endenwollende Straße der Qualen... Im November 1943, als die deutschen Truppen an der ganzen Front zur Küste nachdrängen und Dalmatien besetzen, bleibt nur der Fluchtweg, in einem überfüllten Fischerboot, über das offene Meer in das von den Alliierten bereits befreite Italien. In Bari und später auch in Rom setzen sich Csokor und Sacher-Masoch für ein Nachkriegs-Österreich ein, wie es ihren Vorstellungen entspricht. Beide arbeiten an einer Zeitschrift für die Umschulung deutscher Kriegsgefangener mit und schreiben Rundfunksendungen für die in der Endphase des längst verlorenen Krieges zerstörte Heimat. „Nun werde ich hier so eingesetzt, wie ich es mir immer wünschte“, schreibt Csokor im April 1944, „und kann, natürlich vergeblich, doch mit gutem Gewissen meinen armen Landsleuten über den Äther zurufen: ES IST AUS! ES IST AUS! ES IST AUS!“ Csokor nützt nach Kriegsende die erste sich bietende Gelegenheit, um nach Wien zurückzukehren — ohne daß man ihn von offizieller österreichischer Seite dazu aufgefordert hätte. Viele bürokratische Hürden gibt es dabei zu überwinden. Im April 1946 ist es endlich so weit. In der Uniform eines englischen Liaisons-Officers landet Csokor in einem ausrangierten allierten Bomber auf dem notdürftig wieder in Betrieb gesetzten Flugplatz Schwechat. Alexander Sacher-Masoch merkt dazu im „Österreichischen Tagebuch“ an: Die österreichische Regierung weiß offenbar nicht genügend Bescheid über Werk und Bedeutung dieses Dichters und Menschen, sonst hätte sie gewiß nicht auch hier verabsäumt, neben, ja vor anderen, die unserem Land Ehre gewannen in der freien Welt, auch ihn zu berufen und mit ihm ein Stück bestes Österreich heimzuholen aus der Fremde. Welch unverständlicher Fehler! Welch unwiederbringlich verabsäumte Geste der Solidarität Österreichs zu seinen noch lebenden Großen. Sind sie denn so zahlreich gesät, die Übriggebliebenen? „Wie vorsintflutliche Knochengerüste stechen abgestürzte Apparate und die Dachrippen verbrannter Hangars aus unserem Landungsplatz, jenseits der Simmeringer Heide. Und durch eine endlose Straße, gerahmt von zerstörten Häusern, rast unser Auto der Innenstadt entgegen“, schreibt Csokor in einem Artikel für das „Österreichische Tagebuch“ („Erster Blick“, 27. April 1946). „Das danken wir dem Führer‘, sagt mein Sitznachbar im Blick nach den Ruinen an den Straßenflanken.“ An den Schriftstellerkollegen Ferdinand Bruckner, der in New York Asyl gefunden hatte, schreibt er über sein Wiedersehen in Wien nach acht Jahren: So kamen wir zur Innenstadt, Fahnen wehten uns entgegen, traurigen Siegern, die in den Ruinen ringsum bestätigt sahen, wovor sie schon 1938 vergeblich gewarnt hatten. Wenn eine der spärlichen Straßenlampen die Tücher durchleuchtete, gewahrte man darin, übernäht in einem weißen Kreis, das Hakenkreuz. Für Csokor ist die Heimkehr nach der „Befreiung“ ein bitterer Sieg, ein melancholischer Triumph; „Eher überkommt mich nun ein dunkles Gefühl der Mitschuld, der ungenügenden Wachsamkeit, deren sich unsere Generation nach dem ersten Weltkrieg schuldig gemacht hat...“ Csokor sucht in Wien die wenigen überlebenden Freunde von früher auf, man trifft sich bei Lajos von Horväth — dem Bruder des in Paris von einem Alleebaum erschlagenen Ödön - er hat einen Koffer voll Konserven mitgebracht — im ausgehungerten Österreich von unschätzbarem Wert — eine Flasche Wein wird aufgetrieben, das einzige, das in Wien jetzt noch zu haben war, „... und dann stießen wir an auf die Wiederkehr, und draußen deckte die Nacht alles zu, Zerstörung und Elend ... denn nun saß September 2015 19