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Abb. 1: Diskussion unter Emigranten im Haus Mauthners in Los Angeles. Von links: Frankl (Harald Mannl), Mauthner (Fritz Kortner), Elliott (William Sinnigen), Helfert (Friedrich Domin) „Idee und Drehbuch: Fritz Kortner“?® Während seine Theaterpläne sich in der durch den beginnenden Kalten Krieg kontaminierten Berliner Luft auflösten, gelang es Kortner im Frühjahr 1948 mit Hilfe von Erich Pommer, der seit Sommer 1946 den Neuaufbau der deutschen Filmindustrie in der amerikanisch besetzten Zone ganz erheblich vorangebracht hatte”, seine aus dem Exil mitgebrachte Filmidee zu verwirklichen. Pommer vermittelte die Zusammenarbeit Kortners mit der Objectiv-Film“, die 1947 von dem Regisseur Josef von Baky“' und dem Produzenten Richard König‘? gegründet worden war, und sorgte für die Finanzierung des Films durch die amerikanische Joint Export-Import Agency (JEIA)*, die wohl die Gagen aller amerikanischen Schauspieler, auch Kortners Gage und Spesen, übernahm. Für seine Tätigkeit als Drehbuchautor und Schauspieler erhielt er von der JEIA insgesamt 10.000 $, die auf sein Konto in den USA eingezahlt wurden. Später sollte er 10% vom Netto-Gewinn von allen Ländern außer Deutschland erhalten und einen Bonus von zusätzlichen 10.000 $, falls der Netto-Gewinn insgesamt 200.000 $ übersteigen sollte. Während der Produktionsvorbereitung und der Drehzeit erhielt Kortner zusätzlich Spesen, einen Wagen und auch die Wohnung wurde während dieser Zeit von der JEIA bezahlt.“ Inszeniert wurde der Film von Josef von Baky, sein Kompagnon Richard König fungierte als Produktionsleiter.“° „Wollte ich das, was das Drehbuch auf 200 Seiten schildert, hier als kurze Story erzählen, so ginge doch unzweifelhaft alles Wesentliche und Menschliche, worauf es letzten Endes im Film ankommt, verloren“, meinte Fritz Kortner 1948 in einem Interview“° während er am Drehbuch seines Films schrieb und fasste dann doch seine Story zusammen: Der Ruf schildert die Rückkehr eines Professors der Philosophie, der aufgefordert wurde, seine Tätigkeit in Deutschland wieder aufzunehmen. Er spürt nun an Ort und Stelle der Vergangenheit nach und bei der Konfrontation mit ihr zeichnen sich bereits sehr klar die Gefahren und Hoffnungen der Zukunft ab, wobei — meiner Einstellung entsprechend — die Betonung auf dem Wort „Gefahren“ liegt. Ein Stoff also hauchnah unserer Zeit. Das Neuartige dieses Films wird sein, dass ich in einer Version zwei Sprachen — deutsch und englisch — werde zu Worte kommen lassen, sodass der Film ohne Synchronisation verständlich werden wird. 24 — ZWISCHENWELT Das Konzept, Filme mehrsprachig und ohne Synchronisation in den Originalsprachen in allen Ländern vorzuführen, ist im Exil von mehreren Regisseuren entwickelt worden. Das fritheste Beispiel ist wohl Leopold Lindtbergs Die letzte Chance (1945) über eine Gruppe von Flüchtlingen aus mehreren Ländern, die sogar acht Sprachen (Englisch, Italienisch, Deutsch, Französisch, Schwyzerdütsch, Jiddisch, Holländisch und Serbisch) sprechen. Auch der in die USA exilierte und mit Kortner befreundete Regisseur Max Ophüls plante bereits 1947 in den USA und später in Deutschland und Frankreich mehrsprachige Filmprojcekte, ebenso wie Kortner hoffte er „durch den Film die Sprach- und Nationalgrenzen zu beseitigen.“ Seit März 1948 arbeitete Kortner an dem zweisprachigen Drehbuch, die Rolle des Philosophieprofessors Mauthner, der aus der Emigration an seine frühere Universität zurückkehrt, schrieb er sich auf den Leib. Wie schon der Widerstandskampfer Bauer 1943 in seinem Anti-Nazi-Film The Strange Death of Adolf Hitler“® ist auch Mauthner ein alter ego Kortners, nicht nur hat er dasselbe Schicksal erlitten wie sein Autor, sondern er vertritt im Film auch dessen eigene Überzeugungen, und seine Erlebnisse im Exil und bei seiner Rückkehr entsprechen weitgehend Kortners eigenen Erfahrungen. Der Rufbeginnt im amerikanischen Exil im Hause Mauthners in Los Angeles. Der von den Nazis verjagte Professor Mauthner, der erfolgreich an einer renommierten amerikanischen Universität lehrt, erhält einen Ruf, an seine ehemalige deutsche Universität in Göttingen zurückzukehren. Bei einer Party diskutiert Mauthner das Für und Wider der Einladung mit den befreundeten Emigranten (Abb. 1), die ihm skeptisch abraten, denn „mitgemacht oder zugeschaut haben sie alle!“ betont sein ebenfalls exilierter Kollege Fränkl, worauf Mauthner mit einem Satz erwidert, der auch von Kortner selbst überliefert ist: Ich frage Dich, Fränkl, der Du hier so gross angibst, bist Du bereit, Dein Leben zum Schutz anderer zu riskieren? [...] Es gibt immer noch eine ganze Reihe von Gelegenheiten! [...] Und wenn nicht, dann schweig‘ und verlang’ [es] nicht von anderen. Es gibt weder ein Volk von Verbrechern noch ein Volk von Helden [...] Was weiss ich, wie ich mich verhalten hitte, wenn ich driiben hitte bleiben kénnen.” Kortner hatte sich im Exil stets engagiert für eine Versöhnung mit den Deutschen eingesetzt und wollte in seinem Film keineswegs anklagen oder verurteilen, sondern vielmehr „aufklären, berichtigen, um Verständnis werben.“' Aus eben diesen Gründen entscheidet sich Mauthner für die Rückkehr aus seinem „Vaterland“ in die