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Bakys Anteil an der Regie beginnt, zumal Kortner seine eigenen Szenen sicher selber inszeniert hat. Bei seiner eindrucksvollen Gestaltung Mauthners fällt auf, dass er jegliches Pathos meidet, auch seine mit starken Gesten begleitete Rede gleitet nie dahin ab, immer bezieht er Requisiten wie Brille und Redekonzept in sein Spiel ein und gibt seinem Vortrag damit einen professoralen Gestus (Abb. 9). In allen Szenen ist zu studieren, dass Kortner auch im Film „auf der Genauigkeit des Ausdrucks und der Präzision des Spielens“”° bestand. Dass bei einigen Charakteren und bei den „schr romanhaft konstruierten“” privaten Verwicklungen - so verliebt sich Mauthners Sohn in die amerikanische Assistentin seines Vaters — der Film der Gefahr des Klischees und allzu melodramatischer Wirkung nicht immer entgeht, ist weniger der Inszenierung von Baky und dem Produzenten anzulasten, wie Klaus Völker meint”®, sondern mehr Kortners Drehbuch. Denn die Gestaltung der Charaktere und der familiären Szenen im Drehbuch ließen dem Regisseur wenig Spielraum, und wie Kortners in und für Hollywood geschriebene Drehbücher und Treatments zeigen, hat der Filmautor Kortner durchaus ganz bewusst populäre Filmgenres bedient und seine politischen Botschaften auch mit melodramatischen Effekten verbunden. ”? Der „umstrittene Kortnerfilm“?° Der Rufnahm nicht nur wegen seiner Zweisprachigkeit eine Sonderstellung im deutschen Nachkriegsfilm ein, sondern er bekam auch einen ofliziösen Status, weil der Berliner Bürgermeister Ernst Reuter das Protektorat für die Uraufführung am 19. April 1949 im Kino Marmorhaus übernahm. Diesem Beispiel folgten die Oberbürgermeister von Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf und München und übernahmen die Ehrenprotektorate für die Erstaufführung des Films in ihren Städten, 1949 wurde Der Rufals offizieller deutscher Beitrag bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes gezeigt. Trotz und vielleicht auch wegen dieser offiziellen Förderung auch durch die Besatzungsmacht, war der Film beim deutschen Publikum und der Filmkritik von Anfang an umstritten. Zwar lobten die Kritiker bis auf marginale Einwände die künstlerische Arbeit, besonders Kortners herausragende schauspiclerische Leistung wurde anerkannt, und man klopfte ihm auch recht gönnerhaft auf 28 — ZWISCHENWELT die Schulter für sein Bemühen um Versöhnung. Aber nach diesen Alibi-Bekundungen wandten sich die Kritiker umso schärfer gegen seine angeblich falsche Darstellung der deutschen Gegenwart, wobei sie alle Kortners Differenzierungen unterschlugen. Die Mehrheit der Kritiker bescheinigte Kortner massive Vorurteile und hielt den Film im Hinblick auf seine Wirkung im Ausland für schädlich. Im Zentrum der Diskussion stand dabei Kortners Darstellung eines vor allem in der studentischen Jugend noch vorhandenen Antisemitismus, die als verzerrt und übertrieben abgetan wurde. Nur wenige Kritiker verteidigten den Film: Was in diesem Film gezeigt wird, ist immer noch die bittertraurige Wahrheit [...] Tatsachen bleiben nach wie vor: die Einsichtslosigkeit; der stumpfe Hass, der pathologische Rassendünkel. Wir brauchen gar nicht bis ins Dritte Reich zurückzugehen, wenn wir uns erinnern wollen — die jüngste Vergangenheit gibt dem erschütternden Pessimismus des Films recht: der NS-Nachwuchs auf den Universitäten von Göttingen und Erlangen, Schändung von OdF-Denkmälernf', Tumulte um Oliver Twist.” Und dazu die Herrschaften von der „inneren Emigration‘, die es den Vertriebenen und wieder Heimgekehrten bitter verargen, dass sie „einfach türmten“ anstatt sich brav vergasen zu lassen. [...] Das Publikum lacht über die Bonmots der Widersacher des jüdischen Professors an der Göttinger NachkriegsUniversität, über die witzigen Unverschämtheiten angebräunter Studenten und ihrer gleichgesinnten Lehrer — schlimmer noch, es scheint sich dariiber zu freuen.® So der Kritiker des Berliner Nacht-Exprefß und ein anderer Kritiker sekundierte: Vor diesem Film erinnern wir uns an betrübliche Vorkommnisse des Jahres 1946. Es kam an westdeutschen Hochschulen damals zu nazistischen Umtrieben. Tatsächlich traf Kortners Rückkunft auch auf Mifsgünstige damals. So schrieb, spielte Kortner ein Stück seiner eigenen Erfahrung.“ Das Gros der Kritiker aber warf Kortner vor, sein Film enthalte „halbe Wahrheiten“ „psychologische Fehler“, „verhängnisvolle Resignation“, „einen betrüblichen Eindruck des Vorurteils“, eine „Schwarzweißfabel“ und Mauthner sei lediglich ein „Opfer der Konflikte, die er selbst ohne es zu wollen, heraufbeschworen hat.“ Faschistischer Sprachgebrauch klingt an, wenn ohne jede Distanzierung Mauthners Sohn als der „unwissende Mischling“ bezeichnet wird und geradezu erschütternd sei der „Zwiespalt in der Brust des Heimkehrers Kortner: sich zu mühen, objektiv zu sein, und doch ungerecht zu bleiben“. Auch der einflussreiche Filmkritiker Gunter Groll hielt Kortner vor, dass er „übertreibt, wenn er an einer kleinen, nicht näher bezeichneten Universität kurz nach der Kapitulation haarsträubende Zustände schildert, die den Eindruck erwecken, als fände demnächst der Fackelzug der SA durchs Brandenburger Tor statt. Als seien sie alle [...] antisemitische Nazis alter Schule. Als seien sie obenauf und bei weitem in der Majorität. Es gab sie und gibt sie noch immer. Aber immer und selbst in tiefsten Nazizeiten gab es außer ihnen und der Masse der Indifferenten den Gegentyp des deutschen Studenten, der für die Sache der Freiheit einstand, denn viele Studenten, nicht nur die Geschwister Scholl sind dafür in die Lager und aufs Schafott gegangen. “** Ganz abgesehen davon, dass es einem schier die Sprache verschlägt, dass Groll Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus als Kronzeugen gegen den von den Nazis mit besonderem Hass verfolgten Emigranten Kortner anruft, er gibt den Filminhalt auch entstellt wieder und unterschlägt Kortners differenzierte Darstellung. Noch 1967, als Der Rufanlässlich von Kortners 75.