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ihnen in ihrem langen Kampf gegen Stumpfheit, Rohheit, Gier, Lüge, Vorurteil zugefügt worden ist. Ich bingekommen, um ihnen zu sagen, die Niederlage ist keine endgültige und Platos Konzept ist nicht tot. Meine Freunde, stehen Sie nicht, die Erben jener Zeit, wehleidig abseits, während eine neue Zeit aus dem Schoss des Weltgeschehens gehoben wird. Die Lösung der Konflikte „satt oder hungrig“ gefunden zu haben, wird der Triumph unserer Zeit sein. Er wird nicht auf dem Schlachtfeld erkämpft werden. Der Sieg, der uns der Lösung der Lebensfrage zuführen soll, kann nur das Resultat unseres Denkens sein. Im klaren menschlichen Denken manifestiert sich das Göttliche. Seien Sie einberufen: „Bis nicht die Philosophen zu Königen werden, oder die Könige oder Gewalthaber wahrhaft und gründlich Philosophie erlernen, und Weisheit und politische Führerschaft in einem Menschen vereint sind, werden sich weder die Staaten von Übel befreien noch auch die Menschen. “ So sagte Plato vor mehr als 2.000 Jahren. Und heute ist diese Forderung ein Gebot der Stunde. Aber werden die Machthaber, wie wir sie kennen, je Philosophen werden? Da bin ich pessimistisch. Folglich muss die Weisheit, die Wissenschaft an ihre Stelle gesetzt werden. Die Wissenschaftler müssen die Ergebnisse ihres Denkens durchsetzen und falsches Denken unterbinden. Das ist keine Einschränkung der Freiheit. Denn erst nachdem man einen hohen Grad der Einsicht, der Bescheidung und menschlicher Teilnahme erklommen hat, erwirbt man Anspruch auf Freiheit. Das ist eine unlautere Freiheit, die den falschen Gedanken fördert, die es erlaubt ihm nachzugehen, bis er, in Wirklichkeit umgesetzt, zum Verhängnis wird. Falsches Denken macht Götzendiener aus ihnen und Götzen verlangen Menschenopfer ohne Zahl, die ihnen in den Rachen geworfen werden müssen. Die Gedanken und Lehren jener zwölf Jahre hätten nie in Freiheit gedacht und gelebt werden dürfen. Sie ergaben den Krieg von gestern. Der Krieg von morgen, sagt man Ihnen, der noch grössere Zerstörer, der wird endlich den Konflikt „satt oder hungrig“ lösen. Der von gestern konnte es nicht. Der von morgen kann es auch nicht. Die Errungenschaften des Krieges in Sieg und Niederlage sind Menschen in Angst und Not überall. Warum denn immer wieder die Fragen des Lebens in seine nie bewährten Tod bringenden Hände legen. Schon die Idee, ihn mit jener Aufgabe zu betrauen, ist eine Bankrotterklärung des Geistes. Krieg erzeugt Krieg: Schlagen Sie sich ihn endlich aus dem Kopf! Im Jahre 33 wurde die Vernunft abgeschafft und die Intuition, eine Art heidnischer Wunderglaube, eingeführt. Was aber im Gegensatz zur Vernunft steht, ist Unvernunft. Auf ihren irrationalen, 26 _ ZWISCHENWELT Abb. 6: Mauthners Sohn Walter (Ernst Schröder) wahnwitzigen Impulsen beruhte alles Handeln jener Jahre. Ja, sogar die Strategie Ihres Krieges! Sie erleben und erleiden das grausame Fazit. Der Zusammenbruch ist vollständig. Scham, Trotz und Mutlosigkeit vernebeln den Sinn. Die tiefe Nacht haben Sie einst eingeleitet mit dem Ruf: „Deutschland erwache!“ Jene Nacht, die Sie für den Tag hielten. Und so verwechselten Sie hell und dunkel, schwarz und weiss, Tat und Untat. Nun, da der Tag graut, wollen so viele unter Ihnen ihre Augen nicht öffnen und bestehen darauf, dass es dunkel sei. Es ist Morgen, wenn auch ein trüber Morgen. Aber er kann zum Tag werden. Erschliessen Sie sich ihm. Erkennen Sie den Sinn der Schöpfung. Sie sind jung und es könnte sich an Ihnen eines Tages das Wort Montaignes bewahrheiten: „Wirklich, es gibt verlorene Schlachten, die zum triumphieren [sic.: Triumphieren] mehr Anlass geben als Siege.“ Kortner sieht die deutsche Jugend als verführte, die sich jetzt mit Hilfe von Vernunft, von Wissenschaft und Philosophie aus ihrer Verstrickung befreien und zu wahrer Freiheit finden muss. Diese Perspektive ergibt sich aus der Anknüpfung an Platon, bei dem Tugend auf Einsicht und Wissen gegründet und daher erlernbar ist. Kortner verurteilt nicht nur den „Krieg von gestern“ sondern den Krieg an sich als Mittel zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte und warnt deshalb auch vor dem „Krieg von morgen“ und fordert dazu auf, die Probleme der Menschheit mit „klarem menschlichen Denken“ zu lösen. Drängendstes Problem ist für Kortner der Hunger, die Kluft zwischen Arm und Reich, und er sicht es als die entscheidende Herausforderung der Zukunft, dieses Weltproblem friedlich zu lösen. Damit reagiert Kortner, der sich selbst seit Kriegsende ganz praktisch mit Care-Paketen an der Bekämpfung des Hungers in Deutschland beteiligt hatte, auf die aktuelle Welternährungskrise nach dem 2. Weltkrieg. Er nimmt einen Kerngedanken des 1947 angelaufenen Marshall-Plans auf, dessen wesentliches Ziel die Bekämpfung des Hungers in Europa war, der mit Hilfe der ökonomischen Erneuerung der europäischen Länder besiegt werden sollte. In der ersten deutschen Fassung setzte Kortner im letzten Absatz der faschistischen Parole „Deutschland erwache“ die neue Parole „Deutschland besinne Dich!“ entgegen. In der zweiten Fassung verzichtete Kortner auf diese plakative Gegenüberstellung, sondern erinnerte nachdrücklich daran, dass es die Unvernunft war, die zur totalen Zerstörung geführt hat. Er warnt davor, nun in einer Mischung aus „Scham, Trotz und Mutlosigkeit“ zu verharren, sondern ruft auf, den „Sinn der Schöpfung“ zu erkennen, zu wahrhaft humanem Denken